Galeria Karstadt Kaufhof

Regionalisierung trifft den Nerv der Kunden

Karstadt in Hamburg Wandsbek. Foto: Union Investment

Am Mittwoch, den 15. Oktober um 10.00 Uhr öffnete Galeria Kaufhof an der Hamburger Mönckebergstraße nach 53 Jahren zum letzten Mal. Viele Stammkunden kamen, um ein paar Schnäppchen zu ergattern, viele aber auch, um Abschied zu nehmen von dem einst so stolzen Warenhaus, das als „Tor zur wichtigsten Einkaufsstraße der Stadt“ bezeichnet wurde.

Von den ursprünglich 62 Karstadt- und Kaufhof-Filialen, die im Zuge des Insolvenzverfahrens von Galeria Karstadt Kaufhof (GKK) geschlossen werden sollten, waren auch fünf Hamburger Häuser betroffen. Nach zähen Verhandlungen gelang es einige von der Liste zu nehmen. Es bleibt beim „Aus“ für Karstadt Sports und Kaufhof an der Mönckebergstraße sowie für Karstadt in Bergedorf. Was aus diesen Häusern wird, ist noch nicht bekannt. Mit zahlreichen Aktionen hatten die Beschäftigten bis zuletzt um ihre Häuser gekämpft. Der Vorwurf von Ver.di-Bundesfachgruppenleiter Orhan Akman: Vielen würde wegen des Missmanagements der bisherigen Geschäftsleitung die Existenzgrundlage beraubt.

Zu den „geretteten“ Häusern gehört auch die 28 000 qm große Karstadt-Filiale in der WandsbekerMarktstraße (Foto: Union Investment). Eigentlich sollte hier am 17. Oktober Schluss sein. Nun gibt es für den ältesten Karstadt-Standort Hamburgs noch eine Frist von dreieinhalb Jahren. 1892 hatte Ernst Karstadt, der Bruder von Rudolph Karstadt, seine Firma beim königlichen Amtsgericht Wandsbek eintragen lassen.

Die heutige Eigentümerin des Gebäudes, Union Investment Real Estate, hat sich mit der Geschäftsführung von Galeria Karstadt Kaufhof nach langen Verhandlungen auf einen neuen Mietvertrag bis zum 30. April 2024 geeinigt. „Wir haben signifikante Zugeständnisse bei den Mietkonditionen gemacht, GKK wiederum hat eine geringere Laufzeit des Mietvertrags akzeptiert“, sagte Jörn Stobbe, Mitglied der Geschäftsführung der Union Investment Real Estate GmbH in einer Presserklärung: „Damit halten wir den wichtigen Mieter in unserem Objekt und sichern uns eine verlässliche Planungsperspektive für die anschließende Umgestaltung und Nachnutzung dieses erstklassigen Gebäudes.“

Denn Planungssicherheit bietet der Betrieb von Karstadt auch den Einzelhandelsmietern im benachbarten Quarrée Wandsbek, das ebenfalls zum Portfolio der Hamburger Immobilienfondsgesellschaft gehört. Das 40 000 qm große Einkaufszentrum wird für rund 40 Mio. Euro modernisiert. Das Center ist neben dem Zugang im Erdgeschoss auch durch einen Übergang in der ersten Etage mit Karstadt verbunden.

Neue Pläne für Karstadt In Wandsbek

„Unser Konzept für die Revitalisierung des Standortes, das wir nun mit unseren Architekten und Bauingenieuren in Ruhe ausarbeiten können, wird sowohl das Geschäftshaus als auch das Center einbeziehen. Mit dem Bezirk Wandsbek arbeiten wir gemeinsam an einer Lösung, die neben Einzelhandel auch andere, sich gut ergänzende Nutzungen enthalten kann“, so Stobbe. Mehr will Union Investment noch nicht sagen: „Bis ein finales Konzept steht, dürfte es noch dauern und wir wollen uns nicht an etwaigen Gedankenspielen und Spekulationen beteiligen“, so die Presseabteilung.

Auch die 110 Beschäftigten der Kaufhof-Filiale (Foto: GKK) im Alstertal-Einkaufszentrum (AEZ) im Stadtteil Poppenbüttel konnten aufatmen, nachdem sich die Geschäftsführung mit dem Vermieter ECE geeinigt hat. Details wurden nicht mitgeteilt, nur dass man sich auf wirtschaftliche Eckdaten verständigt hat und in der Filiale im AEZ verschiedene Maßnahmen umgesetzt werden sollen, die jetzt vorbereitet und geprüft würden. „Uns ist aber noch nicht bekannt, um welche Maßnahmen es sich konkret handeln soll“, sagt Lukas Nemela, Pressesprecher der ECE.

Mit rund 130 verbleibenden Warenhäusern hofft der Konzern, schnell wieder in die schwarzen Zahlen zu kommen. „Ich glaube, dies ist die letzte Chance", sagte denn auch GKK-Betriebsrat Gerhard Löpke bei einer Demonstration. Der Meinung sind viele in der Branche. 2009 habe es bei Karstadt schon einmal einen Insolvenzplan gegeben, der die Krise letztlich nicht beendet habe.

Dagegen verbreitet die Geschäftsführung Zuversicht: Der Warenhausriese könne sich schon seit Oktober wieder ohne irgendwelche insolvenzrechtlichen Einschränkungen und schuldenfrei dem Wettbewerb um die Kunden stellen, betonte Miguel Müllenbach, seit Sommer Chef von GKK. „Wir werden dann stärker und besser aufgestellt sein als vor der Corona-Krise“. Insgesamt hätten viel mehr Filialen erhalten werden können, als zunächst erhofft. Dennoch würden durch die Schrumpfung rund 4 000 Mitarbeiter ihren Arbeitsplatz verlieren.

Über Zukunftspläne und Strategien für Galeria Karstadt Kaufhof ist aus dem Konzern wenig zu hören. Die Presseabteilung in Essen ließ konkrete Fragen dazu unbeantwortet. Zu den wenigen öffentlichen Verlautbarungen Müllenbachs gehört, dass das Unternehmen in den nächsten Jahren zum „vernetzten Marktplatz der Zukunft“ ausgebaut werden und als „Anker-Einzelhändler und gesellschaftliche Anlaufstelle in jeder relevanten deutschen Innenstadt" zu finden sein soll. Der Fokus soll stärker auf die lokalen und regionalen Anforderungen der Standorte gerichtet werden.

Außerdem soll der Warenhaus-Betreiber viel digitaler werden. „Wir werden unseren Online-Handel massiv ausbauen", sagte Müllenbach. In diesem Bereich sei GKK in der Vergangenheit viel zu langsam und altbacken gewesen. Das Unternehmen macht bislang nicht einmal 5% seiner Umsätze im Internet, eine Verzahnung von On- und Offline gibt es nicht.

Nachholbedarf bei der Online-Strategie

Nicht einmal das Hamburger Flaggschiff Alsterhaus hat ein Online-Angebot. Allerdings, so heißt es aus der Zentrale der KaDeWe Group, hinter der die thailändische Central Group und die Signa Holding stehen, gebe es Überlegungen, das nach dem Vorbild des KaDeWe zu ändern. Dort gibt es seit dem Lockdown einen Online-Shop für Damen, Herren- und Kindermode, der weiter ausgebaut werden soll.

Doch nicht nur die Online-Konkurrenz und die sinkenden Frequenzen in den Innenstädten machen dem Warenhaus-Betreiber zu schaffen. Die Schwächen waren auch vor Corona lange bekannt, und das nicht nur Handelsexperten. Die großen Tanker seien mit ihrem Angebot und Auftritt nicht mit der Anspruchshaltung der Kunden gegangen und drohten mit ihrer älter werdenden Kundschaft auszusterben, fürchtet Andreas Bartmann, Präsident des Handelsverbands Nord. „Die Verantwortlichen waren mit der Insolvenzabwendung so beschäftigt, dass sie gar nicht in der Lage waren, sich mit neuen Strategien zu beschäftigen“. Jetzt müsse konzeptionell völlig neu gedacht werden. Doch die Rahmenbedingungen für einen Neuanfang seien jetzt geschaffen worden.

Neben einer Neugestaltung der Verkaufsflächen und einer attraktiveren Warenpräsentation stehe an vorderster Stelle mehr und qualifizierteres Personal, so Bartmann weiter. Hier sei in der Krise massiv gespart worden, was unter der Belegschaft zu Demotivation und Arbeitsverweigerung geführt habe. „Kompetente und verlässliche Mitarbeiter geben einem Haus die entscheidende Qualität“, weiß der Handelsexperte. Das gilt vor allem im Wettbewerb mit der Online-Konkurrenz.

Der Ansatz, die Sortimente und Angebote mehr an die lokalen Gegebenheiten anzupassen, ist für Joachim Stumpf, Geschäftsführer der BBE Handelsberatung, erfolgversprechend. „Regionalisierung trifft den Nerv der Kunden, etwa, wenn sich ein Kaufhaus mit einem guten Lebensmittelangebot als Nahversorger oder mit einer interessanten Gastronomie und hoher Aufenthaltsqualität als lokaler Treffpunkt etablieren kann. Alles, was Mehrwert gegenüber dem reinen Online-Handel schafft, ist erfolgversprechend, ohne dabei die Verzahnung der Kanäle zu vernachlässigen“. Für den Handelsexperten ist aber auch klar: „Für starke Warenhäuser gibt es auf der ganzen Welt einen Platz“. Es bleibt spannend.