rv DÜSSELDORF. Nach einem durchschnittlichen Pro-Kopf-Einkommen von 17 688 Euro im vergangenen Jahr, ist die Kaufkraft der 42 von GfK und NIQ untersuchten europäischen Länder erneut um 3,9% auf 18 768 Euro gestiegen. Gemäß der neuen Studie „GfK Kaufkraft Europa 2024“ haben die Bewohner dieser Länder zusammen damit ein Kaufkraftvolumen von etwa 12,9 Billionen Euro zur Verfügung. Allerdings ist dieser Betrag sehr unterschiedlich verteilt. Als großer Gewinner in diesem Jahr gilt Großbritannien.
Nach den Worten von Markus Frank, NIQ-GfK-Experte im Bereich Geomarketing, fällt das nominale Wachstum der Kaufkraft in Europa mit 3,9% deutlich moderater aus als in den beiden Vorjahren. Im vergangenen Jahr war sie noch um 5,8% gewachsen. Da aber gleichzeitig auch die Inflationsrate gesunken ist, dürften der Anstieg der Verbraucherpreise und der Kaufkraftverlust aufgefangen werden. Zu den 42 in der Studie GfK Kaufkraft Europa 2024 untersuchten Ländern gehören neben den 26 EU-Ländern auch Nicht-EU-Mitglieder wie die die Schweiz, Norwegen, Ukraine, Belarus, Moldavien und die Türkei.
Als erfreulich wertet Frank, dass sich die Kaufkraftschere zunehmend schließt, weil die kaufkraftschwächeren Länder inzwischen höhere Zuwächse verzeichnen und sich die Einkommen langsam annähern. Er räumt aber auch ein, dass die Kaufkraftunterschiede zwischen und innerhalb der Länder auch 2024 weiterhin groß bleiben – das gilt vor allem für die Nicht-EU-Länder Osteuropas. Mit einer jährlichen Pro-Kopf-Kaufkraft von durchschnittlich 2 478 Euro pro Kopf und Jahr steht die Kriegsgebeutelte Ukraine wie im vergangenen Jahr wieder am Ende der Liste.
Die immer noch bestehenden riesigen Unterschiede zeigt der Blick auf die einzelnen Zahlen. So stehen die Liechtensteiner mit einer Pro-Kopf-Kaufkraft von 70 180 Euro für Essen, Wohnen, Dienstleistungen, Energiekosten, private Altersvorsorge, Versicherungen, Urlaub, Mobilität oder sonstige Konsumwünsche erneut mit deutlichem Abstand auf dem ersten Platz. Damit haben sie das 3,7-Fache der europäischen Durchschnittskaufkraft zur Verfügung. Die Schweizer auf dem zweiten Platz mit 52 566 Euro haben das 2,8-Fache und die Luxemburger mit 41 785 Euro pro Kopf das 2,2-Fache des europäischen Durchschnitts. Die Ukraine dagegen erreichte im Vorjahr nur 15% des europäischen Durchschnittswerts.
Laut GfK liegen insgesamt 16 der 42 untersuchten Länder über dem europäischen Durchschnittswert, während 26 Länder darunter liegen. Auch das zeigt die immer noch bestehende große Unwucht in Europa. Dabei steht Spanien mit 18 013 Euro pro Kopf leicht unter dem europäischen Durchschnitt und unverändert auf Platz 17 – hinter Italien mit 21 078 Euro auf Platz 16.
Deutschland belegt den neunten Platz
Deutschland findet sich mit einer Durchschnittskaufkraft von 27 848 Euro und einem Indexwert von 148,4 unverändert auf dem neunten Platz der Rangliste, hinter Ländern wie Norwegen mit 28 072 (8), Großbritannien, das mit 28 085 Euro drei Plätze gut gemacht und sich an Deutschland vorbeigeschoben hat und nun auf dem siebten Platz steht. Mit 29 266 Euro hat sich Österreich von Platz 7 auf Platz 6 verbessert. Dänemark steht mit 31 162 Euro unverändert auf dem fünften Platz und Island mit 34 156 weiter auf Platz 4.
Unter den osteuropäischen Ländern sticht erneut die Tschechische Republik hervor, weil sie sich mit einer Jahreskaufkraft von durchschnittlich 14 106 Euro auf Platz 24 mit am weitesten von den übrigen osteuropäischen abgesetzt und den westeuropäischen Ländern angenähert hat. Allerdings hat das Land gegenüber dem Vorjahr vier Plätze verloren, was aber auf Wechselkurseffekte zurückzuführen ist. Denn Tschechien gehört nicht zum Euro-Raum. Das Land steht damit aber immer noch deutlich vor Polen, das sich mit 12 561 Euro auf Platz 27 vorgearbeitet hat. Länder wie Ungarn folgen mit 11 570 Euro auf Platz 30 und Rumänien mit durchschnittlich 9 092 Euro auf Platz 33.
Allerdings sagen diese Durchschnittswerte über die Kaufkraft der Bevölkerung in der Breite wenig aus, denn die regionalen Unterschiede können sowohl in West- wie auch in Osteuropa sehr groß sein. Das zeigt beispielsweise der genauere Blick auf Italien. Hier liegen die Bewohner der kaufkraftstärksten Region um Bozen mit 28 807 Euro pro Kopf an der Spitze, ganz knapp vor Mailand mit 28 772 Euro. Auf Platz zehn steht die Provinz Trento mit durchschnittlichen 24 361 Euro.
Durchschnittswerte sagen noch nicht viel aus
Umgekehrt liegen laut GFK NIQ die zehn kaufkraftschwächsten Provinzen im südlichen Teil des Landes mit der Provinz Crotone als Schlusslicht. Hier liegen die Menschen mit einer Durchschnittskaukraft von 13 241 Euro pro Person in etwa auf dem Niveau so mancher osteuropäischer Länder und erreichen nur 63% des Landesdurchschnitts. „Damit haben die Menschen in Bolzano/Bozen zwar fast das 2,2-Fache der Kaufkraft der Menschen in Crotone, allerdings lässt sich auch beobachten, dass sich die Schere zwischen den kaufkraftstarken und -schwachen Regionen des Landes das zweite Jahr in Folge etwas schließt“, heißt es in der GfK-Studie. Am durchschnittlichsten sei das verfügbare Nettoeinkommen mit 20 788 Euro pro Person in Perugia.
In Tschechien führen die Einwohner von Prag die Liste der Top 10 mit einem Wert, der mit 18 667 Euro pro Kopf nur ganz knapp unter dem europäischen Durchschnitt liegt, an. Dagegen haben die Menschen im Kreis Ostravamesto im Osten an der polnischen Grenze nur eine Pro-Kopf-Kaufkraft von 12 186 Euro, womit sie um 14% unter dem tschechischen Durchschnitt liegen.