Urbane Quartiere und Mischobjekte

Investition in mehr Konjunktur-Resilienz

Das neue Quartier ZAM in München soll 2024 fertig werden. Bild: IPH

Mischobjekte und Quartiere finden zunehmend das Interesse der Investoren, die dafür auch die langjährige Leitlinie aufgeben, dass nur Spezialisierung Erfolg verspricht. Die Transaktionsvolumina sind inzwischen beachtlich. Doch was sind eigentlich Quartiere und welche Erfolgsfaktoren müssen sie erfüllen?

Jede Immobilien-Klasse hat ihre spezifischen Eigenheiten. Das gilt vor allem bei Handelsimmobilien. Um den Besonderheiten gerecht zu werden, haben sich die Investoren in der Vergangenheit strikt auf ihre Segmente spezialisiert. Diese Investitionsstrategie bewegte sich entlang des städtebaulichen Paradigmas der Charta von Athen, die eine strikte Trennung von Arbeitswelt (Büros), Einkaufslagen (Handelsimmobilien) und puristischen Wohnvierteln propagierte.

Doch diese Trennung der Lebensbereiche führte gemäß der Studie Wie werden Quartiere zu einer neuen Erfolgsstory in Deutschland von CBRE in Zusammenarbeit mit der European Business School und der Northern Business School in den Städten zu einer „Entmischung“ mit wachsenden Problemen durch soziale Abspaltungen (soziale Brennpunkte), ökologische Probleme und eine hohe Verkehrsbelastung durch den Berufsverkehr in der Stadt der langen Wege. Zudem verloren die Städte ihre Funktion als Kommunikations- und Diskussionsorte.

Dieses Defizit städtebaulicher Monostrukturen rückte durch die Zwangsschließungen des innerstädtischen Nonfood-Handels während der Pandemie-Bekämpfung nochmals deutlicher ins Blickfeld, als die Stadtzentren selbst an Samstagen verödet waren. Das hat der Diskussion über die Vorteile, die eine Vermischung der Nutzungen für die Lebendigkeit der Städte mit sich bringt, nochmals Auftrieb gegeben und den städtebaulichen Sinn der Trennung in Frage gestellt. Ein Synonym für diese Nutzungsvermischung sind die Marktplätze und Quartiere früherer Jahrhunderte.

„Aufgrund dieser neuen Sichtweise wird heutzutage dem Marktplatz innerhalb von Städten, Siedlungen und Quartieren wieder eine Schlüsselstellung bei der Kommunikation der unterschiedlichen Akteure und der Zusammenführung der unterschiedlichen städtischen Nutzungen eingeräumt“, heißt es in der CBRE-Studie. Im immobilienwirtschaftlichen Kontext rücken dabei insbesondere urbane Quartiere als jahrhundertealte städtebauliche Konstrukte „mit einer Vielfalt an Nutzungen, die über eine hohe soziale und wirtschaftliche Stabilität verfügen“ vermehrt in den Blickpunkt der Investoren.

Das Problem ist, dass der Quartiersbegriff laut CBRE nicht allgemeingültig abgegrenzt wird und eher als Qualitätsbegriff für Multidimensionalität verstanden wird. Klar ist aber: Quartiere können aus einzelnen Gebäuden (Single Assets) und aus mehreren Gebäuden bestehen, die funktional miteinander verknüpft sind (Multi Assets). Sie sind facettenreich in Form und Größe.

Der Antwort auf die Frage, was Quartiere konkret sind, nähert sich die Studie mit der Feststellung, dass ihr Herzstück der vielfältige Nutzungsmix als gemeinsames Leitbild aller Quartiersdefinitionen ist, der auf der klassischen Mischung von Büro, Einzelhandel, Gewerbe sowie Wohnen und der Verknüpfung mit sozialen Komponenten und öffentlichen Begegnungsmöglichkeiten für Freizeit, Bildung und Kultur beruht.

Als „wahrscheinlich wichtigste Eigenschaft von Quartieren“ gilt dabei ihre „Multidimensionalität“, die darin besteht, dass Lage, Umfang und Nutzungen nicht nebeneinander her bestehen, sondern miteinander verknüpft sind, etwa durch „Wegebeziehungen, Grünflächen und die Einbindung in den Stadtraum“, wie es weiter heißt: „Die Stakeholder, wie Kommunen, Investoren, Projektentwickler und auch die Nutzer bestimmen den Charakter des Quartiers und die Identifizierung mit diesem.“

Auf der Grundlage der unveröffentlichten Masterarbeit von David Grüter zeigt die Studie auf, welches die Erfolgsfaktoren einer Quartiersentwicklung sind, wobei die Basis dazu eine parameterbasierte strukturierte Bewertungsmatrix sein kann, wie sie auch standardisierte Zertifikate wie BREAM oder DGNB verwenden. Dabei erhielt laut Grüter die Aufenthaltsqualität vor der ÖPNV-Infrastruktur und Grünflächen resp. Naherholungsanlagen sowie der Nah- und Grundversorgung mit über 4,6 die höchste Bewertung in einer Bewertungsskala von 0 bis 5.

Quartiere als Antwort auf die heutigen Megatrends

Mit Werten in der Bandbreite von etwas über 4,2 bis gut 4,4 folgten Themen wie die Fahrradinfrastruktur, kurze Wege, Walkability, die Nutzbarkeit des Quartiers für alle Nutzergruppen, das Vorhandensein (kommunaler) öffentlicher Räume, die Bildungsinfrastruktur und die Sicherheit, wofür sich ein Sicherheitskonzept empfiehlt und für das Funktionieren des Quartiers ein Quartiersmanagement.

Solche Quartiere stellen schon durch die Vielfalt an Nutzungen höhere Anforderungen an das Management, gleichzeitig können sie eine höhere Resilienz aufweisen als monostrukturelle Assets, denn die einzelnen Anlage-Klassen befinden sich oft in unterschiedlichen Zyklen oder unterstützen sich gegenseitig wie die Anwohner und die Beschäftigten im Quartier, die in den Geschäften vor Ort einkaufen und die Gastronomie besuchen. Gleichzeitig erhöhen Nahversorgung und Gastronomie die Aufenthaltsqualität.

Aus immobilienwirtschaftlicher Sicht sind Quartiere und Mischobjekte eine neue Asset-Klasse mit Wertsteigerungspotenzial, wie im neuen Report Urban Redevelopment von CBRE in Zusammenarbeit mit dem Investment-, Asset- und Development-Manager Kintyre steht.Aus Sicht der Experten geben Quartiere die Antwort auf die Megatrends Urbanisierung, demographischer Wandel, Mobilität und Digitalisierung. Deshalb haben sie untersucht, wie sich die Stadtquartiere als Marktprodukt entwickelt haben und welche Möglichkeiten für Anleger bestehen, in diese Assets zu investieren.

In der Untersuchung wurden Immobilien mit einer Größe von mindestens 10 000 qm und einer Mischung aus mindestens drei verschiedenen Nutzungsarten berücksichtigt. „Da diese Objekte nur einen Teil der vielfältigen möglichen Quartiersausprägungen repräsentieren, werden sie als Mixed-Use-Objekte bezeichnet“, heißt es im Report.

Dabei zeigt die Auswertung des Transaktionsgeschehens nach den Worten von Prof. Alexander von Erdély, CEO von CBRE in Deutschland, dass sowohl Quartiere als auch Mixed-Use-Immobilien im Investmentmarkt inzwischen einen festen Platz erreicht haben – vor allem bei institutionellen Investoren. Den größten Anteil vereinigten 2021 mit 29,1% offene Immobilienfonds und Spezialfonds auf sich, gefolgt von Asset- und Fondsmanager mit 26,4% sowie Versicherungen und Pensionsfonds mit 26,2%. Das Charakteristische dieser Anleger ist nach den Worten von Jan Schwarze, Team Leader Research bei CBRE Deutschland, dass sie vor allem risikoavers und eigenkapitalstark sind. Er sieht darin einen Beleg für das „Vertrauen in die langfristige Stabilität“ dieser Anlageklasse.

Allerdings gilt es – wie oben erwähnt – zu unterscheiden, was unter Quartieren und Mischobjekten landläufig subsummiert wird. Nach der von CBRE zugrunde gelegten engen Definition wurden im Zeitraum der vergangenen fünf Jahre etwa 1,8 Mrd. Euro jährlich in echte Mischobjekte und Quartiere investiert – bei 81 Transaktionen.

Nach der deutlich weiter gefassten Definition der Märkte ist der Anteil der Assets am gesamten Transaktionsvolumen laut CBRE von gut 5% im Jahr 2016 auf etwas unter 11% im Jahr 2019 mit einem Volumen rund 9 Mrd. Euro gestiegen. Im schwierigen Corona-Jahr 2020 ging das Investment zwar auf rund 5,5 Mrd. Euro zurück, doch blieb die Zahl mit 93 zu 94 Deals in etwa auf dem Niveau der Vorjahre. 2021 wurde laut Report mit 84 Deals und einem Volumen von 7,2 Mrd. Euro wieder ein überdurchschnittliches Niveau und ein Anteil von 5% erreicht.

 Eine Anlage-Klasse für risikoaverse Anleger

Diese Differenz zwischen den Zahlen dürfte auch ein Beleg dafür sein, dass das Interesse der Investoren an dieser Anlageklasse größer ist als das Angebot an echten Quartieren und Mischobjekten. Dabei bieten Neuentwicklungen hierzulande kaum eine Option, da Bauland in attraktiven Lagen knapp ist und die Genehmigungspraxis restriktiv. Deshalb bietet sich die Restrukturierung und Umwandlung von bestehenden monofunktionalen innerstädtischen Bestandsgebäuden an, deren Konzept nicht mehr wirtschaftlich ist wie etwa Warenhäuser oder Einkaufszentren. Oft funktioniert der Einzelhandel nur noch im Erd- und im ersten Obergeschoss. Die oberen Etagen bieten sich laut Report in wachstumsstarken Regionen für Wohnungen an.

Da etwa 25% der hiesigen Shopping-Center mit einer Fläche von insgesamt 2,6 Mio. qm revitalisiert werden müssen, gibt es laut Report bei Sanierungskosten von 2 000 Euro je qm allein in diesem Segment ein Investitionspotenzial von 5,2 Mrd. Euro für die Umwandlung in Mischobjekte. Beim Blick in die Zukunft geht von Erdély davon aus, dass die Nachfrage nach urbanen Quartieren mittelfristig genauso steigen wird wie die nach Misch-Immobilien und sich diese Assets als eigenständige Klasse etablieren werden.

Hinzu kommt, dass Immobilien heute nicht nur ökologischen Anforderungen gerecht werden müssen, sondern zunehmend auch sozialen Aspekten. Beides müssten moderne Quartiere miteinander verbinden und „aktiv als ,Space-as-a-Service‘ gemanagt werden“. Damit haben die Investoren bei einem Investment in diese Anlageklasse die Chance, wichtige ESG-Kriterien unter einen Hut zu bringen. „Gleichzeitig kann die Immobilienbranche damit auch den Städten Mehrwerte bieten, wie es bei einzelnen Objekten oft nicht möglich ist“, so der CBRE-Deutschland-Chef.

Die Renditen von solchen Mischobjekten liegen laut Report meist unter denen von monofunktionalen Gebäuden. „Trotz der größeren Anforderungen an Investoren, die vor allem durch den größeren Managementaufwand entstehen, ist die Rendite angesichts der eingepreisten zusätzlichen Sicherheit geringer“, berichtet Schwarze. Die generelle Entwicklung verläuft parallel zur Rendite von monofunktionalen Immobilien. Deshalb werden die Renditen mit Blick auf die Zinswende auch hier anziehen. Unterschiede bei der Bruttorendite bestehen laut Schwarze in Abhängigkeit von der dominierenden Nutzungsart, „bezogen auf den relativen Flächenanteil innerhalb des Objektes“.