Nachdem der Handelsverband Deutschland (HDE) zu Jahresbeginn für den Online-Handel ein Umsatzwachstum von real 2,0% und nominal 3,0% auf 91 Mrd. Euro prognostiziert hatte, setzt der Spitzenverband nach Ablauf des ersten Quartals seine Voraussage für 2025 auf nominal 4% und 92,4 Mrd. Euro hoch. Damit scheint die Konsolidierungsphase, die nach dem Corona-bedingten Boom einsetzte, vorbei zu sein, wie der jüngst vorgelegte Online Monitor 2025 von HDE und IFH nahelegt.
Denn nachdem der Online-Handel in den Jahren der stationären Zwangsschließungen 2020 und 2021 um 13,8% respektive 13,9% gewachsen war, verzeichnete die Branche 2022 einen Umsatzrückgang von -2,2% und wuchs auch 2023 nur unterdurchschnittlich um 0,8%. Vor allem die exorbitante Ausdehnung der Kapazitäten während der Boom-Phase machte der Online-Branche nach der schnellen Rückkehr des öffentlichen Lebens zur Normalität sehr zu schaffen. Der stationäre Einzelhandel legte wieder stark zu, die Menschen kehrten in die Einkaufslagen zurück und die Frequenz bewegte sich wieder in Richtung Vor-Corona-Niveau von 2019. Damals lag der Online-Umsatz erst bei 59,2 Mrd. Euro.
Nun zeigt der Blick auf die vorläufigen Zahlen des Statistischen Bundesamtes im ersten Quartal 2025, dass der Online-Handel wieder Fahrt aufnehmen konnte. Allein im März legte der Versand- und Internethandel demnach real um 15,0% und nominal um 14,8% zu – verzeichnete also auch eine hohe Preisstabilität. In den ersten drei Monaten summierte sich das Umsatzwachstum laut Statistischem Bundesamt auf 11,6% real und 11,5% nominal. 2024 war der Internethandel laut Handelsverband Deutschland (HDE) bereits um 3,3% auf 88,8 Mrd. Euro gewachsen.
Der Einzelhandel in Verkaufsräumen verbuchte im März dagegen ein Minus von real -2,7% und nominal -1,2%. Im gesamten ersten Quartal dieses Jahres blieb dem stationären Handel zwar noch ein kleines nominales Plus von 0,8%, real gingen die Erlöse aber um -0,6% zurück.
Vor diesem Hintergrund erwartet der HDE für den Internet-Handel in diesem Jahr eine Wachstumsrate von nominal 4% auf 92,4 Mrd. Euro. „Der Onlinehandel ist nach einigen schwächeren Jahren wieder die klare Wachstums-Lokomotive des Einzelhandels in Deutschland“, fasst Stephan Tromp, Hauptgeschäftsführer des HDE, bei Vorstellung des Online Monitors 2025 den Trend zusammen: „Trotz der insgesamt nicht zufriedenstellenden Konsumstimmung gelingt es den Online-Händlern deutlich bessere Umsätze zu erzielen als im Vorjahr.“ Und es gelingt der Branche, stärker zu wachsen als der Einzelhandel insgesamt. Hier dürften aber auch die stabilen Preise eine Rolle spielen – und womöglich auch Billig-Anbieter wie Temu und Shein.
Der Blick auf die einzelnen Branchen zeigt indessen, dass die Umsatzanteile des Online-Handels am jeweiligen Branchen-Umsatz sehr unterschiedlich verteilt sind – genauso wie die Wachstumsraten. Denn nachdem die Online-Anbieter im Handel mit Consumer Electronic/Elektro sowie Mode und Accessoires bereits einen Anteil von 43% respektive von 42,5% am jeweiligen Branchenumsatz erreichen, gibt es im Handel mit Lebensmitteln und Drogeriewaren (FMCG) – hier liegt der Online-Anteil erst bei 4,7% oder 5,7 Mrd. Euro – noch viel Luft nach oben.
Deutliches Online-Wachstum im Bereich FMCG
So verzeichnete der Bereich FMCG laut Online Monitor zwischen 2019 und 2024 ein Plus von 135,2% auf die erwähnten 5,7 Mrd. Euro. In diesem Zeitraum wuchs der gesamte Lebensmittelhandel um 24,4% und der stationäre Lebensmittelhandel um 21,6% – allerdings bei einem Branchenumsatz von deutlich über 200 Mrd. Euro. Ein Verdrängungseffekt von offline zu online ist damit trotz der hohen Wachstumsrate nicht erkennbar.
Anders das Bild beim Handel mit Mode & Accessoires. Hier erhöhte sich der Online-Umsatz in dem Betrachtungszeitraum um 41,1%, während sich der gesamte Branchenumsatz nur um 0,7% erhöhte und der Umsatz im stationären Mode-Handel sogar um 16,9% zurückging. Darin spiegeln sich freilich auch die vielen Insolvenzen und Filialschließungen als Folge der Corona-bedingten Zwangsschließungen wider. Eine andere Frage ist, ob der stationäre Mode-Handel bereits alle Möglichkeiten ausreizt, um seine Vorteile wie Erlebnis vor Ort und Präsentation der realen Ware ausnutzt. Angesichts der Wetterkapriolen ist der Online-Handel andererseits viel flexibler bei seinem Angebot. In dieser Branche kommt es zu Marktanteilsverschiebungen.
Ähnlich problematisch ist auch die Lage im Bereich CE/Elektro mit einem Wachstum von 33,5% im Online-Vertrieb, einem Plus von 5,0% beim Branchenumsatz und einem Umsatzminus von 9,6% in den stationären Märkten. Mit Blick auf Spieler wie Media Markt Saturn, die gleichermaßen stark im Online- wie im Offline-Geschäft vertreten sind, handelt es sich hier z.T. aber auch um unternehmens-interne Verschiebungen. So konnte das Unternehmen die Zwangsschließungen seiner Märkte durch sein Online-Geschäft kompensieren.
Niedriger Online-Anteil bei Heimwerken & Garten
Interessant ist auch der Blick auf den Bereich Heimwerken & Garten, in dem der Online-Anteil mit 7,4% auch noch recht niedrig ist. Hier lag das Online-Wachstum bei 29,4%, das Branchenwachstum bei 6,3% und die stationären Märkte konnten noch um 4,8% zulegen. Daraus ist zu schließen, dass die Branche insgesamt noch wächst und es spricht vieles dafür, dass ein großer Teil des Sortiments auch künftig nicht übers Internet gekauft wird – womöglich auch, weil mehr Beratung erforderlich ist.
Insgesamt stellen die Experten im Online Monitor fest, dass die Online-Erlöse 2024 – gemessen an 2019 – in allen untersuchten Branchen spürbar gewachsen sind. Beim stationären Umsatz (offline) sind die Erlöse dagegen im Bereich Wohnen & Einrichten (-5,7%) und – wie oben erwähnt – bei CE/Elektro sowie Fashion & Accessoires deutlich zurückgegangen. Doch auch wenn der Online-Handel hierzulande seinen Marktanteil 2024 insgesamt weiter ausbauen konnte und in einigen Branchen deutliche Verschiebungen hervorgerufen hat, so liegt sein Anteil am gesamten Nonfood-Handel mit einem Gesamtumsatz von 433 Mrd. Euro bislang bei 18,9%. Sein Anteil am deutschen Lebensmittelumsatz von 231 Mrd. Euro lag laut Online-Monitor sogar nur bei 3,0%. Gemessen am gesamten deutschen Einzelhandelsumsatz von 664 Mrd. Euro ist sein Anteil von 13,2% (2023) auf 13,4% im Vorjahr gewachsen.
Das zeigt, dass die Affinität der Konsumenten für den Online-Einkauf je nach Sortiment recht unterschiedlich ausgeprägt ist. Und ob im Laufe der Jahre beim Online-Anteil eine Angleichung der Branchen stattfindet, dürfte offen sein. Mit einem Anteil von 23,2% oder Ausgaben in Höhe von 20,6 Mrd. Euro entfiel 2024 der größte Anteil am deutschen Online-Umsatz von 88,8 Mrd. Euro auf den Mode- und Accessoires-Handel, dicht gefolgt von CE/Elektro mit einem Anteil von 21,5% und Ausgaben in Höhe von 19,1 Mrd. Euro. Auf Freizeit & Hobby entfallen 15,4% bzw. 13,7 Mrd. Euro und auf die Fast Moving Consumer Goods (Lebensmittel und Drogerie) 13,7% bzw. 12,2 Mrd. Euro. Auf Wohnen & Einrichten entfallen 7,9 Mrd. Euro bzw. 9%. In der wachstums-starken Heimwerker & Gartenbranche kommt der Online-Umsatz mit 3,2 Mrd. Euro nur auf einen Marktanteil von 3,7%.
Unterschiedliche Schwerpunkte bei Online- und Offline-Kauf
Vergleicht man die Ausgaben der Bundesbürger im Online-Shop mit ihren Ausgaben in den stationären Läden, so ist festzustellen, dass hier mit einem Anteil von 43,2% das meiste Geld im dicht geknüpften Filialnetz des deutschen Lebensmittelhandels ausgegeben wird, gefolgt vom Segment Sonstige/Andere mit 25%. Heimwerken & Garten folgen mit 7,1% bereits auf dem dritten Platz, gefolgt von Wohnen & Einrichten (5,3%) auf Platz vier. Auf Mode & Accessoires entfallen nur 4,9% der Ausgaben, auf Freizeit & Hobby 4,3%. Insgesamt stellen die Forscher fest, dass die Pro-Kopf-Ausgaben online tendenziell steigend sind, offline dagegen eher indifferent. Mit Blick auf die große Bedeutung des stationären (Nondfood)Einzelhandels für die Belebung der Stadtzentren stellt sich auf Grund des stabilen Wachstums im Online-Handel die Frage, inwieweit der stationäre Handel davon durch eigene Online-Shops oder den Verkauf über Marktplätze profitieren kann.
Laut Online-Monitor ist die während der Coronajahre aufgekommene Euphorie des stationären Handels für den Online-Vertrieb offenbar abgeebbt: „Der Anteil der Händler, die Waren über das Internet verkaufen, liegt 2024 bei 40%“, schreiben die Autoren. Dabei sei die Bedeutung des eigenen Onlineshops wieder leicht gestiegen. 2020 verkauften die stationären Händler 45% via Internet.
Der Blick auf die einzelnen Branchen zeigt aber auch die starke Position der Anbieter mit Online-DNA. Im wichtigen Bereich Mode & Accessoire liegt er bei 58,1%, auf Anbieter mit stationärer DNA entfallen 26,3% und auf Anbieter mit Hersteller DNA 15,6%. Bei CE/Elektro entfallen 57,7% auf die Pure Player, auf Hersteller 9,9% und auf stationäre Händler 32,4%. In einzelnen Branchen wie Wohnen & Einrichten (36,7%), Gesundheit & Wellness (65,9%) oder FMCG (44,9%) treiben laut Online Monitor inzwischen aber auch starke Spieler mit stationärer DNA ihr Online-Geschäft voran. Positiv beurteilen die Experten auch, dass der Online-Anteil des institutionellen Facheinzelhandels 2024 zum Teil spürbar höher lag als noch 2019. Bei Fashion & Accessoires ist er von 7,5% auf 11,2% gestiegen, bei Freizeit & Hobby von 13,2% auf 18,6%.
Unverändert ist indes, dass Amazon den hiesigen Online-Markt mit einem Anteil von 63% (2024) dominiert. Das war ein Plus gegenüber 2023 von 7,8%. Während der Amazon-Eigenhandel über „amazon.de“ mit 17% konstant blieb, erhöhte sich der Anteil des Amazon-Marktplatzes von 43 auf 46% – zulasten des „übrigen Online-Handels“, dessen Anteil von 29% auf 26% gesunken ist. Der Anteil andere Marktplätze blieb mit 11% konstant. Dazu gehören die Marktplätze etablierter Anbieter wie Zalando, About You oder Otto sowie spezialisierte Anbieter wie Manomano, moebel.de oder Chrono24.