Nonfood-Handel

Sinkende Mieten und mäßige Expansion

Die Pandemie hinterlässt in den Einkaufsstraßen Spuren. Foto: Hystreet.de

rv DÜSSELDORF. Der Investmentmarkt für Handelsimmobilien wird maßgeblich vom Handel mit Lebensmittelmärkten sowie lebensmittelgeankerten Fachmarkt- und Nahversorgungszentren angetrieben, während sich bei Shopping-Centern in punkto Transaktionsvolumen bereits seit 2018 vergleichsweise wenig tut. Auch bei Geschäftshäusern in den Top 7 Städten drückte sich die aktuelle Unsicherheit der Investoren in einem Anstieg der Spitzenrenditen um 0,2 Prozentpunkte auf 3,3% aus. Die Zwangsschließungen zur Corona-Bekämpfung verschärfen die Lage bei den Mietern dieser Asset-Klassen. Das hat Folgen für den Vermietungsmarkt.

Vor diesem Hintergrund geht Michael Gerling, Geschäftsführer des EHI Retail Institutes und Mitglied im Rat der Immobilienweisen, davon aus, dass sich damit der Wettbewerb der institutionellen Investoren um die wenigen, attraktiven Portfolioangebote verschärfen wird und ein weiterer Rückgang der Renditen zu erwarten ist. Bei den Supermärkten, die stark im Fokus der Investoren stehen, ging die Spitzenrendite im vergangenen Jahr laut Frühjahrsgutachten der Immobilienwirtschaft 2021 um 0,4 Prozentpunkte auf 4,8% zurück. Bei SB-Warenhäusern sank die Rendite nur leicht von 4,75% auf 4,7% und Fachmarktzentren sowie Fachmärkte blieben mit 4,15% bzw. 5,25% stabil.

Bei den Bau- und Gartenmärkten, die gleichfalls weiter gefragt sind, ermittelten die Experten vom EHI um Geschäftsführer Gerling, die im Frühjahrsgutachten das Kapitel über den Handelsimmobilienmarkt geschrieben haben, nur einen leichten Rückgang um 0,1 Prozentpunkte auf 5,1%. Wie sich die Lage im deutschen Nonfood-Handel weiterentwickelt, wird aber kurzfristig davon abhängen, wie lange die Politiker an den Zwangsmaßnahmen für die Branche festhalten. In einigen Bundesländern  mit Inzidenzwerten von unter 100 kann inzwischen wieder ohne Vorlage eines negativen Corona-Tests eingekauft werden.

Vor dem Hintergrund der vielen Unsicherheiten, die immer noch bestehen, erwarten die Experten bei innerstädtischen Geschäftshäusern und bei Shopping-Centern einen Rückgang des Transaktionsvolumens. „Die Unsicherheit wird sich in den Branchen des aperiodischen Bedarfs fortsetzen“, so Gerling. Und im Stadtbild werde sich weiterer Leerstand manifestieren. Die Verluste pro geschlossenem Verkaufstag in den betroffenen Branchen beziffert er mit bis zu 700 Mio. Euro.

Nach einem Lockdown von nunmehr gut fünf Monaten im Einzelhandel dürften bei vielen die Reserven aufgebraucht sein. Zumal ein Erstattungsbetrag von 12 Mio. Euro der Überbrückungshilfe III für filialisierte Unternehmen, die hierzulande das innerstädtische Bild prägen, laut Gerling nicht ausreichen: „Unzureichende Cashflows in den Handelsunternehmen wirken sich über ausfallende Mietzahlungen auch auf das Kundenvermögen der typisch in Immobilienfonds investierten Altersvorsorgeeinrichtungen und Versicherungen aus – mit möglichen Konsequenzen für den Finanzsektor“, gibt er zu bedenken.

Prognosen für 2021 sind derzeit schwierig

Und dass sich die Folgen von einem spürbaren Frequenzrückgang in den Innenstadtlagen, den finanziellen Engpässen bei den Mietern und die Aufgabe von Filialen auf die Expansion und damit auf den Vermietungsmarkt für Retail Assets auswirken, liegt auf der Hand. Auch wenn Prognosen für das Jahr 2021 derzeit grundsätzlich schwierig sind und die immer wieder bemühten Spitzenmieten in den Top-Einkaufsstraßen nur das oberste Marktsegment von 3% des Flächenumsatzes abbilden – und nicht den Durchschnittswert beschreiben – so ist laut Gutachten doch unübersehbar, dass selbst die Höchstmieten in den deutschen Top-Lagen von 2019 auf 2020 – bis auf wenige Ausnahmen – nachgegeben haben.

Zu den Ausnahmen gehören die Einkaufslagen für Marken des höheren Genres wie die Königsallee (Foto: Comfort) in Düsseldorf und die Goethestraße in Frankfurt am Main, die sich damit auch im Preistrend der Spitzenmieten durch ihre stabile Prognose ausweisen. Und die Bayern-Metropole München, in der sich – anders als in anderen Großstädten – der Schwerpunkt des Einzelhandels primär auf das Zentrum konzentriert, zeichnet sich nach wie vor durch ihre allgemeinen Spitzenwerte im Immobilienmarkt aus.

Als attraktiv stufen die EHI-Experten aus Immobilien-Sicht zudem Berlin mit seinen bundesweiten Spitzenmieten für kleinere Ladenflächen und Hamburg für größere Ladeneinheiten ein. „Die deutschen A-Städte sind insbesondere für ausländische Mieter attraktiv und es werden trotz Lockdown noch langfristige Mietverträge abgeschlossen“, heißt es im Frühjahresgutachten.

Wie schon auf dem Investmentmarkt dominiert der Lebensmittelhandel auch auf dem Vermietungsmarkt, was angesichts der schwierigen Lage im Nonfood-Handel nicht überrascht. Dabei fokussiert sich die Branche laut Gutachten nicht nur auf die Top-7-Städte. Auch in Klein- und Mittelstädten haben die Nahversorger gute Chancen. Besonders aktiv waren der Discounter Lidl und der Markendiscounter Netto. Auch Aldi Süd geht vermehrt in die Innenstadt-Lagen.

Daneben expandierten einzelne inhabergeführte Bioläden oder Biomarkt-Ketten eröffneten neue Filialen. Vor diesem Hintergrund bleiben Vermieter in diesem Marktsegment von Mietausfällen verschont. Bei ihrer Expansion in den Top-Städten fokussierten sich die Lebensmittelhändler vor allem auf Berlin und München.

Viele Händler kämpfen um den Erhalt von Standorten

Im Nonfood-Einzelhandel sieht das ganz anders aus. Die Eröffnung neuer Filialen war eher die Ausnahme. „Häufig kämpften diese Unternehmen um den Erhalt von Standorten und nicht selten kam es zu Ausdünnungen des Filialnetzes bis hin zu gänzlichen Schließungen, was letztes Jahr zu sichtbaren Leerständen auch in 1A-Lagen führte“, heißt es dazu im Frühjahrsgutachten.

Besonders groß sind die Löcher, die die Schließung der rund 40 Karstadt- und Kaufhof-Filialen im Zuge des Insolvenzverfahrens von Galeria Karstadt Kaufhof im vergangenen Sommer gerissen haben, wie etwa die Schließung des Kaufhof in der Hamburger Mönckebergstraße und des Karstadt Sport-Hauses vis à vis oder der Kaufhof-Häuser in den Top-Lagen von Dortmund und Essen.

Nachgegeben haben auf Grund der nachlassenden Nachfrage auch die Spitzenmieten in den Städten jenseits der A-Städte. Bezugnehmend auf die DIP Deutsche Immobilien Partner heißt es im Gutachten, dass die Spitzenmieten in Städten wie Bremen, Essen, Karlsruhe, Leipzig und Nürnberg binnen Jahresfrist um 5 bis 20% gesunken sind, während sie in Dresden, Hannover und Magdeburg stagnierten. Überdies sei der Flächenumsatz in Innenstadt-Lagen 2020 um knapp 40% gesunken.

Zu den wenigen Unternehmen aus dem Non-Food-Bereich, die im Vorjahr neue Filialen eröffnet haben, gehört der französische Sportartikelanbieter Decathlon, der vor allem im süddeutschen Raum expandierte, darunter auch im Einkaufszentrum Cano in Singen. Auch einzelne Baumarktketten öffneten neue Flächen – vor allem der Sonderpreis Baumarkt, der im Niedrigpreis-Segment angesiedelt ist.

Beim Blick auf 2021 sehen die EHI-Experten auch weiterhin den Lebensmittelhandel als Haupttreiber der Expansion, wobei wiederum die Bundeshauptstadt laut Gutachten die meisten Eröffnungen meldet. „Alle anderen Branchen, die nicht der Nahversorgung angehören, werden vermutlich auch im laufenden Jahr mit aller Vorsicht neu eröffnen – wenn überhaupt“, heißt es weiter.