Investmentmarkt 2019

Retail Assets immer für eine Überraschung gut

Übernahmeobjekt Erlangen Arcaden. Foto: ECE

In einem Immobilienmarkt der Superlative, der mit einem Transaktionsvolumen von etwa 73 Mrd. Euro im deutschen Gewerbeimmobilienmarkt alle bisherigen Rekorde gebrochen hat, konnten Retail Assets mit einem stabilen Volumen, das mit 10,1 Mrd. bis 14 Mrd. Euro beziffert wird, ihren zweiten Platz hinter Büroimmobilien behaupten. Und das Interesse der Investoren an der Anlageklasse wird aus Sicht der Experten auch 2020 kaum nachlassen – trotz des Strukturwandels im Einzelhandel.

Das belegt schon das lebhafte Transaktionsgeschäft zum Jahresende 2019 mit der Übernahme des Gabius Portfolios durch die GRR Group, dem Kauf der Erlangen Arcaden durch den zweiten ECE Shopping-Center-Fonds, dem Erwerb des Ring Centers in Berlin durch Angelo Gordon und Kintyre, dem Verkauf eines Portfolios, das u.a. 24 Geschäftshäuser in guten Lagen von B-Städten umfasst, durch Corestate sowie dem Kauf des Campus Centers in Lübeck durch Nuveen Real Estate. Weitere namhafte Deals waren der Verkauf der Königsbau Passagen in Stuttgart und des Geschäftshauses Zoom in Berlin für rund 280 bzw. 265 Mio. Euro.

Die bis zum Ende des dritten Quartals noch unterdurchschnittliche Bilanz für 2019 drehte in den letzten drei Monaten laut BNP Paribas Real Estate (BNPPRE) sehr deutlich ins Plus. So ermittelte der Immobiliendienstleister allein für das vierte Quartal ein Transaktionsvolumen von 5,35 Mrd. Euro. Savills kommt auf einen Wert von 4,2 Mrd. Euro. „Wie in allen Assetklassen wird 2020 auch am Einzelhandelsinvestmentmarkt genügend Kapital vorhanden sein“, wagt Jan Dirk Poppinga, Co-Head of Retail Investment bei CBRE Deutschland den Blick in die Glaskugel. Die lockere Geldpolitik bleibt der wesentliche Treiber der Investmentmärkte.

Dabei ist Jan Linsin, Head of Research bei CBRE in Deutschland, mit Blick auf die Größe und die guten Fundamentaldaten des hiesigen Einzelhandelsmarktes überzeugt, dass „Investments in deutsche Einzelhandelsimmobilien auch in diesem Jahr wieder eine signifikante Rolle in den Portfolios nationaler und internationaler Investoren spielen werden“. Zumal Deutschland laut Matthias Leube, CEO bei Colliers International Deutschland, „über eine große Betriebstypen- und Standortvielfalt verfügt, die es Anlegern wie in kaum einem anderen Kernland ermöglicht, die Allokation des Kapitals so selektiv zu gestalten.“ Davon seien ausländische Investoren überzeugt.

Auch wenn Handelsimmobilien mit Blick auf den Wandel durch die Digitalisierung laut Jan Schönherr, Co-Head of Retail Investment bei CBRE in Deutschland, sehr intensiv geprüft werden, wenn Objekt und Mieter von der Online-Konkurrenz stärker betroffen sind, so wird das Risiko für Investoren aus seiner Sicht inzwischen „immer berechenbarer – was entscheidend für das Interesse an Einzelhandelsimmobilien ist“. Zumal Fachmarktimmobilien mit Bezug zum Lebensmittelhandel und zur Nahversorgung nicht zuletzt auf Grund des engen Filialnetzes in Deutschland relativ online-resistent sind. Nur etwa ein Prozent des Lebensmittelumsatzes wird hierzulande via Internet generiert.

Retail Assets bieten attraktivere Renditen

Gemessen an anderen Anlageklassen bieten Retail Assets laut Poppinga auch die attraktiveren Spitzenrenditen. So ermittelte der Immobiliendienstleister für 1A-Einzelhandelsimmobilien im Jahresverlauf einen marginalen Anstieg um 0,08 Prozentpunkte auf eine durchschnittliche Spitzenrendite von 3,11%, bei Shopping-Centern in A-Lagen im Vorjahresvergleich ein Plus von 0,2 Prozentpunkte auf 4,0% und bei Centern an B-Standorten ein Plus von 0,5 Prozentpunkte auf 5,0%. Bei Fachmärkten und Fachmarktzentren drückte die große Nachfrage die durchschnittlichen Spitzenrenditen laut CBRE um 0,1 Prozentpunkte auf 4,15%.

JLL sieht die durchschnittlichen Renditen für Top-Fachmarktzentren mit Nahversorgungscharakter mit 4,2% inzwischen sogar unter den Renditen für Premium-Shopping Center, die der Dienstleister bei 4,5% sieht und erwartet, dass sich dieser Aufwärtstrend bei Einkaufszentren verfestigt. Savills ermittelte für Fachmarktzentren eine durchschnittliche Spitzenrendite von 3,9%.

Bei innerstädtischen Geschäftshäusern in den Top 7 Städten sieht JLL die Spitzenrenditen im Schnitt noch bei 2,84% und Savills bei 3,0%. Laut Dirk Hoenig-Ohnsorg, Head of Retail Investment bei Colliers International, ist bei „den Spitzenrenditen von Highstreet-Objekten in den Top 7 die Kompressionsphase – im Gegensatz zu Büro- und Logistikimmobilien – weitestgehend abgeschlossen“. Auch aus Sicht von Christoph Scharf, Geschäftsführer bei BNP Paribas Real Estate, haben die Netto-Spitzenrenditen für Highstreet-Objekte vorerst ihren Peak erreicht und blieben 2019 stabil. Nur in München und Berlin gaben sie leicht auf 2,8% nach. Die durchschnittlichen Spitzenrenditen für Büros in Top-Städten beziffert JLL mit 2,93%.

Relativ groß sind die Unterschiede bei den für 2019 von den Immobilienberatern ermittelten Transaktionsvolumina auf dem Investmentmarkt für Handelsimmobilien. Die Abweichungen erklären sich durch die unterschiedliche Zurechnung von Mischobjekten in die eine oder die andere Anlageklasse. Einig sind sich die Berater allerdings darin, dass das Transaktionsvolumen – wie prognostiziert – 2019 die 10 Mrd. Euro-Marke überschritten hat. Bei CBRE und Colliers International liegt der Wert mit 10,1 Mrd. Euro nur knapp über der Grenze, bei BNP Paribas Real Estate wurde die Marke mit 12,9 Mrd. Euro und einem Anteil am Transaktionsvolumen mit Gewerbeimmobilien von 18% schon deutlicher überschritten und am deutlichsten bei Savills mit 14,08 Mrd. Euro und einem Anteil von 20%.

Die Entwicklung der Spitzenrenditen spiegelt auch die Entwicklung in den einzelnen Segmenten des Handelsimmobilienmarktes wider. So entfiel laut CBRE der größte Anteil (44%) der Investments auf lebensmittelgebundene Fachmarktobjekte. Hier gibt es bedingt durch die große Zahl an Objekten in Deutschland laut Schönherr immer wieder attraktive Produkte in unterschiedlicher Investitionsgröße am Markt.

BNPPRE ermittelte ein Volumen von 5,1 Mrd. Euro und einen Anteil von 40% am Gesamtvolumen, wobei die Investoren bei dieser Anlageklasse auch in kleineren Städten sehr aktiv sind. Im vierten Quartal gehörte laut Colliers International der Erwerb des „Superfood-Portfolios“ mit 68 Supermärkten für etwa 250 Mio. Euro durch GPEP für die Sparkassen-Versicherung und Helaba Invest zu den großen Deals.

Fachmarktobjekte und Geschäftshäuser gefragt

Auf dem zweiten Platz führt BNPPRE mit 4,4 Mrd. Euro und einem Anteil von 34% am Gesamtvolumen Geschäftshäuser. Zu den größten Transaktionen gehörten im vierten Quartal 2019 laut Savills der Verkauf des erwähnten Portfolios u.a. mit 24 Geschäftshäusern in sehr guten Lagen von B-Städten. Warenhäuser folgten mit einem Anteil von 16% auf Platz drei. Hier spielte die Übernahme von Galeria Kaufhof nebst Immobilien-Paket durch die Signa Gruppe mit einem Volumen von etwa 1 Mrd. Euro eine maßgebliche Rolle. Shopping-Center sieht BNPPRE mit 11% auf dem vierten Platz, während CBRE die Asset-Klasse mit einem Anteil von 17% auf Platz drei führt. Der Center-Markt zeigt aus Sicht des Beraters ein zwiespältiges Bild: Während Einkaufszentren in Top-Städten kaum angeboten würden, seien Shopping-Center an B-Sandorten wieder verstärkt gehandelt worden.

Der Überblick über die großen Transaktionen des Jahres 2019 macht bereits deutlich, dass Portfolio-Käufe den Markt mit einem Anteil von 57% dominiert haben – nicht nur im Segment Fachmarktimmobilien. Nach Beobachtung von Poppinga rücken aber auch Unternehmensbeteiligungen in den Fokus der Investoren, um so an der positiven Wertentwicklung der Immobilien zu partizipieren, da das Angebot an physischen Assets in einigen Segmenten die Nachfrage nicht decken kann.

Ein Beispiel dafür ist für ihn die Beteiligung von Commerz Real mit 20% an zehn Kaufhof-Warenhäusern von Signa. Daneben sorgten laut Colliers International der Erwerb des Millennium-Portfolios einschließlich der neun Einzelhandelsobjekte für rund eine halbe Milliarde Euro gleichfalls durch Commerz Real sowie der Kauf des Salt & Pepper Portfolios mit 13 Fachmarktzentren durch die Hahn-Gruppe dafür, dass offene Immobilien- und Spezialfonds mit einem Volumen von 3,2 Mrd. Euro die aktivste Käufergruppe im Handelsimmobilienmarkt war. Auf Immobilien AGs entfiel ein Volumen von rund 2 Mrd. Euro und auf Vermögensverwalter sowie Asset-Manager von 861 Mio. Euro.

Laut Scharf zeigte das Jahr 2019 ganz deutlich, dass der Retail-Investmentmarkt immer wieder Überraschungen bereithält. Jörg Krechky, Director und Head of Retail Investment Services Germany bei Savills, erwartet, dass das Interesse der Investoren an Retail Assets 2020 zunehmen wird, da die Niedrigzinsphase auch die Einschätzung über diese Anlageklasse im Interesse der Risikostreuung beeinflussen werde. „Die zuletzt wieder etwas positivere Entwicklung auf den Vermietungsmärkten sowie die Fachmarktsparte als Konstante lassen zum jetzigen Zeitpunkt jedenfalls zuversichtlich auf die kommenden 12 Monate blicken“, sagt Scharf.