Es ist durchaus als positives Zeichnen zu werten, dass sowohl Lebensmitteleinzelhändler als auch Fachmarktbetreiber in den nächsten Jahren weiterhin auf Expansionskurs setzen. In den vergangenen drei Jahren haben die Zustimmungswerte zum Thema Filialeröffnungen die expansive Haltung der Mieter unterstrichen. Das Gros der Befragten, das ergab der GRR Basic Retail Report, wird im Rahmen der Expansion das Filialnetz, also die Anzahl der Standorte, „steigern“ oder sogar „deutlich steigern“.
So wurde der hohe Zustimmungswert im Lebensmitteleinzelhandel von rund 100% im Jahr 2021 zum Thema Expansion auch im Jahr 2022 mit einem Wert von 95% und von immerhin noch 83% in diesem Jahr bestätigt. Allerdings zeigt die rückläufige Entwicklung der vergangenen beiden Jahre mit -17 Prozentpunkten, dass bei der Expansion doch etwas vorsichtiger agiert wird – auch wenn die gesamte Branche nach wie vor auf Wachstumskurs ist.
Darf es ein bisschen mehr sein? Dabei wird auch die Größe einer Standardfiliale nach Aussage der Befragten in keinem Fall deutlich reduziert. Über ein Drittel gibt an, dass an der aktuellen Standardgröße auch in den kommenden fünf Jahren festgehalten werden soll. Mehr als die Hälfte aller Befragten will die Verkaufsflächen sogar „steigern“ oder „deutlich steigern“. Über 60% der Befragten aus dem Lebensmitteleinzelhandel gehen im Jahr 2023 von größeren Verkaufsflächen in den nächsten fünf Jahren aus.
Gemessen an den Ergebnissen von 2021 und 2022 ist die Branche allerdings etwas zurückhaltender, was den Umfang der Flächenerweiterungen angeht. Hier gab ein Teil der Befragten an, die Flächen deutlich steigern zu wollen. Um eine Schätzung über die Verkaufsflächengröße in einer Standardfiliale in etwa fünf Jahren zu erhalten, wurden die Umfrageteilnehmer um ihr Urteil gebeten: Demnach unterscheidet sich das Meinungsbild der Discounter, Supermärkte und Vollsortimenter im Jahr 2023 kaum merklich von den Befragungen in den Jahren 2021 und 2022.
Bei der Bewertung unterschiedlicher Standortkriterien sind die Themen Parkmöglichkeiten, Mietzins, Größe des Einzugsgebiets sowie die baurechtliche Situation am bedeutsamsten. Auch das Thema Agglomerationseffekt liegt im oberen Bereich der Bewertungsskala. Hierbei ist die Präferenz eindeutig: 92% der Befragten geben an, dass durch arrondierende Einzelhandelsnutzungen im unmittelbaren Umfeld eines Marktes positive Agglomerationseffekte festzustellen sind.
Auch Wohnnutzung im Umfeld spielt für den Lebensmitteleinzelhandel eine große (83%), für den sonstigen Einzelhandel jedoch nur eine geringfügige (13%) Rolle. Weniger bedeutsam werden Bevölkerungsstruktur, Kaufkraft und ÖPNV-Erreichbarkeit gewertet. Als vergleichsweise unbedeutend wurde auch die Nachhaltigkeit der Bauweise eingestuft. Dies legt einen Widerspruch zwischen den Anforderungen von Investoren und Mietern offen. Denn der Bewertungsmaßstab von Investoren verlangt die Berücksichtigung von ESG-Aspekten, die u. a. die Nachhaltigkeit der Bauweise einer Immobilie bewertet.
Das Thema Agglomerationseffekt gewinnt an Bedeutung
Insgesamt ist das Anforderungsprofil des Lebensmitteleinzelhandels recht klar. Der sonstige Einzelhandel diversifiziert sein Anforderungsprofil stark, je nach Branche. In beiden Fällen ist aber eine Hotelnutzung für Agglomerationseffekte irrelevant.
Bei Mixed Use, also lebensmittelgeankerte und gemischt genutzte Objekte, waren sich die Experten einig, dass der größte Vorteil von Misch-Objekten die höhere Frequentierung durch unterschiedliche Nutzer darstellt. Aber auch die vereinfachte Baurechtsschaffung oder die Nähe zum Kunden, auf Grund der integrierten Lagen, wurden wiederholt als Vorteil genannt. Allerdings gibt es bei Retail-Mixed-Use-Immobilien auch Nachteile. Der gravierendste ist aus Sicht von Experten die Parkplatzsituation. Durch Nutzungen wie Wohnen oder Büro besteht die Gefahr, sofern keine abgestimmte Parkraumbewirtschaftung existiert, dass die vorhandenen Pkw-Stellplätze dauerhaft belegt sind und die Kunden des Einzelhandels ihr Fahrzeug nicht abstellen können.
Des Weiteren ist der Filialauftritt nicht optimal, da einerseits die Sichtbarkeit eingeschränkt und andererseits auch das Raumkonzept durch abweichende Grundrisse nur bedingt umsetzbar ist. Überdies können viele weitere Konflikte wie Anlieferungs- und Öffnungszeiten, Lärm etc. mit anderen Nutzern auftreten.
Um in Mischobjekten einen positiven Agglomerationseffekt abbilden zu können, bevorzugt der Lebensmitteleinzelhändler Büronutzung, Wohnflächen oder einen weiteren Lebensmitteleinzelhandel. Die Non-Food-Händler hingegen setzen auf Lebensmitteleinzelhandelsformate, Drogeriefachmärkte oder Händler aus dem Textilsegment für einen erfolgsversprechenden Branchenmix. Unbeliebtere Nachbarn sind Fitnessstudios, durch die Parkplätze lange belegt sind, oder imageschädigende Betriebe aus den Bereichen Glücksspiel und Erotik.
Im Zuge des Wandels im Handel und durch die Herausforderungen haben in den vergangenen beiden Jahren 67% der befragten Lebensmittelhändler und 88% der sonstigen Einzelhändler ihr Vertriebskonzept modernisiert. Dennoch sind in den nächsten fünf Jahren weitere Modernisierungen der Konzepte geplant. Schwerpunkte sind die Digitalisierung, der Online-Handel und die Nachhaltigkeit.
Lebensmittelhändler setzen weiter auf Modernisierung
Aber auch das Thema Personalakquise, unter anderem im Hinblick auf den Fachkräftemangel, stellt für den Einzelhandel eine Herausforderung dar. Und auf Grund der steigenden Energiepreise haben wir 2023 das Spannungsfeld rund um die Betriebskosten in unsere Befragung aufgenommen und auch dieses Thema wird vom Gros der Befragten (85%) als eine große Herausforderung angesehen. Des Weiteren wird der Fokus noch stärker auf die Miethöhe und die Personalkosten gerichtet. Auffallend ist hier, dass die Herausforderung des demographischen Wandels, der zuvor 75% der Befragten beunruhigte, inzwischen mit 59% eine geringere Rolle spielt.
Fit for Future im Einzelhandel: In den Filialen gilt für die Befragten Mobile Payment weiterhin als wichtigstes Ausstattungsmerkmal, gefolgt von WLAN und digitaler Preisauszeichnung. Generell ist die Digitalisierung nicht mehr aus dem Einzelhandel wegzudenken. Sie wird die Branche auch künftig beschäftigen. Beispielsweise bieten bereits 54% der Befragten Mobile Payment in all ihren Märkten an und 50% der Befragten können in all ihren Märkten WLAN vorweisen.
Ein Großteil (73%) der Befragten erhofft sich durch den vermehrten Einsatz von Technologien eine Möglichkeit, die anfallenden Kosten grundsätzlich zu senken. Weitere Vorteile sehen sie in einer erhöhten Kundenbindung (63%) und in der Senkung des Energiebedarfs (65%).
Künstliche Intelligenz (KI) ist bisher erst von wenigen Befragten in ihren Geschäften eingesetzt worden. Jedoch nutzen beinahe 25% KI bereits in Bezug auf Anlieferung und Logistik. Doch ohne Frage: die zunehmende Digitalisierung und Technologisierung wird neben Vorteilen auch negative Auswirkungen auf die Einzelhandelsmärkte haben. Allen voran muss das Personal auf die veränderten Standards vorbereitet werden, dem stimmen auch 65% der Befragten zu. 50% der Befragten nannten u. a. die Gefahr, die von Cyberkriminalität ausgeht oder die Anfälligkeit der Systeme als eine der negativen Folgen. Einig sind sich die Befragten aber darin, dass keine Gefahr darin besteht, dass durch falsch eingesetzte Technologien Kunden zur Konkurrenz wechseln könnten.