Stores oft he Year: Der Gewinner Einrichten Schweigert:

Lifestyle-Welten für den hybriden Kunden

Alles ist aufeinander abgestimmt. Foto: Schweigert

Das familiengeführte Möbelhaus in Maulburg im Schwarzwald richtet sich auf das veränderte Kaufverhalten der Kunden ein und baut im großen Stil um. Schweigert will damit weiter beweisen: Auch ein Mittelständler mit einer vergleichsweise großen Fläche kann für hohe Qualität stehen bei Ladenbau, Sortiment und Service.

Ein Händler, der wissen will, was seine Kunden wollen, muss diese erst einmal kennen. Also hat der Einzelhändler Einrichten Schweigert vor einiger Zeit eine umfangreiche Analyse über die Vorlieben und Typen seiner Konsumenten erstellt. Wie leben sie? Wie richten sie sich ein? WelcherGeschmäcker haben Sie? Die, teilweise nicht so neuen, Erkenntnisse sind etwa: Der RoPo-Effekt schlägt immer mehr durch, also Resarch online, Purchase offline – im Internet recherchieren, im Geschäft kaufen. Jeder Kunde hat stets wechselnde Bedürfnisse, diese sind mal teuer, mal preisgünstig. Und hier müssen Händler Lösungen bieten. „Der Kunde ist heute hybrid, er kauft nicht mehr nur in einem Preissegment ein. So, wie er sich vielleicht sein besonderes Bauernbrot auf dem Wochenmarkt kauft, geht er auch zu Lidl“, beschreibt Jacqueline Schweigert den Trend dieser Zeit.

Und anhand dieser Erkenntnisse wurde vor etwas mehr als zwei Jahren damit begonnen, einen Großteil der Innenarchitektur des Möbelhauses neu zu gestalten. 30 000 qm groß ist die Verkaufsfläche bei Schweigert, 11 400 qm wurden komplett umgebaut. „Wir haben vier Lifestyle-Welten geschaffen“, sagt Jacqueline Schweigert, die mit ihren Brüdern Alf, Thilo und RenéSchweigert das im Jahr 1971 von den Eltern Juliane und Alfons gegründete Einrichtungshaus in Maulburg im Schwarzwald führt.

Der Kunde kann heute wandern zwischen den Welten „Modern“, „Natürlich“, „Elegant“ und „Extravagant“. „Modern“ bietet beispielsweise Formenvielfalt und Mut zur Farbe und soll die Kunden ansprechen, die so etwas mögen, die beispielsweise bunte, auffällige Brillen mögen. Der Bereich „Natürlich“ bietet viele Naturmaterialien wie Leinen. Die Fußböden sind aus Weißtanne, dem Baum des Schwarzwalds.

Die verschiedenen Lifestyle-Welten sollen Orientierung geben und Inspiration bieten. Die neuen Wohnbeispiele sind so gestaltet, dass der Kunde das Gefühl hat, sofort einziehen zu können. „Das ist hochwertiger Innenausbau, mit dem wir unsere Fähigkeit des Einrichtens vermitteln. Der Kunde sieht, wie alles passend aufeinander abgestimmt ist“, so Jacqueline Schweigert.

Ihr Haus im Dreiländereck Deutschland-Schweiz-Frankreich stand bisher für hochwertige Möbel. Doch nun soll – auch das ist ein wichtiges Ergebnis der Befragung – der preisbewusste Möbelkäufer ebenfalls erreicht werden. Dafür wurde im November 2021 mit dem InPuncto Store auf 4 100 qm eine neue Einrichtungswelt eröffnet, wofür Schweigert vom Handelsverband Deutschland (HDE) im vergangenen Mai in der Kategorie „Living“ mit der Auszeichnung Store of the year prämiert wurde.

Dass preiswert nicht gleich „Trading down“ heißen muss, soll diese neue Einkaufswelt beweisen, die ebenfalls in die besagten vier Welten unterteilt ist, „aber hier ist alles großzügig, trendig und leger aufgebaut“, beschreibt Jacqueline Schweigert das Konzept. Die vier Welten sind jeweils in Kuben unterteilt, die Gestaltung erinnert an eine Möbelmesse.

Der Charme einer alten Industriearchitektur

Das Besondere an InPuncto ist allerdings der Charme einer alten Industriearchitektur, denn entstanden ist das Konzept in einer 100 Jahre alten ehemaligen Weberei. Dieses Gebäude, direkt neben dem Haupthaus, war über die Jahre eingestaubt und wurde ursprünglich als Lagerraum genutzt, dann Stück für Stück renoviert – aber so, wie es vor Jahrzehnten halt üblich war: „Der Industrielook wurde ignoriert, die Raumhöhe auf 2,50 m verkleidet“, erzählt Schweigert.

Um den echten und damit zeitgemäßen Zustand wieder herzustellen, waren viel Zeitaufwand und Handarbeit notwendig. Das Gebäude wurde komplett entkernt und der original Gussasphaltboden wieder frei gelegt, genauso wie die alten gusseisernen Stützen, um den Industrielook der lichtdurchfluteten Halle mit 5,70 m Deckenhöhe und Glasdächern zu betonen.

Und um die typische Schweigert-Handschrift hervorzuheben, wurde der Store in Eigenregie umgestaltet. Das Einrichtungshaus beschäftigt sieben Innenarchitektinnen und -architekten, eine davon ist die Chefin selbst. Hinzu kommen eigene Maler, Schreiner, Elektriker, Raumausstatter, eine Dekorateurin und ein Nähatelier. Um die Außengestaltung kümmert sich ein Gärtner.

Insgesamt sind in diesem Möbelhaus etwas mehr als 200 Mitarbeiter beschäftigt, die laut Schweigert alle dasselbe Ziel haben: dem hohen Dienstleistungsanspruch gerecht zu werden. Das gilt beispielsweise auch für das eigene Bistro, in dem hochwertig gekocht und gebacken wird, ohne Konservierungsstoffe, nur mit Zutaten aus der Schwarzwaldregion, um die Regionalität zu betonen.

30 000 qm sind für ein mittelständisches Möbelhaus viel, „und bei einem Haus dieser Größe erwartet der Kunde Mainstream“, sagt Jacqueline Schweigert: „Dass man dennoch mit einer Fläche von 30 000 qm groß und schön sein kann, erstaunt viele.“ Hier ist hilfreich, dass ihre Brüder Alf und René seit gut vierzig Jahren als Trendscouts agieren und beste Netzwerke in die Herstellerszene pflegen. Beide sind im Jahr auf etwa zwanzig Messen mit dem Thema Einrichten. Schweigert hat über die Jahre eine konsistente Markenstrategie aufgebaut, in der Preiskategorien wie „Cool & Günstig“ bis „Premium“ miteinander harmonieren sollen. „Das funktioniert in der Praxis nur mit einem kompetenten Verkaufsteam“, betont sie.

Ein gutes Netzwerk in die Herstellerszene ist sehr hilfreich

Aktuell hat auch das Möbelhaus im Schwarzwald mit Lieferengpässen zu kämpfen, betroffen sind vor allem Elektronik- und spezielle sogenannte Beschlagsteile. Das Gros des Sortiments erreicht aber das Einrichtungshaus, der Betrieb kann also weitgehend störungsfrei laufen. Allerdings beklagt Jaqueline Schweigert, dass die Liefertreue in der Möbelbranche sich auf einem „sehr niedrigen Niveau“ befinde. „Die fehlende Planbarkeit führt trotz erhöhtem Administrations-Aufwand zu einer erhöhten Unzufriedenheit bei den Kunden, da diese oft nicht das nötige Verständnis für unsere Probleme haben.“

Das sind die neuen Probleme der Branche, zusätzlich zur Konkurrenz aus dem Internet. Doch mit Qualitätsanspruch und kundenorientiertem Zielgruppendenken könne sich der stationäre Handel auch in Zukunft behaupten, ist Jaqueline Schweigert überzeugt. Und so sieht ihr Qualitätsanspruch aus: Schweigert beschäftigt etwa fünfzig Schreiner und Monteure, die sich um den Verkauf von Küchen kümmern, dem kompliziertesten Warensortiment im Möbelhandel.

„Als ich im Unternehmen anfing, besuchten die Kunden vor einem Kauf im Schnitt fünf bis sieben Möbelhäuser“, berichtet die Unternehmerin. Heute seien es im Schnitt nur noch 1,3 bis 1,5 Häuser, weil die Kunden weniger unterwegs seien und das Internet als Informationsmedium nutzen. Diesem veränderten Kaufverhalten müsse die Branche mehr Rechnung tragen. Das heißt: Der Händler muss auffallen, er muss sich im Bewusstsein des Konsumenten etablieren. Das funktioniert durch hervorragende stationäre Angebote – und durch eine Präsenz auf allen Vermarktungskanälen.

Sämtliche Kanäle der sozialen Medien müssten bespielt werden und der Händler müsse heute alle Touchpoints im Blick haben und Multichannel alle Marketingkanäle bespielen, inklusive Youtube. „Ziel ist es, als Ideengeber wahrgenommen zu werden“, sagt die Unternehmerin. Ihr Haus soll als erster Anlaufpunkt für den Möbelkauf etabliert werden. Die Social-Media-Kanäle bespielt Schweigert in Eigenregie, nur Wirkung und Reichweite werden von einer Agentur ausgewertet. Zudem gehe es auch um Reputation, und dafür sei die Auszeichnung als „Store of the Year“ enorm wichtig. Welche messbare Wirkung die Aktivitäten letztlich haben, bleibt unklar.

Nur mit der eigenen Website hat Schweigert noch zu tun, der neue Auftritt hätte eigentlich zusammen mit der Eröffnung des neuen Stores online gehen sollen, doch die Pandemie hat vieles durcheinander gewirbelt. Nun wird noch an der Seite gebastelt, um das neue stationäre Einkaufserlebnis auch digital abzubilden. Bisher gibt es in dieser Hinsicht Nachholbedarf. Ab Herbst soll der neue Webauftritt Schritt für Schritt ans Netz gehen.

Was bei der aktuellen Weltlage die Zukunft bringt, weiß niemand, aber die Entscheidung, das Unternehmen neu aufzustellen stuft Jacqueline Schweigert als wichtig ein, „wir haben zur richtigen Zeit investiert", ist sie überzeugt. Die Belohnung dafür lässt sich in einem Satz ablesen: „Unsere Auftragsbücher sind gerade voll."

Das kann auch am Standortvorteil liegen, denn wer Kunden aus drei Ländern bedienen kann, kann von unterschiedlichen Kaufgewohnheiten profitieren. So erstrecken sich die Einzugsgebiete in Deutschland und der Schweiz auf 100 km, die Franzosen kommen aus dem unmittelbaren Grenzgebiet. Es gebe in beiden Nachbarländern eine hohe Weiterempfehlungsquote, sagt Schweigert, zudem werde dort Radio- und Printwerbung geschaltet. Während die kaufkräftigen Schweizer Kunden maximale Beratungsqualität verlangen, kommen die Franzosen in den Schwarzwald, weil sie daheim solche modernen Einrichtungshäuser nicht so schnell vorfinden. Für sie steht ein Muttersprachler als Verkaufsberater bereit. Man muss seine Kunden eben nicht nur kennen – sondern auch mit ihnen reden können.