Corona-Krise im Nonfood-Handel

Schließung kostet täglich 1,15 Mrd. Euro Umsatz

Der Nonfood-Handel läuft derzeit verstärkt übers Internet. Foto: BTE

rv DÜSSELDORF: Die Anordnung der Bundesregierung, dass im Kampf gegen die Ausbreitung des Coronavirus alle Geschäfte jenseits von Nahversorgern, Apotheken und Banken geschlossen bleiben müssen, trifft den Nonfood-Einzelhandel wie den mittelständischen Bekleidungs- und Schuhhandel aber auch die großen Ketten und die Warenhäuser mit ihren hohen Fixkosten mit großer Wucht. Null-Umsatz bei weiterlaufenden Kosten in kürzester Zeit erfordern aus Branchensicht kreative Lösungen mit den Vermietern und schnelle Hilfen von Seiten der Politik.

So konstatiert der Präsident des Bundesverbands des Textileinzelhandels (BTE), Steffen Jost, „dass die behördlichen Geschäftsschließungen in fast allen Bundesländern viele Textil- und Modegeschäfte an den wirtschaftlichen Abgrund“ führen. Zumal das Gros der Geschäfte unter dem Eindruck der sich ausbreitenden Epidemie schon in den vergangenen Wochen hohe zweistellige Umsatzeinbußen hinnehmen musste, was schon zu spürbaren Liquiditätsengpässen führte. Mit Blick auf die Tatsache, dass auch Mode in gewissem Maße eine „verderbliche Ware“ ist, befürchtet Jost, dass die aktuelle Frühjahrs- und Sommer-Kollektion außerhalb der Saison kaum noch verkauft werden kann. Als Konsequenz befürchtet er „hohe Verluste und viele Insolvenzen“.

Und sofern sich die Situation bis in die zweite Jahreshälfte in die Phase des Herbst-/Winter-Geschäfts hineinzieht, befürchtet er eine „irreversible Schädigung der vielfältigen Struktur im Modehandel“. Das wird zweifellos auch Folgen für die Innenstädte und Shopping-Center haben. In diesem Kontext appelliert Jost an die Kompromissbereitschaft der Vermieter. „Vor allem institutionelle Anleger und Vermieter müssen im eigenen Interesse jetzt ihre Renditeüberlegungen zurückstellen und die Existenzen ihrer Mieter retten“, mahnt der BTE-Präsident, denn andernfalls würden sie die Kuh schlachten, die sie eigentlich melken wollten.

Jost fordert aber auch von den Herstellern ein partnerschaftliches Miteinander: „Es ist unabdingbar, dass die vor wenigen Wochen getätigten Order neu verhandelt werden.“ Denn wie hoch der Umsatzausfall durch die angeordnete längere Schließung der Geschäfte ausfallen wird, kann derzeit niemand sagen. Es darf aus seiner Sicht nicht dazu kommen, dass die Hersteller ohne Absprache neue Herbstware an den Einzelhandel ausliefern, um ihren eigenen Lagerdruck zu mildern, während die Läger der Händler noch voll seien mit Frühjahrsware und neue Infektionswellen durchs Land rollen würden.

Auch der Hauptgeschäftsführer des Handelsverbands Deutschland (HDE), Stefan Genth, verweist auf die erheblichen Liquiditätsprobleme, vor denen die Nonfood-Händler generell kurz- und langfristig stehen, wenn sie nichts verkaufen können, aber die Kosten weiter anfallen. Dabei machen die Mietkosten einen großen Teil aus. Die vielerorts ohnehin schon hohen Mieten drohen aus seiner Sicht viele Händler komplett finanziell zu überfordern: „Stabile Mieter sind auch im Interesse der Immobilieneigentümer. Der Handel braucht jetzt dringend Hilfe“, so Genth, der vorschlägt, die Miete für die Zeit der Schließung auszusetzen. „Schon seit jeher ist der Handel die Wirtschaftsbranche, die in der Lage ist, jeweils die höchsten Mieten am Standort zu zahlen. Ohne den stationären Handel werden diese hohen Mietzahlungen in Zukunft ausfallen“, mahnt er.

Über individuelle Lösungsansätze muss verhandelt werden

Die existenziellen Probleme der Gewerbemieter – insbesondere des Handels – im Zuge der Corona-Krise sieht auch der Spitzenverband der Immobilienwirtschaft, der ZIA Zentraler Immobilien Ausschuss: „Besonders weil im Handel bereits die ersten Geschäfte schließen mussten“, so der Verband. Eine ähnliche Entwicklung setzt nach seiner Feststellung auch bei den Hotelpächtern ein und im abzusehenden Fall von Liquiditätsproblemen würden auch Büromieter betroffen sein. Das wiederum wird laut ZIA auch zu Krisen bei den Bestandshaltern führen, die vor allem nach der Krise für Gewerberaum sorgen müssten.

Deshalb empfiehlt Andreas Mattner, Präsident des ZIA, in dem 37 000 Mitglieder der Immobilienbranche organisiert sind, „sich über individuelle Lösungen wie Mietstundungen zu verständigen“. Des Weiteren sieht er Kurzarbeit, dort wo sie möglich ist, als wichtige Hilfe. Gleichzeitig appelliert er an die Bundesregierung, bei „der Einrichtung von Sonderfonds und Rettungsprogrammen für Firmen an die Gewerbeimmobilienwirtschaft, speziell an kleine und mittlere Unternehmen zu denken“.

Auch HDE-Präsident Josef Sanktjohanser betonte in seinem Brief an Bundeskanzlerin Angela Merkel, dass der Einzelhandel seinen Beitrag zur Eindämmung des Virus leiste, dass er die Last aber nicht ohne Hilfe stemmen könne. Die verfügte Schließung von großen Kauf- und Warenhausunternehmen, Fachmarktketten und tausenden von Mittelständlern führten bundesweit zu einem Umsatzausfall von rund 1,15 Mrd. Euro täglich, rechnet er vor.

Wenn nicht sofort und unbürokratisch staatliche Hilfen in Form von direkten Zahlungen und KfW-Bürgschaften ohne Eigenbeteiligungen gewährt würden, müssten viele Einzelhändler wahrscheinlich Insolvenz anmelden. Zudem appellierte er an Finanzbehörden und Sozialversicherungsträger die im März und April fälligen Zahlungen zu stunden. Andernfalls werde die Versorgung der Bevölkerung massiv gefährdet und sich das Bild der Innenstädte grundlegend ändern.