Immobilien-Investitionsklimaindex Europa

Preisfindungsphase hält an

Quelle: Union Investment

rv DÜSSELDORF. Nach dem zehnjährigen Immobilien-Boom in Europa ist die Bremsspur nach der abrupten Zinswende im ersten Halbjahr 2022 entsprechend lang. Auch ein Jahr nachdem die Finanzierungskosten stark gestiegen sind und der Party ein Ende gesetzt haben, ist die Preisfindungsphase noch lange nicht beendet und die Stimmung an den europäischen Immobilienmärkten bleibt vorerst gedämpft.

So konstatiert Martin SchelleinLeiter Investment Management Europa bei Union Investment, mit Blick auf die Ergebnisse des jüngsten europäischen Immobilien-Investitionsklimaindex, dass die Preisfindungsphase auf den europäischen Immobilienmärkten nach wie vor in vollem Gange ist: „Ob die kalkulierten Renditen auch so erzielt werden können, bleibt abzuwarten.“

Konkret kalkuliert das Gros der befragten europäischen Immobilien-Investoren (55%) unter den veränderten Finanzierungsbedingungen bei neuen Investments mit einer jährlichen Rendite von 3 bis 5%. Für den aktuellen Immobilien-Investitionsklimaindex von Union Investment Real Estate, der halbjährlich erscheint, hat das Marktforschungsinstitut Ipsos 134 Immobilienunternehmen und institutionelle Immobilien-Investoren in Deutschland, Frankreich und Großbritannien befragt. Dabei kalkuliert ein Viertel dieser Befragten mit einer Zielrendite von 3 bis 4% und knapp ein Drittel (30%) mit 4 bis 5% jährlich. Ein Fünftel (20%) setzt laut Umfrage bei Neu-Investments sogar noch auf eine jährliche Rendite von über 6%.

„Wir beobachten, dass die Preisvorstellungen von Verkäufern und Käufern meist noch nicht zueinander finden“, so Schellein weiter. Die Folge ist, dass die Transaktionsvolumina in allen Asset-Klassen deutlich zurück gegangen sind, wie der Blick auf die regelmäßigen Quartalsberichte seit einem Jahr zeigt. Und aus diesem stark geschrumpften, fragmentierten Transaktionsgeschehen lässt sich aus Sicht des Leiters Investment Management für Europa derzeit noch keine klare Marktevidenz ableiten.

Dass sich daran auch so schnell nichts ändert, glaubt die Mehrheit (60%) der Investoren. Sie gehen davon aus, dass es noch mehr als zwölf Monate dauern wird, bis sich die Transaktionsmärkte wieder beleben. Zu lange hat die Phase der immer weiter steigenden Preise unter der Null-Zins-Politik der Europäischen Zentralbank gedauert. Es gibt aber auch die Optimisten (37%), die schon innerhalb der kommenden zwölf Monate mit einer deutlichen Wiederbelebung des Investmentmarkts rechnen.

Die große Unbekannte für die europäischen Märkte bleibt der Krieg in der Ukraine, dessen Ende nicht absehbar ist, so dass nicht klar ist, wie die neue „Normalität“ in Europa aussieht. Immerhin sind sowohl Russland als auch die Ukraine wichtige wirtschaftliche Größen, deren Ausfall nicht ohne Folgen bleibt, wie beispielsweise die eklatant gestiegenen Inflationsraten im vergangenen Jahr gezeigt haben.

Auch bei den Renditezielen der Immobilien-Portfolios europäischer Investoren ist die Richtung noch nicht klar. Während knapp ein Drittel (31%) ihre Ziele unter den veränderten Rahmenbedingungen nach unten angepasst haben, setzten 26% ihre Renditeziele nach oben. Der größte Teil (39%) hat die selbstgesteckten Renditeziele bislang nicht geändert. Auch diese Zahlen belegen, dass derzeit niemand so recht weiß, wohin die Reise in den nächsten zwölf Monaten geht. Die Mehrheit der Befragten (60%) stellt sich aber schon mal darauf ein, dass sie ihre selbstgesteckten Renditeziele in den kommenden drei Jahren wohl nicht erreichen werden.

Ins Bild der Ungewissheit und Zögerlichkeit passt auch das Umfrageergebnis, wonach ein Ausverkauf an den europäischen Immobilienmärkten nach wie vor nicht in Sicht ist. Denn zusammen gerechnet wollen mehr als die Hälfte der Befragten in den nächsten zwölf Monaten erst einmal abwarten und ihre Immobilien halten (25%) oder sogar neu investieren (27%). Allerdings wollen 39% der befragten Investoren ihre Immobilien verkaufen. Das ist allerdings kein Abschied von der Anlage-Klasse Immobilien, denn laut Studie schätzt die Mehrheit (67%) der Befragten grundsätzlich die Krisen-Resistenz und Werterhaltungsfunktion als wichtigste Eigenschaft des Betongoldes. Entscheidend ist dabei allerdings der Einstiegspreis, der während des endlosen Booms der vergangenen Jahre nicht selten aus dem Ruder gelaufen ist.

Wie bei den früheren Umfragen zeigt sich bei der Anlagestrategie der Investoren aber auch dieses Mal wieder ein erheblicher Mentalitätsunterschied zwischen Deutschen, Briten und Franzosen. So wollen in Deutschland 55% und in Frankreich 39% der Investoren in den nächsten zwölf Monaten vermehrt auf Verkäufe setzen. Dagegen liegt der Schwerpunkt beim Gros der Investoren (52%) in Großbritannien auf Abwarten und Halten. Lediglich gut jeder Fünfte (21%) setzen hier auf Verkäufe.

Recht unterschiedlich stellt sich das Investitionsklima auch in den einzelnen Ländern dar, wobei die Stimmung unter den Investoren insgesamt gedämpft bleibt. Allerdings mit der Ausnahme, dass der Immobilienklima-Investitionsindex in Deutschland um 2,4 auf 61,3 Punkte gestiegen ist. Dagegen ging es in Frankreich und Großbritannien bergab, wobei der Index in Frankreich im ersten Halbjahr mit einem Rückgang um zwei auf 59,3 Punkte am stärksten gesunken ist. In Großbritannien lag das Minus bei 0,7 auf 59,6 Punkte.