RICS Global Commercial Property Monitor

Stimmungsumschwung in Deutschland

Stimmungswandel in Deutschland. Bild: Fotolia

rv DÜSSELDORF: Nachdem die lockere Geldpolitik den Immobilien-Boom lange Jahre am Laufen gehalten hat, kommt mit der Verfestigung der Inflationsraten und der Erkenntnis, dass diese durch eine Erhöhung der Zinsen eingedämmt werden müssen, auch die Erkenntnis bei den Immobilieninvestoren an, dass der Aufschwung ein Ende findet. So zeigen die Ergebnisse des RICS Global Commercial Property Monitor (GCPM) für das zweite Quartal 2022, „dass die Verbesserung der Stimmung der letzten Quartale auf globaler Ebene zum Stillstand gekommen ist“. In Deutschland war die Investorenstimmung bereits im ersten Quartal 2022 deutlich gesunken.

Die anhaltende Straffung der Geldpolitik durch die wichtigsten Zentralbanken der Welt – allen voran die US-Notenbank Federal Reserve, die den Leitzins bereits auf 2,25 bis 2,5% angehoben hat – ließen den Global Property Sentiment Index (CPSI) gemäß der Umfrage zum RICS Global Commercial Property Monitor (GCPM) von +3 im ersten Quartal 2022 wieder in den negativen Bereich auf -6 sinken und in Europa von +8 auf nunmehr -4. In Deutschland war der CPSI bereits zu Jahresbeginn von +2 im vierten Quartal 2021 auf -1 gesunken und im zweiten Quartal regelrecht von -1 auf -20 abgestürzt.

Schon im ersten Quartal hatten die deutschen Befragungsteilnehmer befürchtet, dass die Änderung der Zinspolitik das Risiko für Immobilieninvestments erhöhen könnte und hatten bereits eine negative Veränderung bei den Kreditkonditionen wahrgenommen, so dass der Nettosaldo laut RICS-Umfrage bei -60% lag. Im zweiten Quartal verstärkte sich der Eindruck und der Saldo sank weiter auf -92%.

In diesem Kontext sind auch nur noch 28% der Befragten in Deutschland der Ansicht, dass sich die Bundesrepublik auf dem Höhepunkt des Immobilien-Zyklus befindet. Im ersten Quartal glaubte das mit 53% noch die Mehrheit. Nun gehen 71% der Befragten davon aus, dass sich der hiesige Immobilienmarkt in einer Abschwung-Phase befindet, im ersten Quartal glaubten das nur 27%. Der Eindruck, dass die „Party vorbei ist“, breitet sich hierzulande damit immer weiter aus.

Diese abrupte Ernüchterung spiegelt sich auch sehr anschaulich in der Investorenstimmung – gemessen im Investor Sentiment Index (ISI) – wider, die nicht nur deutlich einbricht, sondern erstmals seit langer Zeit auch unter die Mieterstimmung fällt. So sackte der Index der Investorenstimmung von +5 im ersten Quartal auf -26 regelrecht ab, während die Mieterstimmung – gemessen im Occuppier Sentiment Index (OSI) – von -7 auf -14 zurückfällt.

Vor diesem Hintergrund sinkt die Investorennachfrage laut RICS-Befragung, die zwischen dem 9. Juni und dem 11. Juli durchgeführt wurde, über alle Assetklassen auf einen Nettosaldo von -35, nach +13 im ersten Quartal. „Bei Büroimmobilien bricht der Nettosaldo nahezu ein und verzeichnet einen Wert von -42% (Q1: +23%)“, heißt es im Bericht, bei den beliebten Industrieimmobilien (inkl. Logistik) ging der Saldo auch deutlich von +44% auf -1% zurück, fiel damit aber nicht so tief in den negativen Bereich. Einzelhandelsimmobilien gingen von -29% auf -61% zurück, allerdings wird dabei nicht unterschieden, dass die Immobilien des Lebensmittelhandels sehr Krisen resistent sind.

Dynamik im Immobilienmarkt kommt praktisch zum Stillstand

Nach den Worten von Susanne Eickermann-Riepe, Vorstandsvorsitzende der RICS Deutschland, bringen die „makroökonomischen Rahmenbedingungen die Dynamik im Immobilienmarkt praktisch zum Stillstand“. Zu den negativen Einflussfaktoren zählt sie ein hohes Risiko, die allenthalben steigenden Zinsen, die Furcht vor einer weltweiten Rezession, die eingeschränkten Ressourcen, die aktuell die Wirtschaft belasten und die Transformation der Wirtschaft, die derzeit voll im Gange sei. „Das hinterlässt deutliche Spuren auch auf dem Immobilienmarkt“, resümiert sie.

In dieses Bild der Ernüchterung und des Abschwungs passt, dass Deutschland als Immobilieninvestitionsstandort von 60% der Befragten weiterhin als „teuer“ und von 31% sogar als „sehr teuer“ eingestuft wird.“ Nur 9% beurteilen die Preise auf dem Markt als fair. Zum Vergleich: Im vierten Quartal bewerteten 55% der Befragten den hiesigen Standort als „teuer“ und 28% als „sehr teuer“. „Deutschland steht damit im europäischen Vergleich der Länder, die ihren Standort als teuer oder sehr teuer ansehen (91%), auf Platz 1“, heißt es im RICS GCPM.

Das lässt – zumindest in einigen Segmenten – ein erhebliches Potenzial für Markt-Korrekturen befürchten. Davon dürfte der Markt für Handelsimmobilien, der schon seit längerem unter dem Strukturwandel durch die Online-Konkurrenz leidet, weniger stark betroffen sein. In einigen Segmenten wie Shopping-Center sind die Spitzenrenditen in den vergangenen Jahren bereits deutlich auf die Marke von etwa 5% gestiegen.

Laut RICS-Umfrage gehen die Teilnehmer des Weiteren davon aus, dass die Kapitalwerterwartungen hierzulande in den nächsten 12 Monaten bei allen Assetklassen in den negativen Bereich fallen. Am günstigsten ist dabei noch die Prognose für Industrieimmobilien, die immerhin vom aktuellen Strukturwandel wie etwa der verstärkten Lagerhaltung der Hersteller, dem wachsenden eCommerce und einer hohen Flächennachfrage profitieren. Zwar war der Rückgang des Saldos von 53% auf -4% erheblich, doch sackte der Wert nicht allzu tief in den negativen Bereich.

Bei Büroimmobilien ging der Saldo dagegen von +31% auf aktuell -39% zurück. Dass der Saldo bei Einzelhandelsimmobilien von -40% im ersten Quartal auf -70% zurück ging, spiegelt den erwähnten Strukturwandel in einigen Segmenten der Einzelhandelssparte wider. Der Bereich Fachmärkte und Fachmarktzentren mit Schwerpunkt Nahversorgung dürfte davon nicht so stark berührt sein. Laut RICS sind die Einschätzungen der Befragten über die Entwicklung der Mieten in den nächsten 12 Monaten in Deutschland ähnlich wie die der Kapitalmarkterwartungen.

Überbewertungen bergen Abwärtsrisiken

Insgesamt kommen die befragten Experten beim Blick auf den globalen Immobilienmarkt zu dem Ergebnis, dass Überbewertungen Abwärtsrisiken bergen. Mit Blick auf die steigenden Zinssätze und die Gefahr einer weltweiten Rezession, würde die Überbewertung der Immobilienmärkte per Saldo ein zusätzliches Risiko darstellen, so die Ergebnisse der RICS-Befragung: „Auf globaler Ebene ist mehr als die Hälfte der Befragten der Ansicht, dass ihr lokaler Markt als teuer oder sehr teuer zu bewerten ist. Für Nord- und Südamerika steigt dieser Anteil auf zwei Drittel (70% in den USA). In der Region MEA liegt der Anteil bei 50%, in der APAC-Region (Asien Pazifik) bei 42% und in Europa bei 61%.“

Dieser Vergleich mit den anderen Regionen der Erde macht deutlich, wie stark sich Deutschland mit 91% der Befragten, die den hiesigen Markt als „teuer“ oder „sehr teuer“ beurteilen, abhebt. Der Ruf als „sicherer Hafen“, der Deutschland immer wieder nachgesagt wurde, könnte sich jetzt als großer Nachteil erweisen.