Dialogprojekt „Handel 2030“

Massive Unterstützung für Stadt und Handel

Teilnehmer des Dialogprojekts. Foto: Wirtschaftsministerium Baden-Württemberg

Dass sich der Einzelhandel - und damit auch die Innenstädte - in einem grundlegenden Wandel befinden, der vor allem die Attraktivität der Klein- und Mittelstädte beeinträchtigt, rückt zunehmend ins Bewusstsein der Politiker. Zumal der Handel etwa in Baden-Württemberg mit knapp 46 000 Unternehmen und über 300 000 sozialversicherungspflichtig Beschäftigten zu den wichtigsten Arbeitgebern gehört. Deshalb hatte das Wirtschafsministerium des Bundeslandes gemeinsam mit Akteuren aus der Branche das Dialogprojekt „Handel 2030“ ins Leben gerufen.

Das konkrete Ziel des im Juli 2018 gestarteten Dialogprojekts: Die zentralen Zukunftsfragen des Einzelhandels in den Kommunen zu untersuchen, zu erörtern und aus Handlungsempfehlungen die entsprechenden Maßnahmen zu erarbeiten, um die Wettbewerbsfähigkeit der Branche auf Landesebene zu erhalten und zu stärken. Dabei hatte die Münchener BBE Handelsberatung die Begleitung des Projekts übernommen und die sechs regionalen, themenbezogenen Workshops konzipiert und moderiert.

Ins Leben gerufen wurde das Dialogprojekt „Handel 2030“ von der Landespolitik zusammen mit den relevanten Stakeholdern wie dem Handelsverband Baden-Württemberg (HBW), dem Baden-Württembergischen IHK-Tag, dem Verband der Mittel- und Großbetriebe des Einzelhandels Süd (VMG), den kommunalen Spitzenverbänden, der Gewerkschaft Verdi und dem Baden-Württembergischen Genossenschaftsverband (BWGV). Der Abschlussbericht des Projekts wurde Mitte September der Öffentlichkeit präsentiert.

Nach den Worten von Wirtschaftsstaatssekretärin Katrin Schütz bei Vorstellung des Abschlussberichts gibt er insgesamt 129 Handlungsempfehlungen zu den derzeit drängenden Problemen „Digitalisierung, Fachkräftesicherung und Qualifizierung, Zukunft der Innenstädte, Nahversorgung, rechtliche Rahmenbedingungen sowie Bau- und Raumordnungsrecht“. Adressaten der Empfehlungen sind Bund, Land, natürlich die Kommunen, Wirtschaftsorganisationen und der Einzelhandel selbst.

Konkret geht es darum, Wege aufzuzeigen, „wie die Lage des Einzelhandels in Baden-Württemberg verbessert werden kann“, so Schütz. Vor allem gehe es darum, die Einzelhändler bei der „digitalen Transformation zu unterstützen“. Die Ergebnisse dürften freilich auch für andere Bundesländer von Interesse sein. Das Wirtschaftsministerium von Baden-Württemberg ist inzwischen schon einen Schritt weiter und arbeitet zusammen mit Partnern an der Umsetzung einiger der aus dem Projekt hervorgegangenen Maßnahmenpakete. Dazu werden drei interessante Beispiele genannt:

- So etwa die Einführung einer „Digitalstrategie Handel 2030“ – also ein „bezuschusstes Beratungs-, Coaching- und Qualifizierungsangebot, das Händler bei der Status Quo-Analyse, der strategischen Ausrichtung, der Personalplanung, der Personalentwicklung und der Umsetzung betrieblicher Maßnahmen unterstützt“, wie das Ministerium schreibt: „Die Strategie zielt zudem auf die Einführung von Digitalbotschaftern in den Einzelhandelsunternehmen ab.“

- Des Weiteren gehört dazu die „Förderung von regionalen Innenstadt- und Handelsberatern, um die Kommunen dabei zu unterstützen, die Attraktivität ihrer Innenstädte als Handelsstandorte zu erhalten“, wie es im Bericht heißt: „Kommunen mit bis zu 50 000 Einwohnern soll damit geholfen werden, ihre Innenstädte und Quartiere zu stärken und an die Erfordernisse des digitalen Zeitalters anzupassen, also beispielsweise die digitale Sichtbarkeit zu erleichtern.“

In diesem Kontext schlägt Professor Peter Jany, Hauptgeschäftsführer der für Handelsfragen im Baden-Württembergischen Industrie- und Handelskammertag zuständigen IHK Bodensee-Oberschwaben vor, Innenstadtberater, vor allem in Klein- und Mittelstädten, die über keinen Wirtschaftsförderer und kein Citymanagement verfügen, zu implementieren, um auf das veränderte Verbraucherverhalten adäquat zu reagieren. Denn der Einzelhandel spiele nun mal eine zentrale Rolle, „wenn es um die Vitalität und Attraktivität einer Innenstadt geht“ Hier ergänzt auch Gerhard Berger,Geschäftsführer des Verbands der Mittel- und Großbetriebe des Einzelhandels Süd: „Leidet der innenstädtische Einzelhandel, leidet mit ihm die ganze Stadt.“

- Als drittes Beispiel nennt das Wirtschaftsministerium die Schaffung einer Nahversorgungsinitiative, „mit der dem Rückzug des Einzelhandels insbesondere aus kleinen Orten im ländlichen Raum entgegengewirkt werden soll“. Denn von den neuen kleinteiligen Ladenkonzepten der großen Lebensmitteleinzelhändler wie City-Konzepten, die sich im Zuge der veränderten sozio-demographische Strukturen und Nachfragestrukturen in den vergangenen Jahren zur Sicherung der Nahversorgung etabliert haben, profitieren die kleinen Orte bislang nicht.

„Zur Unterstützung der Händler sollen Best-Practice-Konzepte zur Sicherung der Nahversorgung auf einem Fachkongress und einer Reihe von Informationsveranstaltungen kommuniziert werden“, heißt es vor diesem Hintergrund im Bericht. Vorstellbar für die Gewährleistung einer bedarfsgerechten und nachfragedeckenden Nahversorgung wäre im ländlichen Raum demnach auch die Schaffung von intelligenten Mobilitäts- und Logistiklösungen sowie Plattformen, die von der Gemeinschaft bzw. der öffentlichen Hand geschaffen werden.

In der Diskussionsrunde nach Vorstellung des Abschlussberichts kamen die Teilnehmer zu dem Ergebnis, dass das Projekt „Handel 2030“ ein guter Anfang sei, um die Attraktivität der Innenstädte von Baden-Württemberg zu bewahren, doch sei es entscheidend, die 129 Handlungsempfehlungen so schnell wie möglich umzusetzen,. Denn die Folgen des Wandels sind vielerorts schon deutlich sichtbar.