ESG-Bewertung nach RICS-Checkliste

Neue Leitlinien für Europa

Foto: Ruth Vierbuchen

rv DÜSSELDORF: Das Thema Nachhaltigkeit, die Einhaltung von ESG-Kriterien und die Notwendigkeit, insbesondere die Bestandsimmobilien in punkto Energieeffizienz aufzurüsten, beherrscht derzeit die Diskussionen. Die Unklarheiten bei den Marktakteuren sind erheblich. Um die Implementierung der ESG-Kriterien in die Bewertung von Immobilien zu unterstützen, hat die RICS (Royal Institution of Chartered Surveyors) eine Checkliste mit zwölf Kernindikatoren veröffentlicht, die von einer Expertenkommission erarbeitet wurde.

Nach den Worten von Gina DingRICS Senior Public Affairs Officer für Europa und Autorin der Checkliste, bieten diese zwölf Kernindikatoren der ESG- und Valuation-Datenliste „Gutachtern und Finanzkunden einen konsistenten Satz von Datenpunkten, die in Bewertungsberichten aufgegriffen werden können“. Aus ihrer Sicht ist es der Expertenkommission seit ihrer Gründung vor eineinhalb Jahren bis heute damit gelungen, „das Bewusstsein und das Verständnis zwischen Gutachtern und Kunden zu erhöhen, so dass wir uns gemeinsam auf diesem Weg befinden und unsere Interessen übereinstimmen“. Angesichts der vielen noch bestehenden Unklarheiten bei vielen Marktakteuren dürfte das eine wichtige Grundlage sein.

Wie wichtig das Thema für die Marktakteure ist, zeigt auch der Blick auf die Ergebnisse der Studie „Emerging Trends in Real Estate Europe, 2024“ von PwC und dem Urban Land Institute (ULI). Denn hier geben bemerkenswerte 77% der Befragten an, dass die aktuellen Bewertungen die bestehenden Herausforderungen und Chancen für den Immobiliensektor in punkto Klimawandel, die Sozialen Belange und die spezifischen Anforderungen der Mieter noch nicht korrekt widerspiegeln.

Dabei erwarten fast 50% der für den RICS World Built Environment Sustainability Report 2022 Befragten einen „Brown Discount“, einen Abschlag, für Immobilien, die nicht den ESG-Kriterien entsprechen. In Europa waren es fast drei Fünftel der Befragten, die Preisabschläge bei den Mieten und den Kaufpreisen für Gebäuden, die nicht als „Green Building“ oder nachhaltige Gebäude eingestuft sind, erwarten. Etwa ein Drittel geht dabei von Preiskorrekturen in der Größenordnung von 10% aus und etwa ein Viertel kann sich auch vorstellen, dass die Abschläge größer ausfallen.

Die RICS hatte die Expertenkommission nach eigenen Angaben im Jahr 2022 gebildet, um die Auswirkungen von ESG auf die Bewertung von Immobilien zu untersuchen. Zur Gruppe gehörten Bewerter, Investoren sowie Banken. Und die Europäische Zentralbank (EZB) sowie die Europäische Bankenaufsichtsbehörde (EBA) fungierten als sogenannte Beobachter. Vorausgegangen war eine Untersuchung aus dem Jahr 2021 mit dem Ergebnis, dass etwa die Hälfte der Bewertungsfachleute die Meinung vertrat, dass grüne und nachhaltige Immobilien einen Preis- und Mietaufschlag gegenüber Gebäuden haben sollten, die ohne ESG-Anforderungen konzipiert wurden. Ziel war es in diesem Kontext, ESG-Anforderungen auf der Grundlage realer, messbarer Daten in die Immobilienbewertung einzubeziehen.

Gutachter berücksichtigen Umweltfaktoren immer mehr

Das nun vorgestellte Papier mit dem Titel „The future of real estate valuations: the impact of ESG“ kam denn auch zu dem Ergebnis, dass ESG-fokussierte Immobilien für Investoren an Wert gewinnen und die Gutachter Umweltfaktoren immer mehr berücksichtigen. Vor diesem Hintergrund ist die Checkliste mit den zwölf Kernindikatoren laut Sander ScheurwaterInterimsleiter für Strategische Planung und Berichterstattung bei der RICS und Mit-Autor der Liste ein wichtiges Instrument, um die ESG-Anforderungen in die Immobilienbewertungen einzubinden. Und wie er berichtet, wird sie auch bereits genutzt. Bemerkenswert ist aus seiner Sicht in diesem Kontext auch „die Zusammenführung der wichtigsten europäischen Bewertungsdienstleister, Investoren- und Bankenverbände (INREV, EPRA und EMF) sowie anderer relevanter Organisationen wie World GBC, ULI, WBCSD, ERES und IVSC zur Entwicklung dieser Datenliste. Dadurch gewinnt die Checkliste in der Praxis sehr deutlich an Breite.

Auch Jens Böhnlein, MRICSVorstandsvorsitzender der RICS Deutschland, sieht in den ESG-Leitlinien eine fundierte Grundlage für den Immobilienmarkt, um zu einer Versachlichung der Diskussion im Hinblick etwa auf einen „Brown Discount“ oder ein „Green Premium“ beizutragen. Die Aufnahme der ESG-Kriterien in die Bewertung könnte aus seiner Sicht zu einer verstärkten und breiteren Anwendung im Markt beitragen. Denn laut RICS sind noch erhebliche Defizite bei der ESG-Integration auszumachen. Deshalb müsse ein ganzheitlicher Ansatz verfolgt werden, der durch die Checkliste unterstützt wird.

Im Einzelnen umfasst die Datenliste einen Überblick über folgende ESG-Indikatoren, die bei der Bewertung von Gebäuden berücksichtigt werden sollten: „Energy Rating“ wie Energy Performance Certificate , Energieverbrauche, Produktion erneuerbarer Energien, Labels und Zertifikate wie Greenbuilding Systeme, Greenhouse Gas Emissionen wie CO2-Emmissionen, Emissions pathway analysis, physical climate risk, location characteristics (lokale Infrastruktur), Mobility wie Fahrrad-Stellplätze, Building Access (behindertengerechter Zugang), Landlord tenant relationsship (Vermieter-Mieter-Verhältnis) und die beim Bau verwendeten Materialien.

Dabei wird die Aufstellung der Checkliste nicht als statischer Prozess gesehen, vielmehr soll sie in der nächsten Zeit durch die intensive Zusammenarbeit mit und das Feedback der Bewerter-Organistationen, des Finanzsektors und anderen Organisationen weiterentwickelt werden, um die ESG-Anforderungen in die Bewertungen einzubetten. Da sich die Bewertung der Immobilien nach ESG-Kriterien noch in der Übergangsphase befindet, soll die nun vorgelegte Checkliste aus dem Jahr (Edition 2024) der Start für eine Reise sein, die es den Bewertern, den Kreditinstituten und den Investoren ermöglicht, ihr Wissen zu diesem Thema zu verbreitern und schließlich bei der Immobilienbewertung zu einem gemeinsamen Ansatz zu kommen.