Text RICS Property Monitor

Investoren viel optimistischer als ihre Mieter

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rv DÜSSELDORF. In Zeiten der Corona-Pandemie gerät vieles aus dem Gleichgewicht. So auch beim Global Commercial Property Monitor der RICS (Royal Institution of Chartered Surveyors) für das vierte Quartal 2020. Denn die Stimmung unter den befragten Investoren war zum Jahresende deutlich besser als die Stimmung bei vielen ihrer Mieter. Hier spielt auch die Niedrigzinspolitik der Notenbanken eine Rolle, die viele Investoren zur Flucht in die Immobilie treibt.

Mit der Verbesserung des RICS Global Commercial Property Indexes von -37 im zweiten Quartal und -31 im dritten Quartal 2020 auf nunmehr -27 zum Jahresende hat sich die Stimmungsaufhellung bei Investoren und Nutzern seit dem Tiefpunkt kontinuierlich fortgesetzt. Der britische Berufsverband für Immobiliensachverständige, RICS, veröffentlicht den Global Commercial Property Monitor in jedem Quartal. Die Verschärfung des Shutdowns in Deutschland im ersten Quartal 2021, die hierzulande Bürgern und auch Teilen der Wirtschaft auf die Stimmung geschlagen ist, wird darin aber noch nicht abgebildet.

Obwohl der Wert immer noch deutlich im negativen Bereich liege, sei damit zumindest eine bescheidene Verbesserung gegenüber den beiden Vorquartalen zu verzeichnen, urteilt die RICS. Auch in Nordamerika ist der Index von -38 auf -29 gestiegen. In diesem Umfeld konnte sich der deutsche Gewerbeimmobilienmarkt mit -22 sowohl im globalen Vergleich (-27) als auch im europäischen (-27) positiv absetzen, wie Susanne Eickermann-Riepe FRICS, Vorstandsvorsitzende der RICS Deutschland, berichtet.

Dieser Durchschnittswert sagt aber wenig darüber aus, wie die Investoren und die Nutzer die Lage mit Blick auf die verschiedenen Anlageklassen beurteilen. Denn in Corona-Zeiten gibt es viele Verlierer und nur wenige Gewinner. Wie deutlich die Stimmung der Investoren über der Stimmung ihrer Mieter liegt, zeigt der Investment Sentiment Index (ISI), der sich vom Tiefpunkt im zweiten Quartal 2020 mit -29 bis zum Schlussquartal auf -19 verbessert hat. Dagegen schaffte es der Occupier Sentiment Index (OSI), (siehe Grafik) der die Mieterstimmung misst, lediglich In diesem Umfeld bleibt die Nachfrage nach Einzelhandelsimmobilien trotz der leichten Aufhellung erst einmal gedämpft, wobei sich diese Aussage primär auf Immobilien für den Nonfood-Einzelhandel beziehen dürfte, denn Lebensmittelmärkte aller Kategorien und Fachmarktzentren mit Schwerpunkt Nahversorgung sind beispielsweise in Deutschland unvermindert stark gefragt. Im Gegenteil: die Nachfrage kann aktuelle nicht gedeckt werden. Für den sekundären Einzelhandel erwarten die Experten bei den Kapitalwerten und den Mieten einen deutlichen Rückgang.

Nicht ganz so negativ wie den Nonfood-Handel (-71) sehen die Befragten Büroimmobilien, wenngleich ein Wert von -58 auch noch eine erhebliche Skepsis widerspiegelt. Dennoch gehen die Befragten davon aus, dass die Kapitalwerte für erstklassige Büroimmobilien weiterhin unter Druck bleiben. Gleichwohl gibt es unter den Befragten auch noch Optimismus, denn erstklassige Flächen werden sich nach ihrer Einschätzung in allen Marktsegmenten weiterhin besser entwickeln als sekundäre.

Logistikimmobilien sind die große Ausnahme

Da die Zwangsschließungen des stationären Nonfood-Einzelhandels viele Kunden zwangsläufig zum Kauf im Internet zwingen, was wiederum den eCommerce beflügelt, gehört auch das Segment Industrie- und Logistikimmobilien zu den Gewinnern der Corona-Pandemie. Laut RICS Global Commercial Property Monitor basiert die zunehmende Bedeutung dieser Anlage-Klasse auf der Erwartung, dass die Mieten in den nächsten zwölf Monaten um 3% und die Kapitalwerte um 4% steigen werden.

Insgesamt zeigen die gegenläufigen Trends beim ISI und beim OSI nach den Worten von Eickermann-Riepe, dass die Mieter- und Investoren-Stimmung gegenwärtig nicht zueinander finden. „Wie sich Mieter- und Investorenverhalten neu ordnen werden, wird sich vermutlich erst entscheiden, wenn es zu langfristigen Lock-up-Maßnahmen kommt. Erst dann werden Unternehmen eine andere Entscheidungsgrundlage haben, um zukünftige Anforderungen – auch unter drohenden Pandemiebedingungen – besser einschätzen zu können.“

Der Gewerbeimmobilienmarkt wird sich verändern

Beim Blick in die Zukunft ist die RICS-Deutschland-Chefin aber auch überzeugt, dass der Gewerbeimmobilienmarkt nach dem Ende der Pandemie anders aussehen wird als am Anfang. Neben den strukturellen Veränderungen der Nachfrage werde sich die Wahrnehmung von Gebäuden, ihrer Nutzung, ihrer Lage und ihres eigentlichen Werts ändern. So werde die Performance von Gebäuden für Unternehmen an Bedeutung gewinnen.

Zwar bleiben nach ihrer Einschätzung auch in Zukunft bonitätsstarke Mieter mit konjunkturresistenten Geschäftsmodellen und langfristigen Mieterverträgen im Fokus, doch bleibt mit der befürchteten Ausdünnung im Markt die Frage, wie viele davon nach der Pandemie noch zu finden sein werden. Aber auch: „Themen wie Nachhaltigkeit, psychische Gesundheit und das Wohlbefinden der Mitarbeiter sind relevanter als je zuvor“, glaubt Eickermann-Riepe.