Nachhaltigkeit bei Fachmarktimmobilien

Mieter und Vermieter in einer neuen Allianz

Noch mehr Nachhaltigkeit bei Rewe in Erbenheim. Foto: Rewe

Fachmarktimmobilien mit Schwerpunkt Lebensmittel sind bei Investoren sehr gefragt. Diese wachsende Popularität stellt die Anlageklasse, aber auch ihre Vermieter und Mieter, in punkto Nachhaltigkeit vor neue Herausforderungen.

Der Lebensmittelhandel hat seit der Finanzmarktkrise 2008/09 einen guten Lauf. Nachdem die Goldgräberstimmung in den Immobilienmärkten und die Hatz nach dem schnellen Geld in einem weltweiten Crash endete und das Finanzsystem auf der Kippe stand, war die Rückbesinnung auf das Solide, Altmodische schlagartig „in“: genossenschaftlich strukturierte oder Familien-geführte Lebensmittel-Konzerne und  die Erkenntnis, dass Lebensmittel unverzichtbar sind und gutes Essen auch einen gewissen Luxus bietet.

Dies ist das Fundament für den Boom, den Fachmarktimmobilien mit Schwerpunkt Lebensmittel – trotz Corona-bedingter Krise im Einzelhandel – erleben. Und sie ist das Fundament für den deutschen Lebensmittelhandel, sich nach vielen Lebensmittelskandalen, die Folge einer zu strikten Fokussierung auf niedrige Preise waren, beim Warenangebot vermehrt um Qualität zu bemühen, genauso wie beim Ambiente der Filialen und beim Anspruch an die eigene Unternehmenskultur, wenn es um Produktionsprozesse, Regionalität und Tierwohl geht.

Damit ist das Thema Nachhaltigkeit angesichts der Naturkatastrophen, die Folge des Klimawandels sind, ein Aspekt, der die logische Folge der strategischen Neuausrichtung im deutschen Lebensmittelhandel ist. Zumal der hohe Energieverbrauch durch Kühlschränke, Kühltruhen und Beleuchtung sowie Heizung im Winter und Kühlung im Sommer einen hohen Anreiz bietet, die Gebäude energieeffizient zu gestalten.

Die Kölner Rewe Group legte bereits 2009 mit ihrem ersten „Green Building“ (Foto: GRR) den Grundstein für ein energieeffizientes Filialnetz. „Mit dem Green Building-Konzept hat der Händler schon vor Jahren einen neuen Standard für Nachhaltigkeit im Basic Retail Segment gesetzt“, schreibt der Investment- und Asset-Manager GRR Group aus Nürnberg in seinem ersten Basic Retail Report 2021, der sich dem Thema Nachhaltigkeit und der Orientierung an ESG-Kriterien (Environment, Social, Governance) bei Fachmarktimmobilien mit Schwerpunkt Lebensmittel widmet.

 „Ein großer Fortschritt, der entscheidend zum positiven Trend bei der Umsetzungsanzahl von Green Building-Baustandards beigetragen hat, betrifft den Kostenfaktor“, wie Stephan Koof, Geschäftsführeraller Immobilien-Gesellschaften der Rewe Group in Deutschland berichtet: „Unser Baustandard wurde in der Vergangenheit als relativ kostspielig wahrgenommen und viele haben die Vorteile nicht gesehen. Dadurch haben wir unseren Green Building-Baustandard zu Beginn meist in Eigenregie umgesetzt.“ Ansonsten tritt Rewe meist als Mieter auf. Neben der Überzeugungsarbeit, die der Lebensmittelhändler für die Green Buildings bei externen Entwicklern und Investoren gleistet hat, ist es dem Unternehmen inzwischen auch gelungen, durch die Weiterentwicklung des Konzepts die Baukosten zu senken. Sie sind laut Koof nicht mehr höher als bei konventionellen Gebäuden. Bis heute gibt es 200 Green Buildings. Es gibt aber immer noch Marktteilnehmer, die den vermeintlichen Mehraufwand für energieeffiziente Märkte scheuen.

Rewe war seiner Zeit um etwa 10 Jahre voraus

Mit diesem Schritt war Rewe dem Markt etwa zehn Jahre voraus. Denn erst jetzt, nachdem die Anlageklasse „Nahversorger“ aus der Nische für Spezialisten herausgetreten ist und immer mehr große Kapitalsammelstellen Interesse an ihr finden, rücken das Thema Nachhaltigkeit und die Berücksichtigung der ESG-Kriterien laut Karsten Nemecek, Managing Director bei der Savills Immobilien Beratungs GmbH, hier zunehmend in den Fokus. Dadurch findet auch Rewe zunehmend Partner, die bei diesem Thema aufgeschlossen sind. Zumal auch die EU-Kommission mit ihrem „Green Deal“ Druck in punkto Klimaneutrale Gebäude macht.

Doch dass Investoren beim Bau energieeffizienter Lebensmittelmärkte bislang eher zurückhaltend waren, liegt in der Natur der Sache. Denn die Kostenvorteile durch Energieeinsparungen liegen zunächst einmal beim Mieter, wie Koof einräumt. So sei Rewe bei Bestandsgebäuden auf die Bereitschaft des Vermieters angewiesen, in die Klimaneutralität des Objekts zu investieren, obwohl der wirtschaftliche Vorteil – vordergründig betrachtet – beim Mieter liegt. Aus Sicht vieler Investoren wurden Green Buildings laut Andreas Dittmar, Leiter des Asset Managements bei der GRR Group deshalb als Kostentreiber betrachtet.

Höhere Preise für zertifizierte Objekte

Aber das ändert sich nun, wie Dittmar weiß: Gab es bis vor wenigen Jahren keinen Preisunterschied bei zertifizierten Objekten, da nur wirtschaftliche Daten wie Laufzeit, Fläche und Mietvolumen zählten, so wird dieses Denken nun „durch die EU-Regulatorik aufgeweicht“, so dass sich die Marktteilnehmer stärker damit befassen müssen. Und mehr noch: Laut Studie steht fest, dass „Immobilien zukünftig einen Wertverlust erleiden, wenn sie ESG-Kriterien nicht erfüllen“. Aus Mietersicht ist es laut Koof wichtig, wenn er mit dem Vermieter wie mit der GRR, die dem Thema großes Gewicht beimisst, partnerschaftlich verbunden ist, so dass man bei solchen Projekten nur noch prüfen müsse, wie es wirtschaftlich umgesetzt werden könne.

Während die Zahl neuer klimaneutraler Märkte steigt, ist die Anwendung der Green-Building-Standards im Bestand nur begrenzt möglich, wie Koof erläutert: „Durch die Gebäudehülle sind bei Bestandsobjekten architektonische Grenzen gesetzt. Je nach Gebäudekonstruktion können aber einzelne Elemente wie die Tageslichtarchitektur integriert werden.“ Auch die Technik des Green Building-Standards könne im Bestand eingebaut werden. So könne beispielsweise auch hier mit der Wärmerückgewinnung der Kälteanlagen gearbeitet werden.

Mit Blick auf den Mehraufwand durch die Dokumentationsverpflichtung, den viele Entwickler und Investoren scheuen, klärt Koof auf, dass Rewe und Penny ein DGNB-Masterzertifikat für die Baubeschreibung haben, und wenn danach gebaut werde, dann sei auch die Dokumentation kein großer Aufwand mehr.

Mit der Implementierung der Green Buildings im Markt sieht sich die Rewe aber noch nicht am Ende ihrer Nachhaltigkeitsstrategie und ihrer Innovationskraft. Mit dem neuen Green-Building-Konzept in Wiesbaden-Erbenheim, bei dem in Holzstapelbauweise etwa 1 100 Kubikmeter Holz verbaut wurden, was laut Koof zu einer CO2-Speicherung von mehr als 1 000 t führt, wurde laut Rewe alles „radikal neu gedacht“. So wird der Markt durch einen Urban-Farming-Betrieb auf dem Dach ergänzt, ein Aquaponik-System, bei dem der Partner ECF Farmsystems jährlich 20 000 Fische züchtet und mit deren Ausscheidungen die 800 000 Basilikumpflanzen im Gewächshaus auf dem Dach düngt. Dadurch können alle Rewe-Märkte der Region mit frischem Fisch und Basilikum versorgt werden, ohne Plastikverpackungen.

Der am 27. Mai in der Berliner Straße 277 eröffnete Markt ist nach Angaben des Unternehmens der „europaweit erste Supermarkt mit einer ressourcenschonenden Lebensmittelproduktion auf dem Dach“. Der 1 500 qm große Supermarkt mit ausgefallener Architektur bietet viel Tageslicht durch die verglasten Ost- und Westfassaden und das Atrium. Weitere Eigenschaften sind eine intelligente Kühl- und Wärmetechnik, 100% Grünstrom und die Verwendung von Regenwasser für die Dachfarm, für Sanitäranlagen und die Reinigung des Marktes.

Wert wurde auch auf die nachhaltige Anlage der Außenflächen gelegt. So wurde beim Parkplatzlayout weniger Flächen versiegelt, ein versickerungsfähiger Untergrund geschaffen und Lebensraum für Insekten durch zusätzliche Grünflächen und Blumenwiesen. Das Sortiment konzentriert sich ganz auf Frische, viele regionale Angebote und Bio-Produkte. Um die Marktplatzatmosphäre zu verstärken, können lokale Anbieter vor dem Markt ihre Produkte in ihren eigenen Ständen anbieten.