Einzelhandelskonjunktur

Lockerungen bringen im Juni Umsatzsprung

Im Sommer haben sich die Straßen wieder belebt. Foto: Comfort

Nachdem die Infektionszahlen in Deutschland mit Beginn des Sommers deutlich zurückgegangen sind und auf breiter Front gelockert wurde, ist in den besonders stark betroffenen Einzelhandelsbranchen die Hoffnung groß, dass die drastischen Umsatzeinbrüche wieder aufgeholt werden können. Voraussetzung ist, dass es im Herbst nicht erneut zu Zwangsschließungen kommt. Die Umsatzentwicklung im Juni gibt vorerst Hoffnung.

Nach den vorläufigen Zahlen des Statistischen Bundesamtes lag der Einzelhandelsumsatz im Juni immerhin um 8,2% über dem Vorjahresniveau und um 8,7% höher als im Mai 2021. Interessant ist im Kontext der Zwangsschließungen im Nonfood-Handel bis in den Mai hinein die Frage, wie stark diese Branchen bereits von den umfangreichen Lockerungen im Juni profitiert haben? Die Antwort lautet eindeutig „ja“, denn der Nonfood-Handel insgesamt erzielte allein im Juni ein Umsatzplus von nominal 11% (real 9%) gegenüber Juni 2020, so dass für das gesamte erste Halbjahr 2021 nun ein Umsatzwachstum von 3,2% (real +2,0%) zu Buche steht.

Zum Vergleich: Im Mai 2021 lag der Umsatzrückgang im Nonfood-Handel noch bei durchschnittlich -2,2% (real -0,8%) und für die ersten fünf Monate summierte sich das Umsatzwachstum nominal nur auf 1,2% (real +0,2%). Ein deutliches Ungleichgewicht lässt auch der Vergleich der Zahlen für den Internet- und Versandhandel mit einem Plus von gut 27% bis Ende Mai einerseits und dem stationären Einzelhandel mit nominal -2,3% (real -4,1%) andererseits erkennen. Das zeigt, wie sich die Gewichte während des Shutdowns zugunsten des Distanzhandels verlagert haben.

Der Blick auf die Zahlen für den Juni zeigt auch in den einzelnen Branchen eine spürbare Belebung im stationären Geschäft und einen Rückgang beim Internet- und Versandhandel. Verzeichnete der Einzelhandel mit Textilien, Bekleidung, Schuhen und Lederwaren im Mai – gemessen am Vorjahresmonat – einen Umsatzrückgang von nominal 37,6% und auch aufgelaufen in den ersten fünf Monaten ein Minus von gut 37%, so erreichte die Branche im Juni ein deutliches Umsatzwachstum von nominal 19,5% gegenüber Juni 2020, sodass sich der Umsatzverlust im ersten Halbjahr 2021 auf nominal 26,2% verminderte.

Noch drastischer ist der Vergleich mit dem Vormonat, wie das Statistische Bundesamt darlegt. „Der besonders von den Geschäftsschließungen durch die Bundes-Notbremse betroffene Handel mit Textilien, Bekleidung, Schuhen und Lederwaren verzeichnete ein Umsatzplus von 70,5% gegenüber Mai 2021 und liegt damit erstmals wieder über dem Vorkrisenniveau vom Februar 2020 (+ 4,8%)“, schreiben die Forscher.

Auch die Kauf- und Warenhäuser, die im Mai noch ein Umsatzminus von 16,0% verbuchten und die bis Ende Mai um 16,4% unter dem Vorjahresniveau lagen, verzeichneten im Juni – gegenüber dem Vorjahresmonat – ein Plus von nominal 7,6%. Dadurch verbesserte sich das aufgelaufene Umsatzminus im ersten Halbjahr 2021 auf -12,3%. Gegenüber Mai dieses Jahres stieg der Umsatz laut Statistischem Bundesamt sogar um 34,3% und liege um 7,6% über dem Vorkrisenniveau.

Der Bekleidungshandel blickt optimistisch ins zweite Halbjahr

Diese deutliche Umsatzbelebung im Juni erklärt, warum gerade der Bekleidungseinzelhandel trotz des zu Jahresbeginn ausgesprochen schwachen Geschäfts – 78% der Befragten lagen hier gemäß einer Umfrage des Handelsverbands HDE noch unter dem schwachen Jahr 2020 – im Vergleich zu anderen Branchen besonders optimistisch auf das zweite Halbjahr blickt. Mit 49% ist hier der Anteil der Befragten, der mit steigenden Erlösen rechnet, besonders hoch.

Auch der Einzelhandel mit Einrichtungsgegenständen, Haushaltsgeräten und Baubedarf konnte nach den Lockerungen aufatmen und im Juni ein Umsatzwachstum von nominal 3,5% (real: 2,3%) erzielen, sodass sich das aufgelaufenen Umsatzminus in den ersten sechs Monaten 2021 im Jahresvergleich auf nominal -10,8% verminderte. Nach den ersten fünf Monaten hatte das Minus noch bei nominal -14,1% gelegen. Gemessen am Vormonat Mai lag der Umsatz nach Berechnung der Statistiker im Juni um 18,1% höher und um 9,7% höher als im Februar 2020.

Spiegelverkehrt zu dieser Entwicklung in den einzelnen Branchen des Nonfood-Handels verlief die Umsatzentwicklung im Internet- und Versandhandel, der nach den vorläufigen Zahlen des Statistischen Bundesamtes in den ersten fünf Monaten 2021 ein Umsatzwachstum von nominal 27,4% erzielte. Nach den ersten sechs Monaten sank der Wert leicht auf nominal 26,6%. Allein im Juni lag das Umsatzplus bei 18,6%. Allerdings hatte die Branche mit einem Umsatzplus von nur 13,4% auch im Mai bereits Schwächen gezeigt.

Insbesondere während der harten Shutdown-Monate Januar, Februar und März hatte der Internet- und Versandhandel bei den Bundesbürgern stark gepunktet. So lag das Umsatzplus der Branche im Januar bei 32,6%, im Februar bei 35,2% und erreichte im März mit 42,9% den diesjährigen Rekordwert. Gegenüber dem Vormonat Mai verzeichnete der Internet- und Versandhandel laut Statistischem Bundesamt im Juni „ein reales, kalender- und saisonbereinigtes Umsatzminus von 7,5%“, liege mit 38,4% aber noch deutlich über dem Niveau vom Februar 2020.

Ob das deutliche Wachstum im stationären Einzelhandel mit den Lockerungen im Juni und der Rückgang im Online-Handel schon ein Hinweis darauf sind, dass der stationäre Handel gegenüber der Internet-Konkurrenz Boden gutmachen kann, werden die nächsten Monate zeigen. Vieles wird aber davon abhängen, wie sich die Impfquote und die Infektionszahlen in den nächsten Monaten entwickeln und ob Deutschland ohne erneuten Shutdown durch den Herbst und Winter kommt.