Der europäische Investmentmarkt für Retail Assets befindet sich nach Beobachtung des Immobilienberaters BNP Paribas Real Estate (BNPPRE) auf dem „langsamen Weg der Erholung“. Nach einem Rückgang beim Transaktionsvolumen von 40% auf 26,2 Mrd. Euro im Jahr 2023 wurde im ersten Halbjahr 2024 zumindest wieder ein kleines Plus von 6% auf 14,6 Mrd. Euro gemessen.
Auch der Blick auf das rollierende Jahr 2023/24, das das zweite Halbjahr 2023 und das erste Halbjahr 2024 umfasst, zeigt mit einem Investitionsvolumen von 28 Mrd. Euro gegenüber 2023 einen leichten Aufwärtstrend. Denn der Rückgang im Jahresvergleich hat sich auf -16% vermindert und ist in den ersten sechs Monaten 2024 – wie oben berichtet – mit +6% inzwischen sogar ins Positive gedreht. Das Investitionsvolumen mit europäischen Gewerbeimmobilien ging im rollierenden Jahr 2023/24 dagegen um 24% auf 143,1 Mrd. Euro zurück.
Bedingt durch die hohe Inflation, die Zinserhöhungen durch die Europäische Zentralbank (EZB) und den spürbaren Anstieg der Renditen für Staatsanleihen ist auch im europäischen Gewerbeimmobilien-Markt die Verunsicherung der Marktakteure bei der Preisfindung laut BNP Paribas Real Estate (BNPPRE) immer noch sehr hoch. So sind die Verkäufer nicht bereit, einen Abschlag auf die Verkaufspreise zu akzeptieren, während die Käufer angesichts der deutlich gestiegenen Finanzierungskosten nach der Zinswende nicht in der Lage sind, die hohen Preise aus der Niedrigzins-Phase heute noch zu finanzieren.
In diesem Umfeld ist das Interesse der Investoren laut „European Retail Market Overview Q2 2024“ von BNPPRE an Handelsimmobilien eher selektiv, wie der Blick auf die verschiedenen Segmente in den unterschiedlichen Ländern Europas zeigt. Gleichzeitig entfaltet das Segment allmählich wieder mehr Zugkraft und der Anteil am europäischen Transaktionsvolumen mit Gewerbeimmobilien hat sich im ersten Halbjahr 2024 gemessen am Vorjahreszeitraum von 18 auf 19% erhöht. Ein ähnlich hoher Anteil konnte zuletzt vor gut fünf Jahren im ersten Quartal 2019 gemessen werden. Sollte sich die im ersten Halbjahr gemessene Geschäftsbelebung im zweiten Halbjahr fortsetzen, dann dürfte der Anteil von Retail Assets am Transaktionsvolumen weiter steigen und den Vorjahreswert deutlich übertreffen.
In einigen Ländern wie etwa Deutschland waren Retail Assets neben Logistikimmobilien zuletzt die gefragteste Anlage-Klasse. Und nachdem die Spitzenreiter der vergangenen Jahre – Büroimmobilien – durch Homeoffice unter Druck geraten sind, haben sie diese Anlageklasse hierzulande laut BNPPRE mit einem Anteil von 26% – gegenüber 19% bei Büros – überholt. In Spanien erreichte das Segment Handelsimmobilien mit einem Anteil von 27% den zweithöchsten Anteil am gewerblichen Investmentmarkt.
Diese beiden Beispiele zeigen bereits, dass es im europäischen Markt von Land zu Land erhebliche Unterschiede gibt. So stellt der Immobilienberater fest, dass sich die Investoren in erster Linie auf die Core Märkte Deutschland, Großbritannien, Frankreich und Spanien fokussierten. Allein 70% des Investitionsvolumens entfiel im ersten Halbjahr auf drei Länder: Großbritannien, das im ersten Halbjahr mit einem Transaktionsvolumen von 4,7 Mrd. Euro seine Spitzenposition gegenüber Deutschland mit 3,6 Mrd. Euro nun auf Platz zwei, verteidigt hat, sowie Spanien mit einem Volumen von 1,2 Mrd. Euro (+254%).
Großbritannien wieder an der Spitze
Dass sich Großbritannien den Spitzenplatz zurückgeholt hat, den das Land nach der Brexit-Entscheidung 2016 an Deutschland verloren hatte, begründete BNPPRE im vergangenen Jahr damit, dass opportunistisch agierende Investoren die Preisanpassungsprozesse auf der Insel beschleunigt haben. In Deutschland etwa ist die Preisfindungsphase deutlich zäher. Und Frankreich, das mit einem Transaktionsvolumen von nur 900 Mio. Euro im ersten Halbjahr den dritten Platz an Spanien abtreten musste, verzeichnete laut BNPPRE den größten Einbruch der vergangenen zwölf Monate.
Blickt man jedoch auf das rollierende Jahr 2023/24 dann kommt Frankreich mit 3,8 Mrd. Euro und dank eines sehr guten zweiten Halbjahres 2023 wieder auf den dritten Platz hinter Großbritannien mit 7,5 Mrd. Euro und Deutschland mit 6,7 Mrd. Euro. Spanien kommt auf 2 Mrd. Euro, die Niederlande auf 1,1 Mrd. Euro und Italien auf 1 Mrd. Euro.
In den westeuropäischen Ländern prägten vor allem große Transaktionen den Investmentmarkt für Retail Assets. Zu nennen sind hier der Verkauf des Shopping-Centers O’Parinor (90 000 qm) im Nordosten von Paris durch den Center-Spezialisten Hammerson und den Fonds National Pension Service of Korea für über 200 Mio. Euro an die Joint-Venture Partner Klépierre und die französische Fondsgesellschaft Sofidy. In Deutschland ist u.a. der Verkauf der Fünf Höfe im Zentrum von München an die Hexal-GründerAndreas und Thomas Strüngmann und der Verkauf des Luxus-Warenhauses KaDeWe in Berlin durch die insolvente Signa-Gruppe an die thailändische Central Group zu erwähnen.
In Großbritannien hat die Income REIT plc im Rahmen einer Sale-and-Lease-back-Transaktion ein Portfolio aus sechs Supermärkten von Waitrose & Partners übernommen. Waitrose hat die Märkte für 20 Jahre zurückgemietet. In Spanien ist der Verkauf des Islazul Shopping Centers (90 700 qm) durch den Investmentmanager Nuveen Real Estate und der Verkauf eines Decathlon-Portfolios zu nennen, wie laut BNP Paribas Real Estate weiter aufzählt.
Blickt man über die großen westeuropäischen Core-Märkte hinaus, dann zeigt sich im ersten Halbjahr 2024 allerdings ein moderateres Bild: So verzeichnen die skandinavischen Länder auf ihren Investmentmärkten deutliche Rückgänge, weil sich die Preisfindungsphase hier laut BNPPRE in einer Sackgasse befindet und sich die Refinanzierung nach der Zinswende als problematisch erweist. Im ersten Halbjahr lagen die Transaktionsvolumina bei 80 Mio. Euro in Dänemark, 200 Mio. Euro in Finnland, 500 Mio. Euro in Norwegen und 600 Mio. Euro in Schweden. Polen führt mit einem Transaktionsvolumen von 500 Mio. Euro die Riege der osteuropäischen Länder an.
Unterschiede gibt es derzeit nicht nur zwischen den Core-Märkten in Westeuropa und den übrigen Ländern, auch die Asset-Klassen zeigen eine unterschiedliche Entwicklung. Bezogen auf das rollierende Jahr 2023/24 entfiel mit 41% der größte Anteil am europäischen Transaktionsvolumen mit Retail Assets auf Warehousing (Grafik oben) resp. Fachmärkte und Fachmarktzentren. Getragen wurde diese Entwicklung vor allem von Deutschland, Großbritannien, Italien und zum Teil von Spanien (Decathlon). Allerdings ändert das nichts daran, dass das Volumen insgesamt laut BNPPRE um 36% unter dem Fünf-Jahres-Schnitt liegt. Die Zinswende und die Probleme bei der Preisfindungsphase hinterlassen Spuren.
Fachmarktsegment mit dem größten Anteil
In Frankreich spielten die innerstädtischen Geschäftshäuser die größte Rolle, aber auch in Deutschland war dieses Segment u.a. durch den KaDeWe-Verkauf mit einem Anteil von 37% am Investmentmarkt gut vertreten. Im rollierenden Jahr entfiel europaweit ein Transaktionsanteil von 38% auf Highstreet. In Polen spielen dagegen die Highstreet-Objekte – wie in den osteuropäischen Ländern generell – keine Rolle.
Auf Shopping-Center entfiel trotz der namhaften Transaktionen mit 21% der geringste Anteil – allerdings mit dem Unterschied, dass sie in Spanien, Italien und Polen die stärkste Anlage-Klassen bildeten. Insgesamt liegt das Segment laut BNP Paribas Real Estate derzeit aber immer noch um 34% unter dem Fünf-Jahres-Schnitt. Der größte Anteil am Centermarkt entfällt auf Großbritannien und Spanien.
Der Blick auf die Spitzenrenditen zeigt, dass sie im Fachmarkt-Segment und bei Shopping-Centern im zweiten Quartal 2024 gegenüber 2022 weiter gestiegen sind. Die Bandbreite reicht im Segment Warehousing von 6,50% in Polen über 6,25% in Frankreich, 5,75% in Großbritannien, 5,50% in Spanien bis hin zu 4,75% in Deutschland. Vor zwei Jahren reichte sie von 3,5% in Deutschland bis 5,5% in Polen.
Bei Shopping-Centern liegen die Spitzenrenditen im Schnitt in der Bandbreite von 8,25% in Großbritannien über 7,50% in Italien, 6,75% in Spanien, 6,25% in Polen, 5,60% in Deutschland bis hin zu 5,0% in Frankreich. Vor zwei Jahren waren es noch von 4,50% in Frankreich bis 7,50% in Großbritannien.
Bei Highstreet-Objekten stellt sich das Bild etwas anders dar. Hier ist die Spitzenrendite in Großbritannien (London) gegenüber dem zweiten Quartal 2022 mit 3,25% sogar noch auf 3% gesunken. In Deutschland ist sie von 2,8% auf 3,45% gestiegen. Noch höher liegen die Renditen mit 4,0% in Spanien, 4,10% in Italien und 4,25% in Frankreich. Aber insgesamt sind die Werte moderat geblieben. Das mag daran liegen, dass die Fundamental-Daten hier laut BNPPRE für Europa gut sind, was die Umsätze der Einzelhändler, die Frequenz in den großen Städten und die Mieten anbelangt. Der aktuell recht starke Vermietungsmarkt bei Retail Assets dürfte mit Blick auf den immer noch schwächelnden Investmentmarkt Hoffnung für das zweite Halbjahr geben.