Investmentmarkt Retail

Licht und Schatten liegen eng beieinander

Verkaufsobjekt Perlach Plaza: Mischobjekte gefragt. Foto: Alpha Projektpartner

Die Lage auf dem Markt für Retail Assets präsentiert sich im Sommer 2020 sehr zwiespältig. Zum einen steht ein stattliches Transaktionsvolumen zu Buche, zum andern halten sich die Investoren bei einigen Anlage-Klassen zurück, während Retail Asset mit Bezug zum Lebensmittelhandel als krisenresistente Anlage gelten. Experten erwarten ein lebhaftes Schlussquartal.

„Das hervorragende Zwischenresultat darf nicht darüber hinwegtäuschen, dass hinter dem Ergebnis in entscheidendem Maße Übernahmen und Beteiligungen sowie eine sehr starke Fachmarktsparte stehen, die das Volumen in die Höhe getrieben haben“, warnt Christoph Scharf, Geschäftsführer der BNP Paribas Real Estate GmbH und Head of Retail Services, beim Blick auf das Transaktionsvolumen im deutschen Markt für Handelsimmobilien vor zu viel Optimismus. Das sieht Jan Schönherr, Co-Head of Retail Investment bei CBRE in Deutschland, ähnlich, wenn er anmerkt, „dass Corona und seine Auswirkungen weiterhin den Einzelhandelsimmobilienmarkt prägen“.

Damit unterscheidet sich das positive Ergebnis im Markt für Retail Assets vom Gewerbeimmobilienmarkt, wie Dirk Hoenig-Ohnsorg, Head of Retail Investment bei Colliers International, betont: „Entgegen dem Trend am gesamten Investmentmarkt waren die Corona-bedingten Bremsspuren bei Einzelhandelsinvestments im dritten Quartal deutlich zu spüren.“ Denn während das Umsatzvolumen über alle gewerblichen Anlageklassen im 3. Quartal mit einem durchschnittlichen Plus von 15% über dem Volumen des zweiten Quartals lag, fiel es im Einzelhandelssegment laut Hönig mit -26% innerhalb von drei Monaten deutlich zurück.

Oder anders formuliert: Das mit Spannung erwartete Ergebnis für das dritte Quartal im Gewerbeimmobilienmarkt erwies sich laut Christian Kadel, Head of Capital Markets bei Colliers International mit 12,5 Mrd. Euro „als sehr robust und lag sogar deutlich über dem Ergebnis des zweiten Quartals“. Dagegen lagen Retail Assets zwischen Anfang Juli und Ende September bei knapp 2 Mrd. Euro.

Als gute Nachricht wertet der Immobiliendienstleister JLL, dass einzelhandelsgenutzte Immobilien durch das insgesamt überdurchschnittlich gute Ergebnis in den ersten neun Monaten ihren Anteil am Gesamtmarkt für Gewerbeimmobilien halten konnten. Mit einem Transaktionsvolumen, das die Immobiliendienstleister in der Bandbreite von knapp 8 Mrd. Euro (JLL), 8,5 Mrd. Euro (Colliers International), 9,4 Mrd. Euro (CBRE) und 9,6 Mrd. Euro (Savills und BNPPRE) sehen, konnte die Anlage-Klasse ihren zweiten Platz hinter Büroimmobilien mit knapp 18 Mrd. Euro am Gewerbeimmobilienmarkt mit rund 41 Mrd. Euro Transaktionsvolumen halten, dem drittbesten Resultat der vergangenen Jahre.

Anbahnung des Neugeschäfts kam nur langsam in Gang

Nach Beobachtung von Matthias Leube, CEO bei Colliers International Deutschland, kam nach dem Ende des Shutdowns die Anbahnung des Neugeschäfts bei Retail Assets durch die erhöhte Risikoaversion der Anleger sehr viel schwerer wieder in Gang. Denn der Strukturwandel durch den Online-Handel hatte die Anlageklasse schon vorher belastet.

Allerdings nicht den Lebensmittelhandel bzw. das Segment „Versorgung mit Gütern des täglichen Bedarfs“, das – beschleunigt durch die Corona-Epidemie und die Folgen des Shutdowns für Teile des Nonfood-Handels – die Beurteilungskriterien im Markt stark verändert haben. Aus der Kernweisheit der Immobilienwirtschaft: „Lage, Lage, Lage“, die für Handelsimmobilien am meisten gilt, wurde der Kernsatz: „Food, Food, Food“, wie Schönherr berichtet. Denn dass der Lebensmittelhandel und die Drogeriemärkte in der Krise als systemrelevant gelten und damit nicht „schließungsgefährdet“ sind, begünstigt die Anlageklasse, die hierzulande bislang auch die Online-Konkurrenz nicht fürchten musste. Laut Schönherr gab es bei den Mietern „lebensmittelgebundener Immobilien“ keine schließungsbedingten Umsatzeinbußen.

So konstatiert Scharf denn auch, „dass sich Fachmärkte und Fachmarktzentren bisher als krisenresistente Objektart beweisen und mit 5,2 Mrd. Euro bereits zum jetzigen Zeitpunkt den Umsatz aus dem Gesamtjahr 2019 übertreffen“. Und Schönherr ist überzeugt, dass „der Fokus weiterhin auf Immobilien mit einem hohen Lebensmittel- und Drogerieanteil liegen (wird), wobei auch Baumärkte als Quelle eines verlässlichen Cashflows immer mehr an Bedeutung gewinnen werden“.

Neben dem Online-Handel, der durch den Shutdown neue Kunden gewinnen konnte und dem lebensmittelgeankerten Einzelhandel sieht Jan Linsin, Head of Research bei CBRE in Deutschland aber auch diejenigen Handelskonzepte im Vorteil, „die es verstehen, mit einem funktionierenden Omnichannel-Ansatz auf die veränderten Bedürfnisse der Konsumenten einzugehen“.

Die Affinität der Investoren für Fachmärkte (inkl. Supermärkten und Discountern) sowie Fachmarktzentren mit Schwerpunkt Nahversorgung wirkt sich aber auch auf die Preise und die Renditen aus, wie Helge Scheunemann, Head of Research JLL Germany, mit Blick auf die Tatsache anmerkt, dass sich in den Monaten Juli bis September für Fachmarktzentren und einzelne Fachmärkte die Renditen nochmals um jeweils 20 Basispunkte „auf neue historische Tiefststände“ von 4,0% bzw. 4,6% verringert haben.

Für Supermärkte wurde laut Anne Gimpel, Team Leader Valuation Advisory Services bei CBRE zuletzt sogar ein „Corona-Aufschlag“ bezahlt, so dass die Renditen gegenüber dem Vorquartal um 0,20 Prozentpunkte auf 5,00% gesunken sind. Gegenüber anderen Anlageklassen ist dieses Niveau aber immer noch beachtlich.

Moderater verläuft – verstärkt durch die Folgen des Shutdowns – das Geschäft bei innerstädtischen Geschäftshäusern und Shopping-Centern. Laut Jan Dirk Poppinga, Co-Head of Retail Investment bei CBRE in Deutschland, sind die Schutzschirm- und Insolvenzverfahren, in denen sich viele typische Mieter aus dem Einzelhandel befinden, ein Grund für die verhaltene Investmenttätigkeit in diesen Segmenten. Sobald die Schutzschirm- und Insolvenzverfahren erfolgreich abgeschlossen seien, so seine Hoffnung, werde es Käufern und Verkäufern leichter fallen, die meist noch „unterschiedlichen Vorstellungen bei der Preisfindung zusammenzuführen“.

Steigende Renditen im Shopping-Center-Markt

Aus Sicht von Sandra Ludwig, Head of Retail Investment bei JLL Germany, könnten sich bei Shopping-Centern aber neue Chancen ergeben, wenn es ihnen gelingt, Mieter mit einem gesunden Mix aus stationärem und Onlinehandel zu etablieren und indem sie Teilumnutzungen von Flächen in andere Nutzungsarten vornehmen. So ließe sich der positive Trend zu Quartiersentwicklungen weiterentwickeln.

Die aktuelle Zurückhaltung in diesem Marktsegmenten spiegelt sich auch in den Renditen wider, die bei Shopping-Centern in A-Lagen, da sind sich JLL und CBRE einig, auf 4,75% gestiegen sind – Tendenz weiter steigend. Die Renditen bei Einkaufszentren in B-Lagen sieht Anne Gimpel bei 5,75%. Und die Renditen für innerstädtische Geschäftshäuser in den Top 7 haben sich laut JLL zuletzt auf 2,89% erhöht, nach durchschnittlich 2,84% und 2,87% in den Vorquartalen.

BNPPRE-Geschäftsführer Scharf erwartet nach einer Vielzahl von teils großvolumigen Verkäufen im Highstreet-Segment und Einzeldeals im dritten Quartal, bei denen Preis und Lage stimmten, für das Schlussquartal bei den Anlegern wieder ein steigendes Interesse. Auch Poppinga erwartet „ein aktives viertes Quartal am Einzelhandelsinvestmentmarkt, sodass das Gesamtjahresergebnis über dem langjährigen Durchschnitt von elf Milliarden Euro liegen dürfte – zumal bereits nach den ersten drei Quartalen 2020 rund 93% des Transaktionsvolumens des Gesamtjahrs 2019 erzielt wurden und die Investorennachfrage weiterhin groß ist“.

Mit Blick auf die Probleme in einigen Branchen des Nonfood-Handels wäre dies ein passables Ergebnis, auch wenn sich der Markt für Einzelhandelsimmobilien laut Hoenig-Ohnsorg zum Jahresende hin „nicht so dynamisch erholen wird wie der gesamtdeutsche Immobilieninvestmentmarkt. Dennoch erwartet auch er 2020 ein Transaktionsvolumen, das mit über 10 Mrd. Euro leicht über dem Vorjahresergebnis „enden“ dürfte. In der Pipeline befinden sich noch einige größere Abschlüsse. Wie lange sich die Verkaufsprozesse aber hinziehen, ist derzeit schwer zu sagen.

Zu den Transaktionen im Segment Fachmärkte und Fachmarktzentren, die dem Markt 2020 bislang Schubkraft verliehen haben, gehören die Übernahme von 80 Real-Immobilien durch die russische SCP Group und die TLG-Übernahme inkl. des Einzelhandelsportfolios durch den Investor Aroundtown. Hinzu kommen zahlreiche weitere kleinere Transaktionen.Hier dürfte eher der Mangel an Angebot die Entwicklung begrenzen.

In das Segment innerstädtische Warenhäuser fällt der Verkauf der beiden Karstadt-Filialen in der Hamburger Mönckebergstraße und in Eimsbüttel durch die Quantum Immobilien AG an die Signa Gruppe im dritten Quartal. Im zweiten Quartal hatte die RFR Holding bereits ein Kaufhof-Portfolio an einen Opportunity Funds des US-amerikanischen Investors Apollo veräußert.

Eine weitere große Transaktion im dritten Quartal war die Übernahme des Stadtquartiers Perlach Plaza in München durch die KGAL Investment Management GmbH & Co. KG im Rahmen eines Club Deals mit drei institutionellen Investoren für einen von KGAL verwalteten AIF. Und in Berlin hat der britische Investor RDI REIT das 18 600 qm große Schloss-Straßen-Center für 65,5 Mio. Euro an den Private-Equity-Immobilienfondsmanager Benson Elliot, ebenfalls aus Großbritannien, verkauft.

Dass die Reiserestriktionen durch die Covid-19-Pandemie derzeit die Geschäftsabschlüsse beeinflussen, lässt sich schon daran ablesen, dass der Anteil der einheimischen Investoren laut Savills von 46% im ersten Quartal auf 64% im dritten Quartal gestiegen ist. Besonders aktiv waren Asset-Manager vor offenen Spezialfonds und Private-Equity-Fonds.

Klar ist aus heutiger Sicht jedoch, dass der Druck auf den deutschen Gewerbeimmobilienmarkt groß bleiben wird, zumal laut Linsin eine Vielzahl von Frühindikatoren, Stimmungsumfragen und Hochfrequenzdaten für eine nachhaltige Fortsetzung der wirtschaftlichen Erholung in Deutschland sprechen: „Insgesamt gibt es einen großen Kapitalüberhang internationaler und nationaler Kapitalsammelstellen, die Immobilien in Deutschland erwerben wollen“, so Linsin. Denn laut Scheunemann steht „einer nationalen und internationalen Kapitalflut angesichts von Minizinsen nach wie vor kein adäquates Angebot“ gegenüber. Gleichwohl rät er dazu, die Märkte der Nutzer und deren Verhalten mit Blick auf die anstehenden Veränderungsprozesse, die Zukunftsfähigkeit des Geschäftsmodells und der Bonität genau zu verfolgen.