Kaufkraft Europa

Reiche Liechtensteiner, arme Ukrainer

rv DÜSSELDORF: Selbst im Corona-Jahr 2021 ist die Kaufkraft der Europäer noch leicht gewachsen, um durchschnittlich 1,9% auf 10,2 Billionen Euro. Das sind – theoretisch betrachtet – 15 055 Euro pro Kopf in den 42 von der GfK im Rahmen ihrer Studie „Kaufkraft Europa 2021“ betrachteten Ländern. Tatsächlich sieht die Realität so aus, dass die Liechtensteiner – gemessen an den Ukrainern – das 34-Fache für ihre Lebenshaltungskosten und ihre Ersparnisse zur Verfügung haben.

Das sind genaugenommen 64 629 Euro pro Kopf und Jahr in Liechtenstein gegenüber 1 892 Euro jährlich pro Kopf im Schlusslicht der Länderliste, der Ukraine. Die Ukrainer haben damit weniger als 13% des europäischen Durchschnittsbetrags zur Verfügung. Neben Liechtenstein gehört noch die Schweiz mit 40 739 Euro und Luxemburg mit 35 096 Euro zum Spitzen-Trio in Europa. Wie unterschiedlich die Kaufkraft resp. das Nettoeinkommen in Europa verteilt ist, lässt sich auch daran ablesen, dass Spanien, das mit seiner durchschnittlichen Pro-Kopf-Kaufkraft von 14 709 Euro fast den europäischen Durchschnittswert erreicht, selbst erst auf Rang 17 der GfK-Länderliste steht.

Und auch die Kaufkraft der Top-Ten-Länder liegt gemäß der Studie „GfK Kaufkraft Europa 2021“ noch um mindestens 55% über dem europäischen Durchschnitt. In diesem Umfeld rangiert Deutschland mit seiner starken Wirtschaftskraft mit einer Durchschnittskaufkraft von 23 557 Euro unverändert auf Platz 8, hinter dem kleineren Österreich mit 24 232 Euro pro Kopf auf Platz 7. Auch die Dänen haben mit 27 621 Euro pro Kopf (Platz 6) genauso wie die Norweger mit 29 252 Euro (Platz 5) und die Isländer mit 29 510 Euro (Platz 4) jährlich mehr Geld für die Finanzierung von Essen, Wohnen, Dienstleistungen, Energiekosten, private Altersvorsorge, Versicherungen, Urlaub, Mobilität oder auch Konsumwünsche zur Verfügung.

Dass Großbritannien mit durchschnittlich 23 438 Euro in diesem Jahr um zwei Plätze nach oben auf Platz 10 der Länderliste gerückt ist, erklärt GfK-Einzelhandelsexperte im Bereich Geomarketing, Filip Vojtech, auch mit dem Wechselkursanstieg des britischen Pfund. Einen Platz vorgerückt ist zudem Schweden, das mit 23 557 Euro nun hinter Deutschland auf dem neunten Platz steht. „Nachdem die Kaufkraft im vergangenen Jahr auf Grund der Corona-Pandemie stagnierte“, wie Vojtech berichtet, „können die Menschen in diesem Jahr die steigende Inflation zumindest teilweise durch nominale Kaufkraftgewinne kompensieren.“

Doch die Ungleichgewichte bestehen nicht nur zwischen den einzelnen Ländern, auch der Unterschied zwischen den westeuropäischen Ländern und den Ländern Osteuropas bleiben deutlich sichtbar. So befinden sich die insgesamt 16 der 42 untersuchten Länder, die über dem europäischen Durchschnitt liegen, in Westeuropa. Das Gros der 26 Länder, deren Pro-Kopf-Kaufkraft unter dem Durchschnitt liegt, befinden sich im Osten Europas – auch wenn etwa Spanien noch zu dieser Gruppe zählt.

Unterschiedliche Farben in West und Ost

Zu den wohlhabenderen Ländern des Ostens gehört die Tschechische Republik auf Rang 24, deren Bürger im Durchschnitt 10 667 Euro zur Verfügung haben. Damit erreichen sie knapp 71% des europäischen Durchschnitts. Allerdings gibt es regionale Unterschiede. Die Spitze bildet die Region um die Hauptstadt Prag mit 14 114 Euro und das Schlusslicht die Provinz Kladno mit 10 922 Euro. Die Polen erreichen mit 8 294 Euro etwas mehr als die Hälfte (55%) des Durchschnittswerts. In der Region Warschau liegt der Wert mit 13 566 Euro allerdings deutlich darüber.

„Das Kaufkraftranking nach Kreisen zeigt, dass der Kontrast zwischen arm und reich in Polen sehr hoch ist“, schreibt die GfK in ihrem Bericht: „Während nur 82 Kreise eine überdurchschnittliche Pro-Kopf-Kaufkraft aufweisen, ist das Ausgabepotenzial in 298 Kreisen unter dem Landesdurchschnitt.“ Das Schlusslicht bildet der Kreis Kolnenski mit 5 558 Euro.

In Ungarn auf Rang 30 erreichen die Bürger mit einem Durchschnittswert von 7 643 Euro in etwa die Hälfte (50,8%) des europäischen Durchschnitts. Das meiste Geld haben auch hier die Bürger, die im Umkreis der Hauptstadt, im Komitat Budapest, leben mit durchschnittlich 9 722 Euro zur Verfügung. „Lediglich in fünf der 20 Komitate steht den Menschen mehr Geld als dem Landesdurchschnitt zur Verfügung“, schreibt die GfK: „Sie alle befinden sich geografisch in und um die Hauptstadt Budapest herum und in Richtung der österreichischen Grenze.“ Den letzten Platz belegt in Ungarn das Komitat Szabolcs-Szatmar-Bereg mit 5 944 Euro pro Kopf.

Regionale Kontraste in vielen Ländern groß

Nur einen Platz hinter Ungarn auf Rang 31 findet sich Rumänien mit durchschnittlichen 7 453 Euro und einem Anteil am europäischen Durchschnitt von 49,5%. „Ähnlich wie in Frankreich und Polen ist auch in Rumänien der Unterschied zwischen arm und reich sehr groß“, heißt es in der Studie. So stehen den Bewohnern des Hauptstadtkreises Bucuresti (Bukarest) pro Kopf im Schnitt 13 856 Euro zur Verfügung, während die Einwohner des kaufkraftschwächsten Kreises Vaslui nur ein Nettoeinkommen von 4 180 Euro pro Kopf haben.

Ein starkes Gefälle – vor allem zwischen dem wohlhabenden Norden und dem schwachen Süden – prägt auch die Kaufkraft in Italien. Haben die Bürger in der Region um die Modemetropole Mailand 24 604 Euro – also 63% mehr als der europäische Durchschnitt – zur Verfügung, liegt die Kaufkraft in der ärmsten Provinz Crotone nur bei 9 844 Euro, also gut 65% des europäischen Durchschnittswerts.