rv DÜSSELDORF. Nachdem der Global Retail Attractivness Index (GRAI), der die Attraktivität der globalen Einzelhandelsmärkte misst, im Vorjahr die Folgen der Pandemie hinter sich gelassen hat und sich der Aufwärtstrend im ersten Halbjahr 2024 leicht fortsetzte, hat sich der Index im dritten Quartal nicht weiter nach oben bewegt. Nach 113 Punkten im Vorjahr verharrte der Wert im dritten Quartal bei einem Höchststand von 114 Punkten – damit aber deutlich über dem Gleichgewichtswert von 100.
„Die aktuelle Entwicklung ist geprägt von einer sich in allen Ländern weiter aufhellenden Konsumentenstimmung“, konstatiert Markus Diers, Leiter Asset Management Retail bei Union Investment, die den Global Retail Attractiveness Index (GRAI) in zusammen mit GfK herausgibt. Der Blick auf das Verbrauchervertrauen in Europa zeigt, dass sich der entsprechende Index im Vergleich zum dritten Quartal 2023 zwar deutlich um 8 Punkte verbessert hat, mit einem Gesamtwert von 95 Punkten aber weiter unter der Gleichgewichtslinie von 100 Punkten bleibt. Die insgesamt im GfK-Konsumklima und HDE-Konsumbarometer gemessene, unterdurchschnittliche Verbraucherstimmung etwa in Deutschland sind ein Beleg dafür. Der drastische Anstieg der Lebenshaltungskosten und die geopolitischen Unsicherheiten dürften ein maßgeblicher Grund dafür sein, dass die Bundesbürger ihr Geld zusammenhalten und die Sparquote immer weiter steigt.
Im Kontrast dazu ist die Stimmung der europäischen Einzelhändler laut Union Investment um 3 auf 95 Punkte gesunken. Abgesehen davon, dass sich die Stimmung verschlechtert hat, lag der Index aber auch bereits vorher mit 98 Punkten bereits unter dem Durchschnittswert von 100. Abgerundet wird der GRAI durch die beiden quantitativen Input-Faktoren, der Entwicklung des Einzelhandelsumsatzes, die mit 138 Punkten laut Pressemitteilung nahezu konstant geblieben ist und der Veränderung der Arbeitslosigkeit, die sich um 3 auf 133 Punkte verschlechtert hat. Beide Teilindikatoren liegen damit aber deutlich über dem Durchschnittswert im positiven Bereich. Alle vier Teilindikatoren gehen gleichgewichtig mit jeweils 25% in den Global Retail Attractiveness Index ein.
Die Werte der Teilindikatoren zeigen indessen, dass die Entwicklung der Einzelhandelsumsätze im überdurchschnittlichen Bereich liegt und auch die Lage am europäischen Arbeitsmarkt nicht schlecht ist, während die Stimmung der Verbraucher und der Einzelhändler derzeit offenbar schlechter ist als die wirtschaftliche Lage es vermuten lassen würde. Die Unsicherheiten durch Kriege, die Verteuerung bei den Lebenshaltungskosten und die unsichere wirtschaftliche Entwicklung in der EU – vor allem in Deutschland – lasten offenbar auf der Verbraucher- und der Einzelhändlerstimmung. Allerdings sind die Unterschiede zwischen den 15 untersuchten Ländern – dazu gehören Schweden, Finnland, Dänemark, Deutschland, Frankreich, Italien, Spanien, Österreich, Niederlande, Belgien, Irland, Portugal, Polen, Tschechien und Großbritannien – beachtlich. So stehen den acht im Retail Index abgebildeten europäischen Handelsmärkten mit „leichten bis kräftigen Zugewinnen“ zwei Märkte gegenüber, die sich auf Vorjahresniveau stabilisieren, und vier, die Verluste verzeichneten.
Deutliche Unterschiede zwischen den Ländern
Zur ersten Gruppe gehört Polen mit einem Plus von 2 Punkten auf 136 Zähler an der Spitze, gefolgt von Tschechien mit 126 Punkten (+6), Portugal mit 121 Punkten (+2), Spanien mit 118 Punkten (+3), Italien mit 116 Punkten (+2), Großbritannien mit 112 Zählern (+4), Österreich mit 94 Zählern (+5) und Schweden mit einem Plus von 8 Zählern, aber auch nur auf 89 Punkte. Auf dem gleichen Niveau wie 2023 verharrte Deutschland mit 114 Punkten, was im Gesamt-Ranking allerdings einen Anstieg von Platz 7 auf Platz 6 bedeutete. Auch die Niederlande verharrten mit 106 Punkten auf Vorjahresniveau. In Deutschland wird der Einzelhandelsmarkt laut Studie vor allem durch die eingetrübte Stimmung unter den Einzelhändlern und die verhaltenen Arbeitsmarkdaten belastet. Dagegen ging der GRAI in Frankreich und in Belgien um jeweils -3 Punkte auf 113 bzw. 107 Punkte zurück, in Dänemark um 4 Punkte auf 90 Punkte und in Finnland sogar um -13 auf 89 Zähler zurück.
Die gegenläufigen Entwicklungen zwischen dem leichten Anstieg des europäischen Verbrauchervertrauens einerseits und der gesunkenen Händlerstimmung andererseits verhindern nach den Worten von Markus Diers (Foto: Union Investment), „dass sich das Comeback der europäischen Einzelhandelsmärkte trotz des neuen Höchststandes bereits vollends im EU-15-Index abbildet“. In dieser gegensätzlichen Entwicklung spiegelt sich aber auch die Ungewissheit über die weitere wirtschaftliche Entwicklung in Deutschland und der gesamten Europäischen Union wider.
Europa liegt deutlich über Nordamerika
Gemessen an den nordamerikanischen Märkten (USA und Kanada) sieht Union Investment die europäischen Einzelhandelsmärkte aber auf dem Weg aus der Krise. Denn im Vergleich zum europäischen Index von 114 Punkten liegt der Nordamerika-Index im GRAI selbst nach einer Verbesserung im Jahresverlauf um einen Punkt Ende des dritten Quartals 2024 bei nur 98 Punkten. Positiv wirkte sich in Nordamerika vor allem die Verbesserung des Einzelhandelsumsatzes (+4 Punkte) aus, während gleichzeitig die Stimmung der Konsumenten um 7 Punkte auf 58 Zähler absackte. Denn die hohen Lebenshaltungskosten belasten die Konsumenten derzeit erheblich.
Der Retail Index in Asien/Pazifik – hier wurden Japan, Südkorea und Australien untersucht – liegt nach einer Verbesserung um ebenfalls einen Punkt auf 95 Zähler noch unter dem nordamerikanischen Niveau – und damit um nunmehr 19 Punkte unter dem EU-Retail-Index. Als einzige der drei untersuchten Regionen konnte hier laut Union Investment mit einem Plus von 2 Zählern auf immerhin 99 Zähler „ein leicht positiver Trend beim Händlersentiment“ festgestellt werden. Doch gleichzeitig trübte sich der Arbeitsmarkt ein, nachdem beim quantitativen Input-Faktor „Veränderung der Arbeitslosigkeit“ ein Minus von 8 Zählern auf 97 Punkte zu verzeichnen war.