Irebs German Debt Project

Nach Abflauen der Pandemie kehrt der Wettbewerbsdruck zurück

Professor Tobias Just. Foto: Irebs

rv DÜSSELDORF. Die Corona-Pandemie hat 2020 in vielen Branchen zu einer Schockstarre geführt – auch in der Immobilienfinanzierung. Zwar zeigte sich in der zweiten Jahreshälfte 2020, dass die Nachfrage nach Immobilien als Kapitalanlage nicht dauerhaft beeinträchtigt wurde, und auch Immobilienfinanzierer den Zugang zu Fremdkapital nur vorübergehend einschränkten, doch kam es zu erheblichen Verschiebungen zwischen den Immobilienanlageklassen, die bis 2021 anhalten. Die Folge ist eine Asymmetrie zwischen den Marktsegmenten und eine Fokussierung auf sichere Objekte.

Detaillierte Informationen zum Markt der gewerblichen Immobilienfinanzierungen in Deutschland liefert vor diesem Hintergrund die Studie German Debt Project der International Real Estate Business School (Irebs), die Anfang Oktober in Frankfurt von Prof. Dr. Tobias Just, FRICS, Inhaber des Lehrstuhls für Immobilienwirtschaft und Geschäftsführer der Irebs Immobilienakademie, mit Unterstützung des Verbands deutscher Pfandbriefbanken (vdp) sowie renommierten Vertretern aus der Immobilienbranche zum neunten Mal präsentiert wurde. Zusammen mit dem Irebs-Forscher Simon Wiersma untersuchte Professor Just die aktuellen Entwicklungen auf den gewerblichen Immobilienfinanzierungsmärkten in Deutschland. Grundlage der Analyse bildeten umfangreiche Auswertungen von Daten und von 21 persönlichen Interviews mit Vertretern der finanzierenden Banken. Die vorgestellten Daten und Analysen fassen die Portfolioinformationen der teilnehmenden Banken und deren Einschätzungen zusammen.

Dabei werden in der Studie die Veränderungen im Finanzierungsneugeschäft sowie in der Bestandsentwicklung analysiert: Welche Assetklassen standen im Fokus? Welche Regionen sind beliebt? Werden weiterhin Projektentwicklungen oder vermehrt Bestandsobjekte finanziert? Wie haben sich Margen und sonstige Finanzierungskonditionen im Laufe der Pandemie entwickelt? Welche Erwartungen hat die Branche an die Zukunft?

Wie Professor Just in seiner Präsentation konstatierte, hat sich der Wettbewerb im Finanzierungsgeschäft seit 2012 intensiviert, eine leichte Verschnaufpause gab es – Corona-bedingt – nur im ersten Halbjahr 2020, als sich einige Banken kurz zurückzogen und das Neugeschäft den größten Einbruch erlebte. Hauptakteure sind derzeit die institutionellen Investoren wie Versicherungen, Pensionsfonds, REITs und Eigenkapitalstarke Investoren. Ausländische Anleger – insbesondere europäische – kehren langsam zurück auf den Markt. Asiaten bleiben wahrscheinlich auf Grund der Reisebeschränkungen noch weg.

Im Laufe des Jahres 2021 erholt sich das Finanzierungsgeschäft laut Studie kontinuierlich und die Kreditbücher füllen sich wieder. Dabei richten die Banken ihren Fokus vermehrt auf die Anlageklassen Wohnen und Logistik, die als die neue Anlageklasse „Büro“ gilt. Allerdings ist das Angebot von passenden Objekten knapp.

Auf dem Markt für Wohnimmobilien scheint der harte Wettbewerb um das Neugeschäft – vor allem durch regionale Banken – laut Just die Geschäftsausweitung zu behindern. Im Bereich Logistikimmobilien zeigen sich einige Banken besorgt über die Preisentwicklung und halten sich mit der Ausweitung ihres Engagements in diesem Segment zurück. Bei der Finanzierung von Büroimmobilien steht vor allem das Core-Segment in den Metropolen im Fokus.

Interesse an Handelsimmobilien ist wieder gestiegen

Interessant ist laut Just, dass sich einige Banken auch wieder für Handelsimmobilien – jenseits der üblichen Verdächtigen wie Lebensmittelmärkte und Fachmarktzentren – interessieren und einige wenige sogar für Hotels. Im Großen und Ganzen war die Zurückhaltung der Banken bei Retail Assets im Corona-Jahr 2020 aber erwartungsgemäß groß. Auf Grund der geringen Investitionsvolumina konnte der favorisierte Logistikimmobiliensektor laut Studie die Ausfälle im Handels- und Hotelgeschäft nicht ausgleichen. Dass sich Eigenkapitalstarke Investoren verstärkt wieder für Büroimmobilien interessieren, liegt auch an den großen Volumina, die sie in diesem Segment investieren können. 

Bei der Frage, ob sie lieber Investments oder Entwicklungsprojekte finanzieren, sprachen sich die Banken vor allem zugunsten der Investments aus. Um allerdings eine zufriedenstellende Marge zu erreichen, sehen sie sich gezwungen, mehr Risiko einzugehen und den Anteil von Entwicklungsprojekten zu vergrößern. Generell ergaben die Befragungen der Banken aber auch, dass sie bei der Vergabe von Krediten für Gewerbeimmobilien 2020 vorsichtiger waren. Mit einem Anteil von durchschnittlich 59% erreichte der Loan to Value (LTV=Kredit zu Immobilienwert) im Vorjahr den niedrigsten Wert. 2010 hatte er noch bei 67% gelegen.

Gemäß dem Zeitgeist wurde in der Studie auch ein Fragenkomplex zur Bedeutung der Nachhaltigkeitsregulierung aufgenommen: Wie passen sich Banken an die Anforderung der EU-Taxonomie an? Welche der drei Nachhaltigkeitssäulen (E, S oder G) dominiert die Anpassungsstrategie? Wird es einen Finanzierungsabschlag für nachhaltige Immobilien geben – oder doch eher einen Zuschlag für nicht nachhaltige? Oder spielt dies vielleicht doch keine Rolle?

„Grüne Assets“ sind künftig die neuen „Core Assets“

Das Gros der Befragten vermutet laut Studie, dass die ESG-Kriterien großen Einfluss vor allem auf Büro- und Wohnimmobilien haben werden, aber in einem deutlich geringeren Ausmaß für alle anderen Anlage-Klassen. Dabei gehen einige der Interviewten davon aus, dass in diesem Kontext der Investoren-Typ eine größere Rolle spielen wird als die Anlage-Klasse selbst. Insgesamt wird laut Studie offenbar erwartet, dass die ESG-Regeln den Konsolidierungsdruck in der Industrie verschärfen werden.

Einig waren sich die Befragten jedoch, dass ESG in den nächsten Jahren von großer Bedeutung sein wird. Allerdings sind auch die Unsicherheiten bei dem Thema noch sehr groß. Dabei sind viele Banken aktuell dabei, ihr Portfolio genau zu untersuchen, wobei die Verfügbarkeit von Daten und die Transparenz ernsthafte Probleme bereiten. Klar ist aber, dass künftig „grüne Assets“ die neuen „Core Assets“ sind. Das Motto lautet deshalb: Versuch so viel grüne Immobilien in Dein Portfolio zu bekommen, wie nur möglich.

Bleibt der Blick auf die Zinserwartungen der Befragten aus dem Bankensektor. Waren laut Irebs-Studie im vergangenen Jahr einige der Interviewten der Meinung, dass die Zinsen nie mehr substanziell steigen werden, erwartet derzeit auch nur eine Minderheit, dass sich die Zinsen in den nächsten drei Jahren signifikant ändern werden.