Sinn GmbH

Neustart nach 175 Jahren Mode-Handel

Foto: Sinn GmbH

Am 5. August 2024 hatte die Sinn GmbH in Hagen ihren vierten Insolvenzantrag gestellt, der in einigen Wochen erfolgreich abgeschlossen sein wird. In 175 Jahren hat das Unternehmen schon viele Krisen bewältigt und fast noch mehr Eigentümer gehabt. Ein Überblick über eine bewegte Unternehmensgeschichte.

Die Genehmigung des Bundeskartellamts für die Übernahme der insolventen Mode-Kette Sinn GmbH in Hagen hatte die JC Switzerland Holding AG, Teil der Peek & Cloppenburg-Gruppe Düsseldorf, Mitte Februar schon sicher. Doch am 28. April entschied die Gläubigerversammlung im Amtsgericht Hagen anders. Neben der JC Switzerland hatte auch die bisherige Gesellschafterin von Sinn, Isabella Goebel, mit ihrem Unternehmen SLE Erwerbs- und Beteiligungs GmbH, einen Insolvenzplan zur Rettung und Sanierung der Mode-Kette vorgelegt, so dass sich die Gläubiger zwischen zwei Insolvenzplänen entscheiden konnten.

Vor diesem Hintergrund sah Insolvenzverwalter Michael Mönig, Partner der Wirtschaftskanzlei Mönig, sich und die Gläubiger in einer komfortablen Situation. Denn beide verbliebenen Bieter wollten alle 34 noch bestehenden Standorte und alle 1 500 Arbeitsplätze sichern. Besonders erfreulich für die Gläubiger: Die überdurchschnittliche Quote auf ihre festgestellten Forderungen, die beide Bieter anboten. Am Ende entschieden sie sich für die bisherige Gesellschafterin Isabella Goebel, obwohl die Gläubiger zunächst den Insolvenzverwalter Mönig damit beauftragt hatten, einen Insolvenzplan auf Basis des Übernahmeangebots der JC Switzerland Holding zu erstellen.

Im Vorfeld der Gläubigerversammlung hatte der Insolvenzverwalter dann beide Insolvenzpläne für gut und realistisch befunden und bei Gericht eingereicht. Wie der WDR berichtet, hatten sich die Mitarbeiter in einer Unterschriftensammlung aber für Isabella Goebel ausgesprochen – nicht zuletzt offenbar auch deshalb, weil sie sicher waren, dass die bisherige Eigentümerin die Zentrale in Hagen erhalten wird.

Die erneute Insolvenz im vergangenen August kam insofern überraschend als die Mode-Kette noch während der Corona-Pandemie 2021 zu den Unternehmen gehörte, die stark auf Expansion setzte, während andere Ketten ihre Filialnetze verkleinerten. So eröffnete Sinn Häuser in Duisburg, Gütersloh, Goch, Bielefeld und Bad Kreuznach und übernahm die sieben Standorte der Mode-Kette Mensing in Bottrop, Detmold, Dorsten, Kleve, Lingen, Rheine und Wesel. Erst im September 2020 hatte das Unternehmen das dritte Insolvenzverfahren abgeschlossen.

Als Ursache für die jüngste wirtschaftliche Schieflage hatte die Sinn-Geschäftsführung geänderte wirtschaftliche Rahmenbedingungen aufgeführt und einmalige Sondereffekte wie Wasserschäden und bautechnische Probleme, die dazu geführt hätten, dass zeitweilig ganze Etagen und sogar Häuser geschlossen werden mussten – mit entsprechenden Rückgängen bei den Erlösen. Gleichzeitig stiegen – Inflations- und Kriegsbedingt – die Kosten für Mieten, Energie und Logistik. Hinzu kam die kostspielige Implementierung eines neuen Warenwirtschaftssystems.

Nachdem die Entscheidung zugunsten der bisherigen Eigentümerin gefallen ist, kann das Amtsgericht Hagen das Insolvenzverfahren über das Vermögen der Sinn GmbH in einigen Wochen einstellen, wenn alle Fristen eingehalten werden.

Das Ende des Insolvenzverfahrens ist absehbar

Gegründet wurde die Sinn GmbH im Jahr 1850 in Köln als Kurzwarenhandlung von den beiden Brüdern Johannes und Friedrich Sinn, die – bevor sie in ihrem ersten Laden ansässig wurden – als Händler über Land gezogen waren, um ihre Ware zu verkaufen. Zeitweise firmierte die Mode-Kette später auch als börsennotierte Sinn AG. Nachdem das Unternehmen von der Schickedanz-Gruppe, der Mutter des Versenders Quelle, übernommen wurde, entschied sich deren Geschäftsführung 1997, Sinn mit ihrer zweiten Mode-Kette Leffers zur Sinn Leffers AG zu fusionieren. Insider bezeichneten diese Fusion als schweren Fehler, der auch daran abzulesen war, dass das Unternehmen anschließend nachhaltig in die roten Zahlen rutschte.

Als sich die Familie Schickedanz als neue Großaktionärin an der Essener Karstadt AG beteiligte, um den Warenhaus-Konzern, zu dem auch der Versender Neckermann gehörte, zur Karstadt Quelle AG zu fusionieren, weigerte sich der damalige Karstadt-Vorstand, in diesem Kontext auch die defizitäre Mode-Kette Sinn-Leffers zu übernehmen. Aus kaufmännischer Sicht hätte das auch keinen Sinn gemacht, da sich das Karstadt-Angebot und die Mode-Sortimente von Sinn-Leffers mehr oder weniger stark überschnitten haben.

Nachdem der frühere Galeria-Kaufhof-Manager Wolfgang Urban, der auf Seiten der Schickedanz-Familie die Fusion begleitet hatte, bei Karstadt-Quelle den Chefposten übernahm, gehörte die Mehrheitsbeteiligung an Sinn-Leffers 2001 jedoch zu seinen ersten Amtshandlungen. Wie aus informierten Kreisen zu erfahren war, kosteten die (vergeblichen) Sanierungsbemühungen die Karstadt Quelle AG einen hohen dreistelligen Millionenbetrag. 2005 beendete Karstadt Quelle das glücklose Engagement und verkaufte die Mehrheitsbeteiligung an die Deutsche Industrie-Holding (DIH), die die Aktiengesellschaft ein Jahr später in eine GmbH umwandelte und 2008 auch alle Unternehmensanteile übernahm.

Die Fusion mit Leffers war kein Erfolgsmodell

Im August 2008 stellte Sinn Leffers dann den ersten Insolvenzantrag, um im Rahmen eines Planinsolvenzverfahrens Ballast abzuwerfen. So wurden beispielsweise 23 Filialen, deren Mieten für einen wirtschaftlichen Betrieb zu hoch waren und deren Eigentümer nicht über Mietsenkungen verhandeln wollten, kurzfristig geschlossen. Mit einer fast halbierten Filialzahl von 24 stellte sich das Unternehmen wieder auf ein wirtschaftliches Fundament.

Im Jahr 2013 übernahm die Familie Wöhrl, bekannt als traditionsreiche Betreiberin ihrer gleichnamigen Bekleidungs-Kette, das Unternehmen, geriet aber selbst kurz danach in sehr unruhige Fahrwasser. Für Sinn-Leffers folgte in diesem Kontext im September 2016 die zweite Insolvenz, die die Mode-Kette im Juli 2017 wieder hinter sich lassen konnte. Für einen symbolischen Euro hatte Isabella Goebel zusammen mit ihrem Ehemann Friedrich Wilhelm Goebel die Kette aus der Insolvenz heraus gekauft und das Unternehmen im Jahr 2018 in Sinn GmbH umbenannt.

Im April 2020, als im Rahmen der Corona-Pandemie die Zwangsschließungen insbesondere dem innerstädtischen Mode-Handel das Leben schwer machte, schlüpfte die Sinn GmbH unter ein Schutzschirmverfahren, das auch wieder nach wenigen Monaten erfolgreich abgeschlossen werden konnte. Nach 175 Jahren und dem Abschluss des vierten Insolvenzverfahrens beginnt nun ein neues Kapitel.