Trends in Europa 2020

Investoren erwarten ein aktives Immobilienjahr

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rv DÜSSELDORF. Ungeachtet der politischen Unsicherheiten und der im Zuge des lang anhaltenden Booms steigenden Baukosten erwarten die 905 von der Wirtschaftsprüfungs- und Beratungsgesellschaft PricewaterhouseCoopers (PwC) gemeinsam mit dem Urban Land Institute (ULI) befragten Immobilienexperten aus 22 europäischen Ländern 2020 einen aktiven europäischen Immobilienmarkt. Angetrieben wird diese Zuversicht von der jüngsten EZB-Entscheidung, die Geldpolitik wieder zu lockern und die Zinsen noch lange niedrig zu halten. Vor diesem Hintergrund hat sich die Einschätzung gegenüber dem Vorjahr verbessert.

Treiber dieses Optimismus ist die Erwartung der europäischen Experten, dass der Immobilienbranche auch künftig genügend Eigen- und Fremdkapital zur Verfügung stehen wird. Denn die Anlage in Staatsanleihe bietet derzeit keine Alternative, zumal die niedrigen Renditen in schwachen südeuropäischen Ländern die tatsächlichen Risiken bedingt durch die lockere Geldpolitik der Europäischen Zentralbank (EZB) nicht mehr korrekt abbilden. Gleichzeitig haben insbesondere bei Core-Immobilien die Preise inzwischen ein sehr hohes Niveau erreicht.

Mit Blick auf den seit Jahren anhaltenden Boom im Bausektor bereiten die steigenden Baukosten den Marktteilnehmern 2020 die größten Sorgen. Gemäß der Studie „Emerging Trends in Real Estate Europe 2020 – Climate of Change“ von PricewaterhouseCoopers (PwC) und Urban Land Institute (ULI) treibt mehr als zwei Drittel der befragten Immobilieninvestoren dieses Thema um. In der Befragung 2018 lag der Wert mit 61% ebenfalls schon sehr hoch. Nach Einschätzung von Susanne Eickermann-Riepe, German Real Estate Leader bei PwC Deutschland, sind die steigenden Baukosten aber nur ein Teil des Problems, der andere Teil sind die Kapazitäten im Bausektor, die immer knapper werden und damit Einfluss auf die Zeitpläne der Projekte nehmen. Die Fertigstellung kann sich dadurch erheblich verlängern. Ein weiteres Problemfeld ist nach dem langen Boom die Verfügbarkeit von Immobilien, um die sich 62% der Befragten sorgen, und 34% befürchten 2020 sinkende Einnahmen.

Im Zuge des seit nunmehr etwa zehn Jahren währenden Booms verändern sich laut Studie auch die Anlageschwerpunkte. Während das Interesse der Investoren an Retail Assets ohne Bezug zum Lebensmittelhandel wie bei Fachmärkten und Fachmarktzentren bedingt durch den Strukturwandel und die Online-Konkurrenz in den vergangenen Jahren nachgelassen hat, richten die Investoren ihren Fokus laut Studie derzeit verstärkt auf Wohnimmobilien und Hotels. Der demographische Wandel und die Urbanisierung befördern diese Strategie. In diesem Kontext gewinnen auch Mischobjekte und das Thema Infrastruktur an Bedeutung.

Die Anlageschwerpunkte haben sich verändert

Der wachsende Online-Handel befördert auf der anderen Seite die Logistik-Branche, die mit ihrem neuartigen Segment „City Logistik“ versucht, mit Blick auf die schnelle Auslieferung immer näher an die Kunden heran zu kommen. Laut Studie ist das Potenzial im europäischen eCommerce noch ganz beachtlich. Vor allem wenn es um Lager für die Auslieferung auf der letzten Meile - sprich: aus dem städtischen Bereich heraus - geht, ist die Nachfrage nach Objekten und Flächen derzeit größer als das Angebot. In den stadtnahen Lagen konkurriert die Logistik aber auch mit anderen Nutzungsarten wie Wohnen. Und Büros

Im europäischen Städte-Ranking 2020 konnte die Bundeshauptstadt Berlin ihren zweiten Platz als begehrter Investitionsstandort der Investoren – trotz zunehmender Kritik und trotz Mietendeckel – verteidigen. Berücksichtigt wurden bei der Befragung die Perspektiven der verglichenen europäischen Städte in puncto Investment und Entwicklung sowie die Frage, wie viele Entscheider potenziell in einer bestimmten Stadt investieren würden. Laut Studie kritisieren die Investoren in Berlin die zu hohen Preise, die unbefriedigende Infrastruktur, was viele auch am neuen Berliner Flughafen festmachen, dessen Eröffnung immer wieder aufgeschoben wird.. Hinzu kommt der rasante Wandel in Berlin in Verbindung mit möglichen politischen und sozialen Folgen, der bei europäischen Immobilienexperten für Zurückhaltung sorgt.

Mit Blick auf den jüngst beschlossenen Mietdeckel konstatiert Eickermann-Riepe, dass damit ein Teil der Mieten in Berlin faktisch für die nächsten fünf Jahre eingefroren würde. Das könne den Businessplänen der Investoren widersprechen und ließe die Alarmglocken läuten. Mit Blick auf die steigenden Mieten auch andernorts bleibt aus ihrer Sicht abzuwarten, „ob und wann ähnliche Regularien auch in anderen deutschen und europäischen Städten eingeführt werden“. Vorerst bleibt die deutsche Bundeshauptstadt aber noch der Liebling der Branche, nur noch übertroffen von Paris, das den vorjährigen Spitzenreiter Lissabon vom ersten Platz verdrängt hat. Die portugiesische Hauptstadt ist auf den zehnten Platz zurückgefallen.

Der französischen Metropole Paris konzedieren die Investoren laut Studie ein großes Potenzial. Zu den Assets der französischen Hauptstadt zählten etwa die Olympischen Spiele 2024, die Hochgeschwindigkeitszüge, die Paris in zwei Stunden mit der britischen Hauptstadt London verbinden, sowie das 26 Milliarden Euro teure Megaprojekt „Grand Paris“, das die Stadt zu einer der wichtigsten Metropolen des 21. Jahrhunderts machen werde, wie es in der Studie heißt.

Paris steht in Europa an der Spitze

Aus der Riege der deutschen Städte finden sich noch Frankfurt/M auf dem dritten Platz, München auf Platz sieben und Hamburg auch Platz acht. Dabei punktet die Bayernmetropole mit ihrer diversifizierten Wirtschaft. Die Nachfrage nach Immobilien ist immer noch hoch und es gebe praktisch kaum Leerstand, heißt es weiter. Die Hansestadt Hamburg ist laut Eickermann-Riepe im europäischen Vergleich wettbewerbsfähig und beliebt bei den Investoren, doch gilt die Stadt auch als teuer.

London auf dem vierten Platz hat trotz Brexit nicht an Glanz verloren. Die Metropole ist laut Studie europaweit der aktivste Markt mit einem Transaktionsvolumen von 27 Mrd. Euro im dritten Quartal 2019 – mit großem Abstand vor Berlin (12 Mrd. Euro) und Paris (11 Mrd. Euro).

Risiken für die Immobilieninvestments bringt laut Studie der Klimawandel mit sich, auf den die Anleger bislang noch zu zögerlich reagieren würden. Laut Eickermann-Riepe wurde „bei Umweltfragen ein Wendepunkt erreicht, denn rund ein Drittel der globalen Emissionen stammen von Immobilien. Darauf reagiert die Branche noch zu langsam“, kritisiert sie. Während 37% der Befragten feststellen, dass ihr Portfolio „etwas“ vom Klimawandel berührt wird und nur 11% glauben, dass es „deutlich“ davon berührt wird, sehen 49% derzeit noch „kein gestiegenes“ Risiko für ihr Portfolio.“ Eickermann-Riepe stimmt „dieses Ergebnis nachdenklich, auch vor dem Hintergrund, dass die Regulierung mit dem EU-Action Plan zum Handeln zwingt“. Sie empfiehlt, schon jetzt darauf zu reagieren.