Galeria in der Mönckebergstraße

Karstadt verkleinert Stammhaus in der City

Karstadt in der Mönckebergstraße. Foto: Galeria

Die Hamburger, die der Innenstadt und ihren Warenhäusern als Einkaufsort noch treu geblieben sind, mussten einen weiteren Schlag verkraften. Mitten im Weihnachtsgeschäft haben im Karstadt-Stammhaus an der Mönckebergstraße einschneidende Bauarbeiten begonnen. Galeria räumt früher als geplant das Thalia-Haus, benannt nach dem Theater vis à vis, an der Kleinen Rosenstraße. Die sogenannte Karstadt-Brücke, die beide Gebäudeteile verbindet, wird im Januar abgerissen.

Die Eingangstüren sind dicht und ein Zettel verweist auf den gegenüberliegenden Eingang. Die beliebte Lebensmittelabteilung ist schon seit Wochen geschlossen, das ehemals sehr große Angebot an Stoffen, Heimtextilien und Küchenbedarf wurde, wie verschiedene andere Abteilungen auch, eingedampft und ins Hauptgebäude verlagert. In der ersten Etage gibt es seit der Schließung des Restaurants im Oktober ein kleines Café, in der zweiten einen Weihnachtsmarkt. Wie es mit dem Umzug weitergeht, ist offen.

Das Gebäude soll vom nächsten Jahr an umgebaut werden und eine neue Nutzung bekommen. Den Planungen zufolge wird das Thalia-Haus aufgestockt und bekommt eine Mischnutzung mit Handelsflächen, Büros und Wohnungen. Der Eigentümer Signa soll für die Revitalisierung 70 Mio. Euro veranschlagt haben. Auch am großen Karstadt-Haus sind Bauarbeiten geplant. Die Fassaden sind sanierungsbedürftig und müssen erneuert werden. Möglicherweise bekommt das Haus eine Öffnung zum Gerhard Hauptmann Platz. Der Baubeginn ist für 2023/24 vorgesehen.

Auch die ehemalige Landesbank-Passage auf der gegenüberliegenden Seite soll grundlegend umgebaut werden, sobald der aktuelle Mieter, die Hamburg Commercial Bank, 2026 in den Elbtower umgezogen ist. Das Gebäude gehört ebenfalls zum Imperium des österreichischen Immobilienunternehmers René Benko, der hier offenbar auch neben Gewerbeflächen Wohnungen plant.

Die Veränderungen bei Karstadt an der Mönckebergstraße (Foto: Galeria) stimmen viele Hamburgere traurig. Für viele, insbesondere Ältere, ist Karstadt an Hamburgs wichtigster Einkaufsmeile „das“ Kaufhaus schlechthin. Als es noch nicht an jeder Ecke schicke Kaffeespezialitäten gab, war es Tradition, mit Kindern und Enkeln nach dem Einkauf zu Kaffee und Kuchen ins Karstadt-Restaurant zu gehen.

Deutschlands letzter großer Warenhauskonzern hatte Ende Oktober zum zweiten Mal innerhalb von weniger als drei Jahren Rettung in einem Schutzschirmverfahren gesucht und steht vor einer ungewissen Zukunft. Ersten Ankündigungen zufolge sollen im Rahmen der Sanierungsbemühungen mehr als 40 der verbliebenen 131 Kaufhäuser geschlossen werden. Der Handelsriese mit seinen 17 000 Mitarbeitern ist noch in 97 deutschen Städten vertreten. „Es geht um eine ökonomisch sinnvolle wie tragfähige Perspektive für das Konzept Warenhaus in Deutschland“, sagte Sanierer Arndt Geiwitz, der nun als Generalbevollmächtigter zum zweiten Mal innerhalb kurzer Zeit die angeschlagene Kaufhauskette retten soll.

Der Eigentümer hat hohe Investitionen zugesagt

Das Ziel aller Maßnahmen müsse sein, unter veränderten Bedingungen eine aus sich heraus lebensfähige Struktur zu schaffen. Der Eigentümer habe dafür „sehr hohe“ Investitionen zugesagt. Sicher scheint, dass die Filialen deutlich kleiner werden, um eine Perspektive zu haben. Es werde schwer, ein Kaufhaus auf fünf Etagen und 10 000 qm zu bespielen, sagte er gegenüber der FAZ und bestätigt damit die Einschätzung von Experten wie zum Beispiel des Präsidenten des Handelsverbands Nord, Andreas Bartmann. Gleichzeitig betonte Geiwitz, dass er an eine Zukunft der Warenhäuser glaubt. Eine Einschätzung, die nicht überall geteilt wird.

Die Entscheidung, welche Filialen weitergeführt werden, stehe erst Anfang des Jahres fest, kündigte Geiwitz gegenüber dpa an. In Hamburg stehen die Standorte Mönckebergstraße, Eimsbüttel, Wandsbek, Harburg und Alstertal-Einkaufszentrum zur Disposition. Eine Analyse der Immobilienzeitung gibt lediglich dem Haus in der Mönckebergstraße gute Chancen, die Schließungswelle zu überstehen. Leif Krägenau von Realkon hält generell Standorte, die erfolgreich in eine Funktion als Stadtteilzentrum hineingewachsen sind, für überlebensfähig – wenn das Konzept stimmt. Dazu gehöre auch Karstadt in Eimsbüttel (Foto: Galeria).

„Wir machen es uns mit der Schließungsliste nicht einfach“, so der Generalbevollmächtigte weiter. Das sei nun Gegenstand der Gespräche mit den Vermietern. Schließlich spielten viele Faktoren in die Planung rein: Umsatz, Struktur des Mietvertrags, das Interesse möglicher Nachmieter, Kundenfrequenz, Demografie an den Standorten, Bedarf an Büroflächen. Es dürfe auch von Stadt zu Stadt unterschiedlich sein, wie die Gebäude für andere Nutzungen umgebaut werden könnten. Sicher sei, dass es schnell gehen müsse: „Nach meiner festen Überzeugung kann man die Umbauten nicht auf zehn Jahre strecken“, so Geiwitz.

Damit die Sanierung gelingt, muss aus seiner Sicht ein Konzept erarbeitet werden, das die breite Zustimmung der Arbeitnehmerseite und der Vermieter einschließt. Doch wenn das Geschäftsmodell nicht mehr trage, müsse man das einsehen. Man könne nicht gegen eine öffentliche Meinung restrukturieren „Sonst haben wir eine Dauersubvention“, befürchtet er.

Ein wichtiger Faktor in der Bewertung werden die Kosten sein. Die Mehrkosten für Energie, die sich laut Galeria 2023 auf rund 150 Mio. Euro belaufen werden, waren neben der Kaufzurückhaltung der Kunden als Folge der Inflation und der Angst vor einer Rezession einer der Gründe für das neue Schutzschirmverfahren. „Die Kunden sind nicht zurückgekehrt, wie viele das erwartet hätten. Wir haben in den Innenstädten eine andere Welt“, sagt Geiwitz: „Die Zeit von vor 2019 kommt nicht zurück“. Aber nicht nur Fachleute fragen sich, ob die Kunden zurückkehren, wenn an qualifiziertem Personal gespart wird. Die Beratungsqualität habe in den vergangenen Jahren stark gelitten, sagten Kunden bei einer Umfrage des Hamburger Abendblatts.

Erster konstruktiver Austausch mit den Mietern

In den ersten Gesprächen mit Vermietern hat sich offenbar ein konstruktiver Austausch ergeben, wie Geiwitz berichtet. Mit verschiedenen Übernahmeinteressenten soll es zeitnah Gespräche geben: „Seriöse Interessenten können nach Einblick in die Daten konkrete Angebote abgeben“. Aktuell gebe es die noch nicht. Zu dem Angebot des Onlinehändlers Buero.de, der sein Interesse an der Übernahme von 47 kleineren Galerie-Standorten mit knapp 6 000 Mitarbeitern signalisiert hat, will der Konzern noch keine konkrete Stellungnahme abgeben.

Die Betriebsfortführung hat für Geiwitz jetzt oberste Priorität. Gerade vor dem wichtigen Weihnachtsgeschäft müsse beispielsweise die Ware vollständig da sein. Zum 1. Februar 2023 soll der Insolvenzplan eingereicht werden. Die Gläubigerversammlung würde dann für Ende April oder Anfang Mai vom Gericht angesetzt werden. Dazu gehört etwa die Agentur für Arbeit, die nun unter dem Schutzschirm über das Insolvenzgeld zunächst den Lohn für drei Monate zahlt. Wie viel weiteres Geld der Bund als Gläubiger wiedersieht, ist offen.

Mittlerweile hat das Amtsgericht Essen dem Antrag stattgegeben, die Gastronomietochter Galeria Restaurant und die Lebensmittel-Tochter Galeria Markthalle im Zuge von Insolvenzverfahren in Eigenverwaltung zu sanieren, berichtete das Unternehmen. Gründe dafür seien die starken ökonomischen Abhängigkeiten von der Muttergesellschaft Galeria Karstadt Kaufhof. Als vorläufigen Sachwalter bestellte das Amtsgericht Essern den Düsseldorfer Rechtsanwalt Frank Kebekus, der diese Funktion auch für das Galeria-Schutzschirmverfahren ausübt.

Für die Mönckebergstraße steht nun viel auf dem Spiel. Die beiden aufgegebenen Warenhäuser am Entree, Kaufhof und Karstadt Sports, viele leere Geschäfte und Baustellen, die noch mindestens für zwei bis drei Jahre bestehen, schrecken Besucher ab. „Langfristig wird dadurch die Innenstadt zwar attraktiver, aber in der aktuellen Situation schadet es massiv“, so Hamburgs Citymanagerin Brigitte Engler. „Wir haben in Hamburgs Innenstadt eine besonders schwierige Situation, weil wir hier keine Wohnbevölkerung haben“. Die Stadtteilzentren hätten es derzeit wesentlich leichter. In Hamburg müsse man sich bewusst auf den Weg machen, und das machen immer noch viele am liebsten mit dem eigenen Auto. „Die leiden darunter, dass die Innenstadt schwer erreichbar ist und Parkplätze rar und teuer sind“.

Und schließlich droht 2023 übermächtige Konkurrenz, wenn im südlichen Überseequartier in der Hafen City das Mega-Einkaufszentrum von Unibail-Rodamco-Westfield öffnet, das vieles bieten wird, was der Hamburger City fehlt. An einer attraktiven Fußgängerzone, die zum Flanieren und Verweilen einlädt, wird zwar seit längerem mit diversen Einzelmaßnahmen gearbeitet, aber der große Wurf blieb aus, es gibt viele Ideen, aber keinen Masterplan. „Wir wünschen uns, dass die Mönckebergstraße neu entwickelt wird“, sagt Engler. Neben der Krise der Kaufhäuser macht die relative Austauschbarkeit des Besatzes Sorgen, was auch mit den hohen Immobilienpreisen und mit der Struktur der Eigentümer zusammenhänge.