Investitionen in die Digitalisierung

Schützenhilfe für den Mittelstand

Online und Offline verbinden. Bild: Fotolia

rv DÜSSELDORF. Gerade in Zeiten der Zwangsschließungen konnten sich stationäre Einzelhändler mit einem funktionierenden Online-Vertrieb noch ganz gut über Wasser halten. Einhellige Meinung der Experten ist, dass die Pandemie die Digitalisierung vorantreibt. Vielen stationären Händlern mit Nachholbedarf fehlt nach den Umsatzverlusten durch die Zwangsschließungen aber das Geld für Investitionen. Hilfestellung bietet auch die Initiative „Zukunft Handel“.

Nach einer Umfrage des Handelsverbands Deutschland (HDE) unter 1 100 Händlern ist es für etwa 60% der Handelsunternehmen auf Grund der wirtschaftlichen Auswirkungen der Pandemie und der Zwangsmaßnahmen nicht möglich, in ihre Zukunft zu investieren. So ist die Lage bei vielen Nicht-Lebensmittelhändlern nach den Worten von Stefan Genth, Hauptgeschäftsführer des HDE, nach Umsatzausfällen von bis zu 80% weiterhin dramatisch. Entsprechend pessimistisch blicken viele denn auch auf den weiteren Jahresverlauf.

Laut HDE-Umfrage sehen vor allem mittelständische Handelsunternehmen mit einem Jahresumsatz von weniger als 500 000 Euro auch für den Rest des Jahres keinen Lichtblick. Konkret planen 40% dieser Betriebe für dieses Jahr keine Investitionen, gleichzeitig sind aber mehr als 70% der Befragten der Meinung, dass weitere Investitionen in die Zukunftsfähigkeit ihrer Geschäfte wichtig wären.

Vor diesem Hintergrund sieht der Handelsverband die Politik gefordert, die unverschuldet in Not geratenen Handelsunternehmen bei der Digitalisierung zu unterstützen. Nach Vorstellung des Verbands könnte ein Digitalisierungsfonds in Höhe von 100 Mio. Euro helfen. „Wir brauchen eine staatliche Modernisierungshilfe für Unternehmen, die krisenbedingt ohne Geld für dringend nötige Investitionen dastehen“, mahnt Genth. Als Vorbild dienen ihm unter anderem die aktiven Digitalisierungs-Coaches, die in Nordrhein-Westfalen Hilfestellung leisten. Ein weiteres Modell könnte das Mittelstand 4.0 Kompetenzzentrum des Bundeswirtschaftsministeriums sein.

Derweil konnte die im September 2020 gegründete Digitalisierungs-Initiative Zukunft Handel von Google und HDE nach neun Monaten in einem Online-Round-Table-Gespräch eine erste Bilanz ziehen. Demnach haben sich allein über die Webseite inzwischen etwa 410 000 Personen über das Programm informiert und 70 000 haben die Angebote aktiv genutzt, beispielsweise indem sie an einem individuellen Experten-Coaching oder an einem der rund 80 Online-Trainings teilgenommen haben, wie Sandra Fründt, Marketing Direktorin B2B bei Google für die DACH-Region, berichtet.

Die Kunden informieren sich täglich im Internet

Dabei waren Angebote wie das „Erstellen und Optimieren Ihres Brancheneintrags mit Google My Business“, der „Aufbau einer eigenen Marke: Wie positioniere ich mich online" sowie „Produktives Arbeiten im Homeoffice" bei den Teilnehmern besonders beliebt. Ziel der Initiative ist es, die Teilnehmer Schritt für Schritt auf ihrem Weg vom klassischen Offline-Geschäft zu einem „hybriden Betrieb“ mit Offline- und Online-Angebot zu begleiten. Zudem soll das stationäre Geschäft mithilfe von Online-Tools zukunftsfähig gemacht werden.

Nach einer qualitativen Umfrage unter 300 Einzelhändlern gab laut Fründt jedes zweite Unternehmen an, dass es die Initiative genutzt hat und sie dem stationären Handel geholfen hat. „Gerade für lokale Einzelhändler wird die Verbindung von Online und Offline immer wichtiger, da Millionen Menschen täglich im Internet nach Geschäften in der Nähe suchen“, sagt die Expertin: „Sieben von zehn Nutzerinnen und Nutzer kaufen bei einem Geschäft, das sie auf Google gefunden haben.“

Wie sie weiter erläutert, erhalten Selbstständige im Einzelhandel mit dem Unternehmensprofil in der Google Suche und auf Google Maps „eine einfache und vor allem kostenfreie Möglichkeit, besser gefunden zu werden“. Schon sechs von zehn Handelsbetrieben würden damit die Möglichkeiten ihres Profils sukzessive erweitern. Das bestätigt auch Minou Oh,Inhaber des Asia Markts Lee in Berlin, der das Unternehmensprofil in der Google Suche und auf Google Maps fast täglich nutzt und dabei feststellt: „Je mehr Informationen ich hineingebe, desto aktiver sind auch meine Kundinnen und Kunden.”

Laut Stephan Tromp, stellvertretender Hauptgeschäftsführer des HDE, hat die Initiative „Zukunft Handel“ damit gezeigt, „wie wichtig eine moderne, schnelle und breite digitale Infrastruktur als Grundlage für neue Geschäftsmodelle ist“. Darüber hinaus müsse der Staat aber dort investieren, wo der Wettbewerb es allein nicht schaffe, plädiert auch er für die „aktive Förderung und Beratung von kleinen und mittelständischen Kaufleuten bei der Digitalisierung“ durch den Staat. Das könne durch die bundesweite Ausweitung des Digital-Coaches-Programms geschehen, so Tromp, aber auch gezielte Innovationsförderungen für mittelständische Kaufleute ohne Geld für Investitionen in die Digitalisierung nach Abklingen der Pandemie, sind aus seiner Sicht hilfreich.

Neben Privatinitiativen ist staatliche Hilfe notwendig

Wie die Teilnehmer des Round-Table-Gesprächs mitteilten, werden Google und HDE ihre Arbeit in den nächsten Monaten fortführen. Bei den Zukunftstagen Handel am 27. und 28. Mai boten sie Live-Webinare, Einzelcoachings und „Best-Practice-Panels“ an. Ein weiteres Element zur Motivation der stationären Händler ist der im November 2020 unter Schirmherrschaft von Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier erstmals verliehene „Zukunft Handel Award“, der in Zusammenarbeit mit dem HDE und der Handelsblatt Media Group in diesem Jahr fortgeführt wird. Die Kategorien sind Kundenversteher, Umweltretter, Fitmacher, Innovationsstrategen, Omnichannel-Talente und ein Sonderpreis „Erlebnis Innenstadt“. Die Gewinner werden im Rahmen des Deutschen Handelskongresses im November verkündet.