Modehandel in der Krise

Nach der Insolvenz ist vor dem Shutdown

Esprit hat sich neu aufgestellt. Foto: Vierbuchen

Nach dem ersten Lockdown im Frühjahr und der nur schleppenden Erholung in den Sommermonaten war die Lage im Modehandel bereits sehr ernst und einige Unternehmen suchten sich mittels Insolvenzverfahren zu sanieren. Durch den zweiten Shutdown hat sich die Lage nochmals verschärft. „Das Jahr 2021 könnte für viele vom Lockdown betroffene Handelsunternehmen in der Insolvenz enden“, fürchtet der Handelsverband Deutschland (HDE) nach einer Trendumfrage unter 1 500 Händlern. Denn die staatlichen Hilfen reichen oft nicht zur Existenzsicherung.

Wie hart der Handel mit Textilien, Bekleidung, Schuhen und Lederwarenbetroffen ist, zeigen die vorläufigen Zahlen des Statistischen Bundesamtes, wonach der Umsatz allein im November real um 20% geschrumpft ist und sich der Umsatzrückgang bis Ende November auf real -21,5% summierte. Die Zwangsschließung über die Weihnachtstage lässt für das Gesamtjahr schlimmes befürchten. Und auch bei den Waren- und Kaufhäusern lag das Umsatzminus bis November bei real -9,9%.

Für den Modehandel, der von November bis Januar seine Winterware verkaufen muss, um die neue Frühjahrsware zu bezahlen, die in den Wochen nach Weihnachten geliefert wird, ist die erneute Schließung eine schwere Hypothek, zumal die Folgen des ersten Shutdowns im Sommer kaum aufgeholt werden konnten. Durch den Ausfall des Osterfests, von Messen und Kongressen sowie des Weihnachtsfests gab es wenig Anlässe, sich neu einzukleiden. Zudem wurde mehr im Internet bestellt.

Wie kritisch die Lage ist, zeigt die Adler Modemärkte AG, die im zweiten Shutdown in die Überschuldung geraten ist und nun die Krise durch eine Insolvenz in Eigenverwaltung überwinden will. Dem Unternehmen mit rund 495 Mio. Euro Umsatz (2019) und 3 350 Mitarbeitern war es trotz intensiver Bemühungen nicht gelungen, die entstandene Liquiditätslücke über eine Kapitalzufuhr durch staatliche Unterstützungsfonds oder Investoren zu schließen. Mit Arko, Eilles und Hussel, die zur Deutschen Confiserie Holding (DCH) gehören, haben auch bekannte Einzelhändler aus anderen Branchen vorläufige Insolvenz in Eigenregie beantragt.

Ob es Adler und den anderen Unternehmen des Bekleidungshandels gelingt, die Corona-Pandemie zu überstehen, wird auch maßgeblich davon abhängen, wie lange die Zwangsschließung dauert und ob der Staat die passgenaue finanzielle Hilfe zur Existenzsicherung bereitstellt. Bei einer Schließung bis in den März hinein dürfte es für viele Unternehmen mehr als eng werden.

Schon im Umfeld des ersten Shutdowns hatten bekannte Bekleidungsketten Insolvenz in Eigenverwaltung angemeldet oder waren unter ein Schutzschirmverfahren gegangen, um sich zu sanieren. Zu den ersten gehörte der Textilhändler Mensing Unternehmensgruppe aus Bottrop, der am 25. Februar 2020 Insolvenz in Eigenverwaltung anmeldete, um sich neu aufzustellen. Im Rahmen des am 1. Mai eröffneten Insolvenzverfahrens gelang es dem fast 100 Jahre alten Textilhändler, einem Magneten der Bottroper Innenstadt, nicht, den Turnaround zu schaffen. Ende November war die Insolvenz der gesamten Holding unausweichlich.

Zwangsschließung im Frühjahr erschwerte die Sanierung

Dabei dürfte die Zwangsschließung zur Pandemie-Bekämpfung im Frühjahr die Sanierung von Mensing erschwert haben. Ende des Jahres gelang es dem zuständigen Insolvenzverwalter Dr. Schulte-Kaubrügger, Partner bei White & Case, im Rahmen des Insolvenzverfahrens das Filialgeschäft bei Erhaltung der Arbeitsplätze an die Hagener Textil-Kette Sinn zu verkaufen.

Die Sinn GmbH, die bereits 2016/17 – damals noch unter dem Namen Sinn Leffers – ein Insolvenzverfahren bewältigte, hatte sich selbst nach den Umsatzeinbrüchen im ersten Shutdown mit ihren 23 Filialen am 28. April unter ein Schutzschirmverfahren begeben, um sich neu aufzustellen. Anders als die Mensing Unternehmensgruppe konnte das Hagener Unternehmen das Verfahren am 30. September 2020 erfolgreich abschließen und setzt – wie die Übernahme zeigt – auf Expansion, die allerdings durch die Fortdauer des Shutdowns gebremst werden könnte.

Die Mode-Kette Esprit mit Sitzen in Deutschland und Hongkong stellte ihren Antrag auf Insolvenz in Eigenverwaltung am 27. März 2020 beim Insolvenzgericht Düsseldorf. Das Verfahren für sechs deutsche Tochtergesellschaft der Esprit-Gruppe, die den wesentlichen Teil des operativen Geschäftsbetriebs ausmachen, wurde am 1. Juli eröffnet. Nach den Worten von Group CEO Anders Kristiansen hat die Entscheidung, „im März proaktiv in die Schutzschirmverfahren einzutreten“ dem Unternehmen die Chance eröffnet, Esprit als Marke und Unternehmen zu erhalten.

Im Zuge des Verfahrens hat die Mode-Kette etwa die Hälfte ihrer zuletzt noch 94 Filialen geschlossen und zahlreiche Mitarbeiter entlassen. Aus Sicht von Kritikern war die Krise durch die Zwangsschließung aber wohl nur der letzte Tropfen, der das Fass zum Überlaufen brachte. Die Gewerkschaft etwa wirft der Geschäftsführung vor, sie habe in den vergangenen beiden Jahrzehnten versäumt, die Digitalisierung im Unternehmen voranzutreiben, etwa mit der Verknüpfung von Online- und Offline-Vertrieb. Das hätte auch den Verkauf während des Shutdowns erleichtert.

Mode-Kette Esprit bereinigte ihr Filialnetz

Mit der Aufhebung der Insolvenzverfahren am 30. November 2020 bleibt die an der Börse in Hongkong notierte Esprit Holdings Limited alleinige Gesellschafterin der sechs Töchter. Laut Kristiansen will die Mode-Kette unter eigener Kontrolle wieder durchstarten. Während des Insolvenzverfahrens seien sämtliche Restrukturierungsziele erreicht worden, so dass Esprit nun fit und schlanker für die Zukunft aufgestellt sei. Das muss sich nun beweisen.

Auch mit der Tom Tailor Holding SE in Hamburg stellte am 9. Juni 2020 eine bekannte Marke den Antrag auf die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens. Der Grund: Wesentliche Verpflichtungen gegenüber der defizitären Tochter Bonita, die ein Schutzschirmverfahren beantragte. Das Insolvenzverfahren wurde am 15. Juli eröffnet. Die für die Kernmarke operativ tätige Tom Tailor GmbH, die von der Insolvenz nicht betroffen war, konnte sich eine zusätzliche Finanzierung in Höhe von 100 Mio. Euro sichern, die durch Garantien der Bundesrepublik Deutschland, der Freien und Hansestadt Hamburg und Nordrhein-Westfalen gesichert wurde.

Zum symbolischen Preis von einem Euro wurde die Tom Tailor GmbH an die chinesische Fosun Group verkauft. Diese war bereits seit 2014 an Tom Tailor beteiligt. Die Mode-Kette betreibt in Deutschland 160 Filialen. Welche Pläne der Großaktionär hat, ist noch nicht klar. Zu hören ist, dass das Online-Geschäft ausgebaut werden soll.

Zu den Genesenen nach erfolgreichem Insolvenzverfahren gehört auch Appelrath Cüpper, die das im Frühjahr beantragte und am 1. August eröffnete Insolvenzverfahren in Eigenverwaltung zum 29. Dezember 2020 erfolgreich abgeschlossen hat. Das 1882 gegründete Traditionsunternehmen betreibt mit 900 Mitarbeitern bundesweit 16 Filialen und einen Online-Shop für hochwertige Damenmode. Die Zukunft des Unternehmens sicherte nach Aufhebung des Insolvenzverfahrens der neue Gesellschafter Peter Graf, (Mit-)Eigentümer von Kleider Bauer und Hämmerle, mit 35 Filialen einer der größten Modehändler in Österreich.

Nachdem sich der erneute Shutdown immer mehr in die Länge zieht, muss sich jetzt zeigen, ob und wie nachhaltig die Sanierung im Zuge der Insolvenz- und Schutzschirmverfahren war. Nach Feststellung des Kreditversicherers Euler Hermes hatten in den ersten neun Monaten 2020 acht große textile Händler Insolvenz beantragt. Die Anträge von Adler, Arko, Eilles und Hussel zeigen, es geht 2021 weiter. Und auch das jüngste Darlehen für Galeria Karstadt Kaufhof durch die Bundesregierung zeigt, wie schwierig die Lage für die Unternehmen ist.