HIR DÜSSELDORF. Die Insolvenz der Signa Gruppe hinterlässt auch in der Hansestadt Hamburg deutliche Spuren und das Westfield Hamburg-Überseequartier in der Hafen City dürfte den Vermietungsmarkt der Stadt künftig stark belasten, wie es im Städtereport „Insight Hamburg“ von Comfort in Kooperation mit der CIMA Beratung + Management GmbH heißt.
Im vergangenen Jahr war die Signa Gruppe in der Hansestadt noch als Käufer aufgetreten und hatte am Jungfernstieg noch das Gelände um die Gänsemarktpassage arrondiert und damit ihren beträchtlichen Grundbesitz in der Innenstadt weiter erhöht. Zu den Objekten der Gruppe gehören das Karstadt-Warenhaus, das Thalia-Haus, die HCOB-Zentrale, das Alsterhaus, die Alster-Arkaden, das Kaufmannshaus, die Flüggerhöfe und die Gänsemarktpassage. Wie Comfort und die Cima Beratung + Management in ihrem Insight Hamburg berichten, hat der Insolvenzverwalter seit März die Vermarktung für einige Signa-Immobilien gestartet.
Konkret benennen sie den Rohbau des Landmark-Projekts Elbtower für den ein Käufer gesucht wird und in der Hamburger Innenstadt das Alsterhaus, an dem zweifellos der Miteigentümer der KaDeWe Group, die Central Group, interessiert ist, das Karstadt-Haus in der Mönckebergstraße, das für die neuen Galeria-Eigentümer, das Konsortium NRDC Equity Partners und das Family Office BB Kapital SA von Bernd Beetz, von Interesse sein dürfte, die HCOB-Zentrale am Gerhart-Hauptmann-Platz und das Grundstück der ehemaligen Gänsemarktpassage. „Die Objekte sind breit gefächert, vom unbebauten Grundstück über den teilweise fertiggestellten Rohbau bis hin zum vermieteten Bestandsgebäude und dürften einen unterschiedlichen Investorenkreis ansprechen“, konstatiert Sascha Tepper, Director Investment bei der Comfort Berlin GmbH.
Aus Sicht des ausgewiesenen Kenners des Hamburger Immobilienmarkts ergeben sich im Verkaufsfalle und nach Fertigstellung einiger Projekte wiederum interessante Anmietungsmöglichkeiten für Einzelhändler. Das grundsätzliche Interesse am Standort Hamburger City haben die Investoren und Einzelhändler aus seiner Sicht mit den Ankäufen und Anmietungen des Vorjahres schon deutlich gemacht. „Daher ist durch den geplanten Verkauf dieser hochinteressanten City-Immobilien ein spannendes Immobilienjahr für Hamburg zu erwarten“, ist Sascha Tepper überzeugt.
Allerdings haben sich die Kaufpreise für Handelsimmobilien nach Beobachtung von Björn Gottschling, geschäftsführender Gesellschafter und Investmentexperte der Comfort Berlin GmbH, generell „signifikant nach unten bewegt“, nachdem die Kaufpreisfaktoren für innerstädtische Geschäftshäuser nach 2011 im Zuge der zinsinduzierten Immobilienhausse deutlich gestiegen und in den Metropolen bis etwa 2021 noch weitgehend stabil waren. Seither stehen sie stark unter Druck, was zuletzt an den gestiegenen Renditen abzulesen war.
Kaufpreise in den Top-Lagen gesunken
Auch in der Hansestadt sind in den Top-Lagen die Kaufpreise vor diesem Hintergrund – gemessen an den historischen Höchstpreisen – gesunken, wie Tepper berichtet. Bei Luxuslagen wie dem Neuen Wall könnten für herausragende Objekte mit nachhaltigem Mietniveau noch immer Faktoren von rund dem 30-fachen der Jahresmiete erzielt werden. Und auch Objekte am Jungfernstieg und in der Spitalerstraße bleiben gefragt – ebenso wie die Mönckebergstraße, Poststraße, Große und Hohe Bleichen oder die Gerhofstraße aus Investorensicht weiter interessant bleiben werden.
Anders sieht es laut Tepper bei Investments aus, die hinsichtlich Struktur, Volumen und Mieterbesatz ein eher „nüchternes Anlageobjekt“ darstellen, aber einen institutionellen Investorenkreis ansprechen, der gestiegene Renditeerwartungen der Anleger bedienen muss und hohe Anforderungen an Bauqualität und ESG-Konformität stellt, dann seien deutliche Preisabschläge unvermeidlich. Beispiele dafür waren der Kauf von zwei zentral gelegenen Büro- und Geschäftshäusern in Handelsnebenlagen, die Fuhlentwiete 10 von Ofi Invest und Am Dornbusch 2 - 4 von Montano Real Estate, die mit dem 22- bzw. dem 19-fachen deutlich unter früheren Top-Faktoren gehandelt wurden.
Der Hamburger Vermietungsmarkt für Retail Assets hat nach dem drastischen Einbruch der Mieternachfrage im Zuge der Corona-Krise, der den Nonfood-Einzelhandel einer außerordentlichen Belastungsprobe unterzogen hat, seit Mitte 2021 wieder deutlich Fahrt aufgenommen, wie Jan Wetzel, Prokurist und Vermietungsexperte der Comfort Berlin GmbH zu berichten weiß. Denn die Mieter hätten wieder ein deutlich höheres Vertrauen in die Stabilität des Marktes und in die Möglichkeiten ihres Geschäfts gewonnen.
So expandieren wieder deutlich mehr Einzelhändler und Gastronomen oder optimieren ihre Standorte, was angesichts der niedrigeren Mieten jetzt günstig ist. Aber auch die Eigentümer erkennen laut Wetzel zunehmend die neue Realität auf dem Vermietungsmarkt: „Die Mieten werden nicht mehr ohne weiteres auf das Vor-Corona-Niveau zurückkehren“, stellt er nüchtern fest. Vor diesem Hintergrund war eine wachsende Zahl von Abschlüssen und auch eine klare Stabilisierung der Mieten festzustellen. Dies wurde laut Insight Hamburg auch durch eine Renaissance der Modeanbieter ermöglicht, die wieder für das Gros der innerstädtischen Vermietungen verantwortlich zeichnen.
Herausforderungen durch das Überseequartier
Eine spezifische Herausforderung für den Hamburger Vermietungsmarkt ist für Jan Wetzel die Eröffnung des größten Hamburger Shopping-Centers, des Westfield Hamburg-Überseequartiers, die nun Ende August erfolgen soll. Ausgehend von einer auch für eine Metropole wie Hamburg außerordentlichen Größe von rund 68 000 qm Verkaufsfläche für Einzelhandel und von etwa 11 000 qm für Gastronomie „wird dies den Vermietungsmarkt sowohl in der City Ost mit der Spitalerstraße und der Mönckebergstraße als auch in der City West zweifelsohne belasten“, ist Wetzel überzeugt.
Vor diesem Hintergrund ist zu hoffen, dass die zuletzt beobachtete Belebung des Tourismus in der Hansestadt zusätzliche Kaufkraft und Impulse für den Einzelhandel bringt. Laut Stadtreport ist die Zahl der Touristen 2023 um knapp 10% gestiegen. Für Hamburg als Touristendestination spricht neben der Elbphilharmonie, die die Metropole in die Riege der Welt-Städte für Musicals wie New York und London aufsteigen ließ, auch ihre Lage an Elbe und Alster sowie viele Freizeit und Erlebnisangebote. Mehr als 4 Mio. Besucher locken die Konzerte in der Elbphilharmonie jährlich in die Stadt. Hinzu kommen die etwa 280 Kreuzfahrer-Anläufe, die 2023 über 1 Mio. Passagiere in die Stadt brachten und die „Cruise Days“, die alle zwei Jahre im September stattfinden.
Zudem profitiert Hamburg neben der Kaufkraft seiner Bürger vom Kaufkraftzufluss aus dem weiteren Einzugsgebiet in Schleswig-Holstein und Niedersachsen, wie der Blick auf die überdurchschnittliche Zentralitätskennziffer von 111,6 (MB Research) zeigt. In absoluten Zahlen bedeutet dies, dass das Einzugsgebiet laut Olaf Petersen, Einzelhandelsimmobilienexperte der CIMA, etwa 3,6 Mio. Konsumenten umfasst.
Der Hamburger Einzelhandel belegte 2022 eine Verkaufsfläche von knapp 2,7 Mio. qm mit einem Gesamtumsatz von etwa 13,4 Mrd. Euro (MB Research). Dabei ist die Innenstadt laut Insight Hamburg mit Abstand der wichtigste Einzelhandelsstandort in der Metropolregion. Innerhalb des historischen Wallrings und nördlich der Ost-West-Straße wird auf einer Verkaufsfläche von rd. 323 000 qm ein Einzelhandelsumsatz von jährlich fast 1,8 Mrd. Euro erzielt.