Retail Real Estate Report

Investoren außerordentlich optimistisch

Mischobjekte rücken in den Fokus der Investoren. Foto: Hahn Gruppe

Während der Ausbruch der Corona-Pandemie in Deutschland den Einzelhandel 2020 spürbar belastete, hat sich die Stimmung nach den Lockerungen im Sommer wieder entspannt. Das lässt sich laut Hahn Retail Real Estate Report an den Expansionsplänen der Einzelhändler ablesen. Als Belastung werden aber die steigenden Baukosten empfunden. Aufgehellt hat sich auch wieder die Stimmung der Investoren, die sich aber vor allem Sorgen über den stetig wachsenden Online-Handel machen.

Nachdem den meisten Einzelhändlern (58%) im Corona-Jahr 2020 mit seinen Unwägbarkeiten der Sinn nicht nach Expansion stand, hat sich das Blatt 2021 wieder gewendet. So ergab die Umfrage unter 106 Expansionsexperten, die das EHI Retail Institute im Juni in Zusammenarbeit mit der Hahn Gruppe für den 16. Hahn Retail Real Estate Report2021/22 durchführte, dass viele Experten die Pandemie und die damit verbundenen Veränderungen auch als Chance sehen. Jedenfalls gaben 42% der Befragten an, dass sie auf Grund der coronabedingten Schließungen in diesem Jahr besser an attraktive Mietflächen kommen können.

Mehr als die Hälfte der Expansionsverantwortlichen (52%) plant, die Zahl der Standorte bis zum Jahresende 2021 gegenüber 2020 zu erhöhen. Das sind zehn Prozentpunkte mehr als im Jahr 2020 mit 42%. Etwa ein Viertel möchte das bestehende Filialnetz halten (2020: 27%) und mit 23% erwarten deutlich weniger Expansionsverantwortliche als 2020 mit 31% eine Verkleinerung des Filialnetzes.

Des Weiteren sind viele Expansionsspezialisten (60%) der Meinung, dass die Pandemie auch „neue Expansionstrends hervorgerufen beziehungsweise vorangetrieben hat“, wie es im Hahn-Report heißt. Denn das veränderte Mobilitätsverhalten und die Arbeit vieler Arbeitnehmer im Homeoffice hat Klein- und Mittelstädten neue Chancen eröffnet, während die großen Metropolen darunter leiden, dass viele Arbeitnehmer zu Hause arbeiten und Touristen sowie Messebesucher noch fernbleiben.

Allerdings ist der deutsche Einzelhandel „unterschiedlich gut durch diese Zeit gekommen“, wie auch Thomas Kuhlmann, CEO der Hahn Gruppe, mit Blick auf das gute Abschneiden des Lebensmittelhandels und die Probleme des Nonfood-Handels, der von Zwangsschließungen betroffen war, anmerkt. So ist es nicht überraschend, dass vor allem die Lebensmittelhändler (53%) ihr Flächenwachstum vorantreiben wollen und „nur sehr vereinzelt Unternehmen aus anderen Branchen, wie Gesundheit und Beauty mit einem Anteil von 13%“ dabei sind. Im Umkehrschluss rechnet die Bekleidungs- und Textilbranche, die sich nach den Zwangsschließungen in der Konsolidierungsphase befindet, bis zum Jahresende mit eher gleichbleibenden beziehungsweise tendenziell eher kleineren Verkaufsflächen. Hier haben viele Unternehmen im Zuge von Schutzschirm- oder Insolvenzverfahren während der Corona-Krise Ballast abgeworfen und ihr Filialnetz verkleinert. Andere, wie die Bekleidungs-Ketten P&C sowie Sinn nutzen die aktuelle Lage, um sich gute Standorte zu sichern.

Umgekehrt präsentiert sich das Bild, wenn es um die Umsatzerwartungen für das zweite Halbjahr geht. Der Anteil der Befragten, der seit der Wiedereröffnung der Geschäfte mit steigenden Erlösen rechnet, ist von 20% (2020) auf 34% in diesem Jahr gestiegen und der Anteil der „deutlich steigende Umsätze“ erwartet, stieg von 11% im Vorjahr auf 25% in diesem Sommer.

Hoffnung auf steigende Umsätze gestiegen

Zu dieser Gruppe gehören laut Hahn Report vor allem die Branchen, die über einen längeren Zeitraum bedingt durch die Zwangsschließungen Umsatzeinbußen verzeichnen mussten wie der Textil- und Bekleidungshandel, der Schuhhandel, die Gastronomie, der Bereich Gesundheit und Beauty, der Möbelhandel und die Anbieter von Hobby- und Freizeitartikeln. Konkret erwarten laut Hahn-Report 30% der Befragten eine „weitestgehend stabile Umsatzentwicklung in der zweiten Jahreshälfte“, nach 24 im Jahr 2020. Dies treffe aber vor allem auf den nicht von den Schließungen betroffenen Lebensmittelhandel zu. Im Umkehrschluss ist der Anteil der Experten, der „sinkende“ oder „deutlich sinkende“ Erlöse erwartet von 45% im Sommer 2020 auf 10% geschrumpft. Zu diesen Branchen gehören die Unterhaltungselektronik und die Telekommunikation, die Bau und Gartenmärkte, die aber 2020 nicht schließen mussten und deutliche Umsatzzuwächse erzielten.

Günstig entwickelten sich in den Zeiten der Pandemie für viele Einzelhändler die Mieten, zumal der Vermietungsmarkt für Retail Assets schon vor Corona unter Druck stand. So heißt es im Report unter der Headline: „Pandemie-Verhandlungen stabilisieren Mietvertragskonditionen“, dass sich aus Sicht der Einzelhändler im Vergleich zur Vorjahresbefragung in allen Dimensionen eine tendenzielle Verbesserung der Mietvertragskonditionen zu ihren Gunsten vollzogen hat.

Demnach hat sich der Anteil der Befragten, der von einer Verbesserung der Mietvertragslaufzeiten spricht, gemessen am Vorjahr um 11 Prozentpunkte von 37% auf 48% erhöht. Der Anteil, der von gleichbleibenden Laufzeiten berichtet, ging von 55% auf 49% zurück.

Aus Sicht von 39% der Befragten haben sich die Sonderkündigungsrechte und für 45% die Mieten zu ihren Gunsten verbessert. Gleichwohl würden 59% der Befragten laut Report „eine Ausweitung von Sonderkündigungsrechten als Stärkung des stationären Einzelhandels begrüßen“.

Trotz der positiven Stimmung sehen die Expansionsspezialisten branchenübergreifend externe Faktoren, die eine Expansion des stationären Handels stark oder sehr stark behindern. Dazu gehören die eingeschränkte Verfügbarkeit von Gewerken (90% der Nennungen), hohe Bau und Modernisierungskosten (85%) und hohe Mieten (76%). Ein Problem bleibt zudem das restriktive Baurecht (70%) sowie der Mangel an geeigneten Objekten und Standorten (68%).

Hohe Baukosten könnten die Expansion begrenzen

Einen „überdurchschnittlich großen Optimismus“ hat Hahn-CEO Kuhlmann bei der Befragung von 47 Experten aus dem Bereich Asset- und Fonds-Manager (40%), Banken und Finanzinstitute (32%), Pensionskassen, Versorgungswerke und Stiftungen (15%) sowie Immobilien-AGs/REITs, Versicherungen und Sonstige mit je 4% ausgemacht. Denn 75% der Handelsimmobilien-Investoren wollen im nächsten Halbjahr Objekte aus diesem Segment zukaufen und 43% erwarten dabei tendenziell sinkende Renditen. „Die abgefragte Kaufneigung der Investoren war in den letzten zehn Jahren noch nie so hoch wie in diesem Jahr“, heißt es in der Studie.

Dass sich der Fokus dabei auf Fachmarktimmobilien mit Schwerpunkt Lebensmittel und Nahversorgung wie Fachmarktzentren, Supermärkte, SB-Warenhäuser und Verbrauchermärkte richtet, ist schon seit Jahren zu beobachtet. Der Trend habe sich gegenüber 2020 noch verstärkt. Auf den weiteren Plätzen folgen „wandlungsfähige Mixed-Use-Immobilien“, innerstädtische Geschäftshäuser sowie Bau- und Heimwerkermärkte. Shopping-Center, die meist stark von den Zwangsmaßnahmen betroffen waren, sind weniger gefragt.

Diese „Eindeutigkeit der Präferenzen“ wird laut Hahn-Report den Angebotsmangel, über den jeder zweite Investor klagt, aber weiter forcieren. Zumal das Gros der Befragten (60%) den deutschen Investmentmarkt für Handelsimmobilien im internationalen Vergleich als „überdurchschnittlich attraktiv eingestuft“. Deshalb erwarten mit 43% wieder mehr Experten als 2020 (25%) sinkende Nettoanfangsrenditen. Das könnte am ehesten für Supermärkte, Lebensmittel-Discounter und Fachmarktzentren gelten. 40% glauben, dass das Renditeniveau gleichbleibt. Dass die Renditen  steigen, können sich 17% vorstellen, am ehesten bei Shopping-Centern.

Neben der Tatsache, dass ein Großteil der Investoren (55%) davon ausgeht, dass sich die Folgen der Pandemie mit Verzögerung auch auf dem Handelsimmobilienmarkt auswirkt, sehen 81% aber den eCommerce als Konkurrent des stationären Einzelhandels als größten Risikofaktor bei Handelsimmobilien-Investments. Aber auch die Nachhaltigkeitsanforderungen beschäftigen die Investoren (49% der Nennungen), auf einen deutlichen Zinsanstieg entfielen 19% der Nennungen.