Shopping-Center-Markt Deutschland

Noch kein Ende der Transformationsphase

Das neue Stadtquartier Sedelhöfe in Ulm. Bild: DC Developments

Die Entwicklung auf dem deutschen Shopping-Center-Markt war – auch durch die Unsicherheiten, die mit der Corona-Krise einhergehen – zuletzt wenig dynamisch. Die zunächst geplanten neun Neueröffnungen werden 2020 laut „EHI Shopping Center Report 2020“ auf vier zusammenschmelzen. Die Entwickler fokussieren sich eher auf die Revitalisierung und Umgestaltung des Bestands. Hinzu kommt, dass das große Verkaufsflächenangebot in Deutschland in Verbindung mit der Zurückhaltung vieler Mieter in punkto Expansion noch Raum für Büros oder Wohnungen bietet.

Das Thema Mischnutzung findet sich denn auch bei den aktuellen Neuentwicklungen wie dem Rée Carée, das die OFB Projektentwicklung, die Hamburger CEV Handelsimmobilien und CBRE Köln Ende 2020 in Offenburg eröffnen wollen. Auf den 14 000 qm Gesamtfläche gibt es neben Einzelhandelsmietern wie Decathlon und Alnatura auch Wohnungen. Noch bunter ist die Mischung im offen gestalteten Stadtquartier Sedelhöfe aus vier Gebäuden in Ulm, das auf 24 000 qm Gesamtfläche neben Einzelhandel und Gastronomie auch Wohnungen und Büros bieten wird. Das von DC Developments und DC Values entwickelte Quartier soll im Frühjahr/Sommer eröffnet werden.

Beim Shopping-Center Cano in Singen, das die ECE als Entwickler und Investor begleitet, handelt es sich dagegen um ein klassisches Einkaufszentrum mit 19 000 qm in zentraler Lage, das den lückenhaften Angebotsmix der Innenstadt ergänzen und erweitern soll. Die Eröffnung des Centers, das auf die Nähe der Stadt Singen zur Schweizer Grenze und den kleinen Grenzverkehr der Schweizer Konsumenten setzt, ist im Herbst 2020 geplant. Bis dahin dürfte sich die Lage an der Corona-Front beruhigt haben und die Grenzen wieder durchlässiger sein.

Das Fachmarktzentrum Drehscheibe (14 000 qm), das der Entwickler und Investor Greenman Open in Homberg entwickelt, entsteht als Hybride Mall in Stadtrandlage. Die Eröffnung ist im November 2020 geplant. Mit diesen Neueröffnungen wird sich die Zahl der Shopping-Center mit mehr als 10 000 qm Mietfläche unter einheitlicher Leitung nach dem EHI Shopping Center Report 2020, der in Kooperation mit dem German Council of Shopping Places (GCSP) entstanden ist, in Deutschland von 489 auf 493 Objekte erhöhen.

Im Jahr 2019 waren sechs neue Center auf den Markt gekommen, darunter das Mischobjekt Forum Schwanthaler Höhe in München, das auf dem Areal eines ehemaligen Warenhauses entstanden ist, das Nordoberpfalzzentrum in der Mittelstadt Weiden, das neue Shopping-Center THEO im norddeutschen Husum, die Stadt Galerie Velbert, das MCB Maximilian Center in Bonn und das Ever's in München-Allach. Abgesehen von München befinden sich die meisten Neueröffnungen des Vorjahres wie auch die Objekte, die 2020 eröffnet werden, in mittelgroßen Städten mit mehr als 20 000 Einwohnern.

Das wird sich, wenn man vom Mega-Projekt Südliches Überseequartier in der Hamburger Hafen City einmal absieht, auch bei den 13 Objekten, die in den Jahren 2021 und 2022 auf den Markt kommen werden, nicht ändern. Hier finden sich das innerstädtische Quartier Viktoria-Karree in Bochum vom Entwickler und Investor HBB GmbH, die Dreiländer-Galerie im badischen Weil am Rhein von Cemagg und Apleona Real Estate, die von ihrer Lage im Dreiländereck Deutschland, Frankreich und Schweiz profitieren will, und das Forum Villingen-Schwenningen in der gleichnamigen Stadt sowie das Salzach Forum in Burghausen, die beide gleichfalls vom Investor HBB entwickelt werden. Die neuen Shopping-Center versorgen gerade die Mittelstädte mit den modern geschnittenen Verkaufsflächen, die von den Einzelhandelsfilialisten gesucht werden und die hier meist Mangelware sind.

Das Buhlen um die Kunden wird zur echten Herausforderung

Insgesamt erfreuen sich laut Shopping-Center Report Einkaufszentren durchaus noch großer Beliebtheit, wenn sie ein modernes Design haben, attraktive Einzelhändler bieten und sich in Top-Lagen befinden. Jenseits dieser gefragten 1A-Lagen nimmt aber der Leerstand zu, so dass andere Nutzungsarten wie Büros etabliert werden. Denn hier wollen die internationalen Handelsmarken immer seltener mieten. Deshalb ist laut EHI-Report besonders für Center, die in die Jahre gekommen sind, das Buhlen um die Gunst der Kunden – sprich die Steigerung der Frequenz - eine Herausforderung.

So bleibt festzustellen, wie Rainer Pittroff, Projektleiter Shopping Center beim Kölner EHI, mit Blick auf den Strukturwandel in der Branche schreibt, „dass sich die Shopping-Center-Entwickler in den vergangenen Jahren eher zurückhalten, wenn es um die Realisierung weiterer Shopping-Center in den Innenstädten der Republik nach altbewährtem Muster geht – lieber setzt man weiterhin auf die Revitalisierung und Umgestaltung der bestehenden Objekte.“ Denn das Kaufverhalten und die Ansprüche der Konsumenten ändern sich – auch durch die Digitalisierung – was sich an den zurückhaltenden Expansionsplänen der Mieter aus dem Einzelhandel zeigt, die neben einem attraktiven stationären Geschäft derzeit noch viel Geld in den Online-Vertrieb stecken müssen. Hinzu kommen Verzögerungen durch behördlichen Genehmigungsverfahren und durch Interessengruppen, die Bauvorhaben verhindern wollen.

Zudem hat die langanhaltende Boomphase im Immobilienmarkt mit Überhitzungstendenzen im Bausektor zu Engpässen und Verzögerungen beim Bau geführt. So hat sich auch die Entwicklung des Cano in Singen verzögert. Und das Interesse der Investoren an dieser Anlage-Klasse hat in den vergangenen Jahren auch deshalb nachgelassen, weil nach Beobachtung von Jörg Krechky, u.a. Chairman des European Retail Investments Boards beim Immobiliendienstleister Savills, Unsicherheit über die Nachhaltigkeit der Miete und die notwendigen Zukunftsinvestitionen für die Umstellung des jeweiligen Centers auf ein nachhaltiges Konzeption besteht.

Hinzu kommt, dass die Spitzenrenditen für Einkaufszentren in Top-Lagen trotz des jüngsten Anstiegs auf 4,3% laut Krechky immer noch auf einem Niveau liegen, das etwa 70 Basispunkte unterhalb des langfristigen Mittels liegt. Das lässt wenig Spielraum für notwendige Investitionen in die Neupositionierung. Für den Experten stellt sich beim Vergleich mit Großbritannien, wo der Markt in punkto Preisnachlass schon weiter ist, die Frage, bei welchem Renditeniveau die Nachfrage nach Center wieder steigt. Krechky sieht den Wendepunkt bei einer Nettoanfangsrendite von 4,5% bei Center in A-Lagen und von 6,25% in B-Lagen.

Kurzfristig verschärft wird das Problem nun durch den Shutdown zur Bekämpfung der Covid 19-Pandemie und die offenbar nur schleppende Erholung im Einzelhandel nach der Lockerung, die den Nonfood-Handel wie Mode-Händler stark belasten. Der Umsatzausfall über mehrere Wochen bei den Mietern zwinge nun zu Gesprächen über Mietstundungen, Mietausfälle und über mittelfristig niedrigere Mietniveaus, erwartet Marco Atzberger, Mitglied der EHI-Geschäftsleitung. Das erhöht die Unsicherheit, zumal kurzfristig schwer einzuschätzen ist, wie die Covid-19-Epidemie verläuft und wann wieder mit Normalität zu rechnen ist.

Noch zahlreiche Revitalisierungen in der Pipeline

 

Und das behindert die Strategie der Center-Branche, dem Frequenzrückgang durch die Erhöhung der Aufenthaltsqualität entgegen zu wirken und die Einkaufszentren auf dem neuesten Stand zu halten. So liegen laut Studie zwar „Refurbishments im Trend und das Wort Experience im Fokus“, da Erlebnisse wie etwa gastronomische Angebote die Attraktivität der Center steigern. Doch die Strategie, den schwächelnden Modehandel durch ausgefeilte gastronomische Konzepte zu ersetzen, wird mit Blick auf den restriktiven Umgang der Politik mit Cafés und Restaurants kurzfristig erschwert. Langfristig geht es laut EHI-Report natürlich auch bei dieser Strategie darum, das geeignete Konzept für den geeigneten Standort zu finden.

Die aktuelle Liste der geplanten Umstrukturierungen, Modernisierungen und Erweiterung umfasst laut EHI 42 Einkaufszentren, die überwiegend in den 1990er-Jahren oder zu Beginn des neuen Jahrtausends erbaut wurden und deren Angebots-Konzept den heutigen Ansprüchen nicht mehr entspricht. „Manche Projekte haben dabei nach der Fertigstellung ein völlig anderes Aussehen und mit dem ursprünglichen Center nichts mehr gemeinsam“, beschreibt Pittroff die Maßnahmen. Aber auch bei Einkaufszentren der ersten Generation stehen nach seiner Erkenntnis Modernisierungsmaßnahmen an, wenn etwa das 50. Jubiläum vor der Tür steht. Im Jahr 2019 war das beim Franken-Center in Nürnberg der Fall.

Zu den großen Revitalisierungs-Objekten gehören die Potsdamer Platz Arkaden und das Forum Steglitz in Berlin, die Hamburger Meile und das Krohnstiegcenter in der Hansestadt Hamburg, der Limbecker Platz und die Rathaus-Galerie, beide in Essen, das Rhein-Ruhr-Zentrum in Mülheim an der Ruhr, das Loop 5 in Weiterstadt, die beiden Objekte Breuningerland in Sindelfingen und in Ludwigsburg sowie das Olympia Einkaufszentrum in München – um nur einige zu nennen.

In seinem Fazit konstatiert Pittroff, dass die neuen Shopping-Center heute deutlich kleinflächiger ausfallen und der Fokus eher auf Mischobjekten sowie Quartiersentwicklungen liegen wird. Und auch bei Revitalisierungen geht es um Themen wie die Umwandlung in Hybride Center.

Auch der Begriff Shopping-Center respektive Einkaufszentren muss heute deutlich weiter gefasst werden, da der Fokus ja nicht mehr allein auf dem reinen Einkaufen liegt. Es geht vielmehr um „Erlebnis-Center“ Diese bieten laut EHI-Report zwar noch „Einkaufskomponenten, jedoch spielen Gastronomie, Freizeit sowie Nahversorgungs- und Dienstleistungsangebote eine deutliche größere Rolle als früher. Vieles wird im Einzelhandelsmarkt aber auch davon abhängen, wie schnell die Verwerfungen durch die Corona-Krise überwunden werden.