Vermietungsmarkt

Starke Impulse durch die Nahversorger

Der Shutdown hat den Handel sehr belastet. Foto: BTE

Der Shutdown für fünf Wochen hat im Frühjahr weite Teile des Nonfood-Einzelhandels stark belastet. Dass dadurch die Expansionspläne hinterfragt wurden, liegt auf der Hand. Das zeigt auch die Bilanz für den Vermietungsmarkt.

Der Umsatz vieler Nonfood-Händler, die während des Shutdowns schließen mussten, hat auch drei Monate nach den ersten Lockerungsmaßnahmen das Vor-Corona-Niveau noch nicht erreicht, wie der Handelsverband Deutschland (HDE) nach einer Umfrage unter 500 Einzelhändlern berichtet. Konkret erreichten etwa zwei Drittel der befragten Unternehmen in der letzten Woche des Juli nur rund 75% des Umsatzes in der Vorjahreswoche.

Für 27% der befragten Einzelhändler ist die Lage so ernst, dass sie durch die Folgen der Corona-Krise ihre unternehmerische Existenz bedroht sehen. Vor allem viele Bekleidungshändler durchleben schwere Zeiten. Laut HDE-Hauptgeschäftsführer Stefan Genth verbessert sich die Lage zwar allmählich, doch bleibt sie für viele kritisch. Verhandlungen mit den Vermietern über die Miethöhe gehören deshalb zum Alltag.

Diese Entwicklung hinterlässt auch deutliche Spuren in der Halbjahresbilanz des Vermietungsmarkts für Retail Assets, wie der Immobiliendienstleister JLL berichtet: So ging der Flächenumsatz gemessen am Vorjahreszeitraum um knapp ein Viertel (24%) auf 191 900 qm und die Zahl der Anmietungen um knapp ein Drittel auf 383 Abschlüsse zurück. Als Lichtblick bleibt aus Sicht des Immobilienberaters, dass sich der Einzelhandel zum Ende des ersten Halbjahres langsam wieder von den Folgen des Lockdowns erholt.

Zudem weist Dirk Wichner, Head of Retail Leasing bei JLL Germany, darauf hin, dass dieWerte aus dem ersten Halbjahr 2020 immer noch über den Vermietungszahlen während der Finanzmarktkrise 2008/2009 lagen, als der Immobilienmarkt fast völlig zusammenbrach und der Begriff „Schockstarre“ zum Wort des Jahres wurde. Inzwischen registriert der Vermietungsexperte auch wieder steigende Flächennachfrage, was auch durch die wachsende Zahl von Deal-Meldungen belegt wird. Deshalb sieht Wichner „Licht am Ende des Tunnels“, auch wenn die nächsten Monate für viele Händler und Gastronomen noch vor Herausforderungen stehen.

Der Einzelhandel blickt vor allem auf die Herbstmonate. Denn dann wird sich entscheiden, wie viele Einzelhändler – etwa aus der Bekleidungsbranche –, die zur besseren Bewältigung der Krise Insolvenz in Eigenverwaltung angemeldet hatten, die Kosten wieder im Griff haben und auf festem Boden stehen.

Dass in der aktuellen Lage die positiven Impulse vor allem von den Nahversorgern ausgehen, die nicht nur weiter öffnen durften, sondern zweifellos mit einem vergrößerten Convenience-Angebot auch davon profitierten, dass die Gastronomie geschlossen war, zeigt, dass der Vermietungsmarkt im Einzelhandel durchaus differenziert betrachtet werden muss. Es gibt hier auch Gewinner.

Gastronomie profitiert von Lockerungsmaßnahmen

So konnte die „Food-Branche“, zu der JLL auch die Gastronomie rechnet, in den ersten sechs Monaten 2020 mit einem Anteil von 31% ihre Führungsrolle beim Flächenumsatz ausbauen und den Abstand zum früheren Spitzenreiter, der Textilbranche mit 24%, vergrößern. „Entscheidend war dabei der Löwenanteil von 67%, den die Lebensmittelanbieter (Food) beisteuerten“, schreibt der Immobilienberater. Dass der Anteil der Nahversorger im ersten Quartal höher lag als zum Ende des zweiten Quartals, ist darauf zurückzuführen, dass die Gastronomie mit den Lockerungsmaßnahmen im Juni auch wieder stärker als Mieter aufgetreten ist.

Zu den expansiven Gastronomie-Konzepten gehörten in diesem Jahr vor allem das Burger-Konzept Five Guys und das Café Extrablatt. Dabei haben laut JLL in den Sommermonaten die Konzepte einen Vorteil, die auf Außenbestuhlung setzen und so mehr Gäste bewirten können. Die bundesweite Regelung, dass die Betriebe auch die Parkplätze vor ihren Gaststätten nutzen dürfen, eröffnet  ihnen die Chance, bei Wahrung der Sicherheitsabstände mehr Tische aufzustellen – und so die Umsatzverluste womöglich wieder auszugleichen.

Diese Entwicklung hat auch zu einer regionalen Verschiebung des Vermietungsschwerpunkts geführt, denn die Nahversorger mieten selten in den Einkaufslagen der Großstädte. „Zwei Drittel der Vermietungsdeals sind im bisherigen Jahr außerhalb der zehn größten Handelsstädte abgeschlossen worden“, schreibt JLL. Auf die zehn bedeutendsten Städte Deutschlands entfiel mit 62 300 qm Flächenvolumen nur knapp ein Drittel der insgesamt 191 900 qm und nur 140 der 383 Mietvertragsabschlüsse des ersten Halbjahres. Hier zeigten sich die Folgen des Shutdowns besonders.

Auf einem relativ guten Kurs in dieser Gruppe sieht der Immobilienberater Düsseldorf mit 16 000 qm, wobei zu erwähnen ist, dass im Stadtzentrum mit dem Kö Bogen II ein neues Shopping-Center entstanden ist. Für die Hansestadt Hamburg, in der aktuell gleichfalls noch viel Einzelhandelsfläche entsteht, wurde ein Wert von 9 900 qm ermittelt. Auch Berlin lag nach drei großflächigen Anmietungen im zweiten Quartal mit 13 700 qm über dem Durchschnitt der Top-Städte, doch zeigt der Vergleich mit dem Fünf-Jahres-Schnitt von 38 400 qm, dass auch die Bundeshauptstadt nicht ungeschoren blieb. Die übrigen Städte aus der Gruppe der Top 10 musste sich mit deutlich niedrigeren Werten zufriedengeben.

Dass sich die Zwangsschließungen in Teilen des Einzelhandels sowie der Gastronomie und die nur langsame Erholung der Einzelhandelsumsätze im Zuge der Lockerungen auch auf die Höhe der Mieten auswirken, lassen die Verhandlungen vieler angeschlagener Mieter über die Mieten und Stundungen ahnen. So registriert JLL, dass sich die Krise auch auf die Spitzenmieten auswirkt, zumal diese bedingt durch den aktuellen Strukturwandel im Einzelhandel – Stichwort: Digitalisierung – schon seit geraumer Zeit unter Druck stehen.

Mieten stehen schon seit geraumer Zeit unter Druck

Das zeigt der Blick auf die von JLL untersuchten 185 namhaften deutschen Städte, wenn man sie nach Stadtgröße untersucht. In der Städtekategorie mit weniger als 100 000 Einwohnern gaben die Spitzenmieten in den vergangenen drei Jahren demnach um durchschnittlich knapp 12% nach. „Selbst die Metropolen mit mehr als einer halben Million Einwohner inklusive der Big 10 wiesen einen leichten Rückgang von 1,8% auf“, schreibt der Berater. In punkto Flächengröße zeigten sich die expandierenden Händler eher vorsichtig, denn die beiden kleineren Größenklassen mit weniger als 100 qm und bis 250 qm machten 56% aller Abschlüsse aus, das war etwa genauso viel wie im Vorjahreszeitraum.

Beim Blick in die Zukunft, die derzeit trotz der leichten Erholung beim Konsumklima vor allem von Unsicherheit über die Pandemie und ihre weitere Wirkung auf die Wirtschaft geprägt ist, gibt sich Vermietungs-Chef Wichner realistisch und zuversichtlich zugleich: „Wir erwarten, dass die ausgesetzten oder reduzierten Mietpreiszahlungen der Einzelhändler auch nach dem Lockdown zu weiteren Verhandlungen mit den Vermietern führen werden.“ Dass diese Verhandlungen dauerhafte Mietpreissenkungen zur Folge haben könnten, zeichnet sich für die Big 10 aus seiner Sicht noch nicht ab. Allerdings: „Viele Händler und Vermieter haben verstanden, dass sie diese Lage am besten im Dialog und Konsens überstehen“, so der Experte.

Gleichwohl zeigen Untersuchungen, dass gerade die Metropolen stark unter Druck stehen, weil große Veranstaltungen ausfallen und internationale Touristen im Zuge der Reisebeschränkungen wegbleiben. Gemäß ihrem Whitepaper „Quo vadis Einzelhandel im Corona-Zeitalter“ rechnen BBE und IPH in den Metropolen mit minus 20 bis minus 30% die höchsten Umsatzrückgänge.