Schuheinzelhandel

Licht und Schatten liegen in Zeiten von Corona und Krieg eng beieinander

Ordern in Zeiten stark steigender Kosten. Foto: Igedo Company

rv DÜSSELDORF.Der deutsche Schuheinzelhandel zeigt derzeit ein sehr heterogenes Bild. Einerseits hat die Branche im ersten Halbjahr 2022 nach den vorläufigen Zahlen des Statistischen Bundesamtes gegenüber 2021 ein Umsatzplus von 60% erzielt und damit die Einbußen durch die Pandemie-bedingten Zwangsschließungen wieder etwas ausgeglichen. Andererseits blieb der Schuhhandel damit noch um 10% unter dem Vor-Corona-Jahr 2019. Nach der kräftigen Erholung in den ersten Monaten 2022 kam der Aufwärtstrend im Verlauf des Monats Mai wieder ins Stocken, nachdem die Konsumstimmung eingebrochen ist.

Seit Juni liegen die monatlichen Umsätze nach den Worten von Siegfried Jacobs, Hauptgeschäftsführer des Handelsverbands Textil, Schuhe Lederwaren (BTE), deutlich im Minus. Zum einen macht sich hier der Stimmungseinbruch durch den Ukraine-Krieg und seine Folgen, die hohe Inflation und die Sorge, Deutschland könnte in eine Rezession abgleiten, bemerkbar. Zum andern war die Vorgabe aus dem Vorjahr sehr hoch, da die Bundesbürger mit den Lockerungen nach dem langen Shutdown im Winter 2020/21 im Juni hohen Nachholbedarf hatten.

„So wäre der hohe Vorjahresumsatz im Juni mit fast 20% Umsatzwachstum 2021 auch unter normalen Umständen in diesem Jahr wohl nicht wieder erreicht worden“, räumt Jacobs ein. Beim Blick auf das Herbst- und Wintergeschäft bleibt derzeit aber vor allem Unsicherheit, so dass seriöse Voraussagen für den Schuhhandel derzeit kaum möglich sind. „Der Strauß an Unwägbarkeiten wie dem Verlauf der Corona-Pandemie in den Herbst- und Wintermonaten, in der internationalen Warenlogistik und hinsichtlich der Auswirkungen der allgemeinen Preissteigerung auf das Nachfrageverhalten der Verbraucher sind einfach zu groß“, listet der BTE-Hauptgeschäftsführer auf.

Zumindest herrscht in der Branche aber der Optimismus, dass ein weiterer Lockdown in der Herbst- und Wintersaison unter der aktuellen Regierung kaum wahrscheinlich ist. Zudem sind die Schuhhändler überzeugt, dass sich die Bundesbürger nach einer weiteren Normalisierung ihrer Aktivitäten und ihres Einkaufsverhaltens sehnen. Es bleibt aber abzuwarten, wie viel Geld nach der Verteuerung der Grundnahrungsmittel sowie der Kraft- und Brennstoffe für den Schuhkauf noch übrigbleibt. Nach Beobachtung des Verbands achten Kundinnen und Kunden genau auf ihr Ausgabenbudget.

Die Ceconomy AG mit den Fachmarktketten Media Markt und Saturn hat auf Grund der spürbaren Kaufzurückhaltung zum Ende des ersten Halbjahres 2022 bereits ihre Prognosen für das Geschäftsjahr 2021/22 heruntergesetzt. Und auch der BTE ist überzeugt, dass es nicht einfach wird, in einem stagnierenden und zum Teil auch rückläufigen Schuhmarkt die absehbaren Kostensteigerungen abzufangen. Über diese Themen würden Hersteller und Händler bei der Oderrunde auf der Schuhmesse Shoes vom 28. - 30. August in Düsseldorf reden müssen, sagt Jacobs.

Auch der Online-Handel leidet unter der Konsumschwäche

Anlass zum Optimismus gibt es für den stationären Einzelhandel wiederum beim Blick auf die Online-Konkurrenz, die laut BTE in diesem Jahr auf hohem Niveau schwächelt. Neben den hohen Vorlagen aus dem Corona-Jahr 2021 führt der Verband die Umsatzeinbußen im eCommerce – auch bei großen Online-Pure-Playern – auf die Wiedereröffnung des stationären Einzelhandels zurück. Die Abschwächung betraf im ersten Halbjahr aber auch den Online-Verkauf des stationären Schuheinzelhandels mit Multichannel-Vertrieb. Nach den Lockerungen hätten die Kundinnen und Kunden ihre Einkaufsgewohnheiten wieder geändert und vermehrt den stationären Handel aufgesucht, schlussfolgert der BTE.

Dabei sind Deutschlands Schuheinzelhändler in punkto Digitalisierung offenbar gar nicht so schlecht aufgestellt. Denn 70% der Schuhhäuser sind laut BTE sowohl stationär als auch online unterwegs, doch die „Ausbeute“ ist meist nicht übermäßig groß. Dem „ein oder anderen“, der etwa die Hälfte seiner Erlöse online erzielt, steht das Gros der Händler mit überschaubaren Online-Anteilen gegenüber. Nur etwa 35% der stationären Händler erzielen laut BTE mehr als 10% ihrer Erlöse via Online-Verkauf. Dabei ist der Vertrieb über eigene Webshops, digitale Marktplätze und Soziale Medien in den beiden Pandemie-Jahren 2020/21 laut BTE stark vorangetrieben worden, um in den Zeiten der Zwangsschließungen den Kontakt zu den Kunden nicht zu verlieren. Doch der reale Einkauf ist unter normalen Bedingungen offenbar nicht so leicht zu ersetzen.

Diese Entwicklung ändert aber noch nichts daran, dass der Online-Vertrieb von Pure Playern und Multi-Channel-Händlern ihren Umsatzanteil in der Pandemie deutlich ausbauen konnten. 2021 lag der Marktanteil bei 41%, nach 35,4% im Jahr 2020. Dabei entfiel auf den stationären Handel und die Hersteller mit Multichannel-Vertrieb 2021 ein Marktanteil von 15% bei einem Wachstum von gleichfalls 15%. Auf die Pure Player entfiel ein Marktanteil von 26% bei einem Umsatzplus von 19% und auf den stationären Handel von 59%, bei einem Umsatzminus von 6,7%. Ob und wie sich der Anteil im Jahresverlauf zugunsten der stationären Händler verschiebt, hängt von der Entwicklung der Inflation und der Kaufkraft ab.

Bessere Voraussetzungen für das gehobene Genre

Dabei sind die Betriebsformen und Angebotskonzepte des Schuhhandels von der angespannten wirtschaftlichen und finanziellen Lage in Deutschland nach Feststellung des Verbands unterschiedlich stark betroffen. Erwartungsgemäß spüren die auf preisbewusste Kunden ausgerichteten Vertriebslinien die Kaufzurückhaltung stärker als die gehobene Mitte und das Premiumgenre. „Dort ist die Kundschaft weniger preissensibel und muss sich bei ihren Ausgaben kaum bis gar nicht einschränken“, berichtet Jacobs, obgleich auch bei dieser Klientel das Geld nicht mehr ganz so locker sitze.

Ein weiteres wichtiges Thema ist die sinkende Kundenfrequenz in den vergangenen beiden Jahren, über die das Gros der befragten Schuhhäuser (80%) an ihren Standorten berichtet. Bei 35% der Befragten fiel der Rückgang demnach sogar deutlich aus. „Lockdowns, Standorterosionen und Verschiebungen des Einkaufsverhaltens der Kunden in Richtung Internet machen sich in so mancher Einkaufsstraße empfindlich bemerkbar“, resümiert der BTE-Hauptgeschäftsführer.

Wie sich die Zahl der Schuheinzelhändler in den Corona-Jahren bislang entwickelt hat, dazu liegen laut BTE noch keine offiziellen Zahlen des Statistischen Bundesamtes vor. Der Verband geht aber von einem erneuten Rückgang aus und schätzt die Zahl der stationären Schuheinzelhändler auf etwa 3 000 Unternehmen mit zusammen 11 000 Geschäften.