Vermietungsmarkt Retail

Nach der Flaute ist die Erholung spürbar

Lebensmittelhändler wie Rewe expandieren weiter. Foto Rewe Group

rv DÜSSELDORF. Wie sehr der Ausbruch der Pandemie und der erste Shutdown im Frühjahr 2020 den innerstädtischen Vermietungsmarkt in Deutschland erschüttert haben, offenbart sich im Grunde erst mit den Vermietungszahlen für das Corona-Jahr 2021. Nach den ersten neun Monaten zeigt sich eine spürbare Belebung, obwohl der Start zu Jahresbeginn alles andere als einfach war. Allerdings zeigt sich eine weitere Verschiebung bei der Mieterstruktur.

„Trotz des schwierigen ersten Halbjahres, das vom Lockdown geprägt war, pulsiert der Markt nun wieder und ich gehe davon aus, dass wir einen Flächenumsatz von bis zu 450 000 qm erreichen werden“, gibt sich Dirk Wichner, Head of Retail Leasing bei JLL Germany, beim Blick auf den weiteren Jahresverlauf zuversichtlich. Seinen Optimismus stützt der Experte auf die Vermietungszahlen für das dritte Quartal 2021, die mit einem Flächenumsatz von knapp 123 000 qm laut JLL um gut ein Drittel über dem Flächenumsatz im Sommer 2020 lagen.

Und auch die weiteren Zahlen stützen die Zuversicht. So übertraf die Zahl der Mietvertragsabschlüsse von Juli bis September mit 291 den Vorjahreswert um 43%. Insgesamt summierte sich der Flächenumsatz in den ersten neun Monaten auf 334 000 qm, womit der Vorjahreswert um 18% übertroffen wurde und auch die Zahl der Anmietungen lag mit 741 laut JLL deutlich über dem Vorjahreswert.

Auch wenn seine Schätzung für das Gesamtjahr mit etwa 450 000 qm Flächenumsatz in diesem Jahr noch nicht an das Vor-Corona-Niveau von 500 000 qm heranreiche, so stellt Wichner weiter fest, dann sei das doch deutlich mehr als die 383 000 qm, die im gesamten Jahr 2020 neu vermietet wurden. Der Trend belegt aus seiner Sicht, „dass viele Händler die Pandemie genutzt haben, um ihre digitalen Hausaufgaben zu machen und sich jetzt mit neuen Konzepten stärker auf den Kunden und das Kauferlebnis ausrichten“.

Allerdings zeigt der Blick auf die Branchen, die derzeit auf Expansionskurs steuern, dass die bereits in den vergangenen Jahren beobachteten Verschiebungen, vom Modehandel als größtem Mieter früherer Jahre zum Lebensmittelhandel und der Gastronomie als aktuelle Hauptakteure, in diesem Jahr anhält. Denn während die stationären Modehändler immer noch damit befasst sind, das Loch, das der Shutdown von Mitte Dezember bis Ende Mai in die Umsatzzahlen gerissen hat, aufzuholen, denkt vor allem der von den Zwangsschließungen unbehelligte Lebensmittelhandel wieder an Filialeröffnungen.

So hält die Sparte Gastronomie/Food mit einem Anteil von 29% am Flächenumsatz den Spitzenplatz vor dem Textileinzelhandel mit 27%, allerdings entfallen laut Wichner drei Fünftel des Flächenumsatzes auf den Lebensmittelhandel, der vermehrt Standorte in den Innenstädten belegt: „Beispielsweise eröffnete Rewe in diesem Jahr bereits acht neue Filialen in Innenstadtlagen“, berichtet der Experte. Deutlich niedriger ist der Anteil der Systemgastronomie, wie etwa Kaffeeketten und der individuellen Restaurantkonzepte, die offenbar die Gunst der Stunde nutzen.

„Punktuelle Konkurrenz“ bekommen die Lebensmittelhändler laut Wichner derzeit allerdings von den stark expansiven Lebensmittellieferdiensten, die vor allem davon profitieren, dass viele Menschen immer noch im Homeoffice arbeiten und den Gang in die Kantine oder ins Restaurant durch Mahlzeiten vom Lieferdienst ersetzen: „Neben Gorillas und Flink kommen weitere Akteure aus dem Ausland hinzu: Getir, Wolt, Bolt oder Wuplo wollen auf dem deutschen Markt Fuß fassen“, teilt JLL mit.

Die meiste Einzelhandelsfläche wurde in den ersten neun Monaten mit 32 500 qm in Berlin vermietet. Auch das war mit gut einem Drittel deutlich mehr als im Vorjahreszeitraum. In Düsseldorf wurden 24 000 qm neu angemietet, was laut JLL sogar deutlich über dem Fünfjahresschnitt von 18 000 qm in den ersten neun Monaten lag. Über dem Vorjahresniveau lag demnach auch der Flächenumsatz in den Metropolen Köln, München, Frankfurt und Hannover.

Dabei waren vor allem die kleineren Flächen bis 250 qm gefragt, auf die mehr als die Hälfte (58%) des Vermietungsumsatzes entfiel. Auf die mittlere Kategorie mit 250 bis 500 qm entfielen 19%, vier Prozentpunkte mehr als 2020.

Bleibt die Frage, wie sich in diesem Umfeld das Mietniveau entwickelt hat? „Nach der erwarteten leichten Korrektur zur Jahresmitte haben sich die Spitzenmieten in den Big 10 wieder stabilisiert“ berichtet Helge Scheunemann, Head of Research bei JLL Germany: „Wir gehen davon aus, dass das Preisniveau bis zum Jahresende konstant bleibt.“

Für eine ideal geschnittene Kleinfläche in Münchens Kaufingerstraße beziffert der Immobiliendienstleister die Spitzenmiete mir 340 Euro. Dahinter folgen die Top-Lage Tauentzien in Berlin mit 310 Euro und die Frankfurter Zeil mit 290 Euro je qm und Monat. Für die Königsallee in Düsseldorf ermittelte JLL 275 Euro, für Hamburgs Spitalerstraße 265 Euro und für die Königstraße in Stuttgart 260 Euro. In kleineren Städten dürfte der Druck auf die Mieten dagegen ganz erheblich sein.