rv DÜSSELDORF. Mit der Attraktivität der europäischen Einzelhandelsmärkte – gemessen im Global Retail Attractiveness Index (GRAI) – geht es im Frühjahr 2025 weiter bergauf. Wenn auch nur in kleinen Schritten. So stieg der Index gegenüber 2024 um einen weiteren Punkt auf 115 – und liegt damit inzwischen wieder deutlich über dem Wert von knapp unter 90 im Corona-Jahr 2020. Seit der ersten Erhebung im Jahr 2018 erreicht der Index damit sogar einen neuen Höchstwert.
„Die Mehrzahl der europäischen Einzelhandelsmärkte präsentiert sich drei Jahre nach der Krise gestärkt – mit gesunden Fundamentaldaten, vor allem steigenden Einzelhandelsumsätzen und intakten Arbeitsmarktzahlen“, sagt Henri Eisenkopf, Director Transactions Shopping Places bei Union Investment, die den Index in Zusammenarbeit mit der GfK ermittelt: „Entsprechend lässt sich auch ein verbessertes Sentiment bei institutionellen Investoren beobachten, die in zunehmendem Maße auch wieder Einstiegschancen in Retail sondieren“, so der Experte.
Konkret hat sich die Verbraucherstimmung im Retail Index Europa gegenüber dem ersten Quartal 2024 weiter um 2 Punkte verbessert, genauso wie die Händlerstimmung. In dieser Größenordnung erhöhte sich im Schnitt der betrachteten 15 europäischen Länder auch der Indikator Einzelhandelsumsätze. Dagegen ist der Indikator Arbeitslosigkeit um 4 Punkte gesunken.
Vor allem in Großbritannien – hier ist die Marktbereinigung nach den Wertkorrekturen durch die Zinswende 2022 schneller vollzogen und Wertverluste sind zügiger abgeschrieben worden als anderswo – nimmt der Investmentmarkt für Retail Assets wieder stärker Fahrt auf. Laut BNP Paribas Real Estate haben die Spitzenrenditen im britischen Markt zuletzt sogar wieder etwas nachgegeben. Vor diesem Hintergrund hat sich Großbritannien 2024 auf dem europäischen Transaktionsmarkt von Deutschland auch wieder den Spitzenplatz zurückgeholt.
Im Zuge der positiven Veränderung beim europäischenGlobal Retail Attractiveness Index registriert Eisenkopf denn auch bei den Investoren einen veränderten Blick auf die Anlageklasse. Denn nachdem anfänglich vor allem Objekte mit Wertsteigerungspotenzial im Fokus standen, würden Anleger in Europa nun wieder vermehrt Ausschau „nach Core-Immobilien in der gesamten Retail-Bandbreite, darunter auch Shopping-Center“ halten. Der Anteil der Shopping-Center-Transaktionen am Investitionsvolumen war in den vergangenen Jahren eher gering.
Im Fokus standen vor allem Fachmarktimmobilien und Fachmarktzentren mit Schwerpunkt Nahversorgung sowie vereinzelt gute Geschäftshäuser in Top-Lagen und Warenhausimmobilien, die im Zuge der Galeria-Insolvenzverfahren auch sehr stark von Städten und Gemeinden erworben wurden, die auf diesem Weg versuchen wollen, die für die Innenstädte wichtigen Großimmobilien durch Umnutzung zu erhalten. Denn Leerstand belastet die gesamte Einzelhandelslage.
Für einen Investment- und Asset Manager wie Union Investment Real Estate verspricht die aktuelle Marktphase mit ihrem positiven Trend in der operativen Performance von Handelsimmobilien aus Sicht von Eisenkopf „attraktive Renditebeiträge im Bestand“, aber auch gute Möglichkeiten für profitable Verkäufe von Objekten.
Schwache Performance in Finnland und Dänemark
Zur Attraktivitätssteigerung im europäischen Markt für Retail Assets tragen im Jahresverlauf laut Union Investment die mehr oder weniger kräftigen Aufschwünge in sieben der insgesamt 15 betrachteten europäischen Einzelhandelsmärkten bei. In Tschechien fallen die Zuwächse mit einem Plus von 12 Punkten auf 129 Zähler besonders stark aus – und in Schweden mit einem Plus von sieben Punkten. Das skandinavische Land bleibt trotz dieser deutlichen Verbesserung auf 99 Zähler damit aber immer noch leicht unter der Gleichgewichtsmarke von 100 Punkten.
Der unveränderte Spitzenreiter im Europa-Ranking, Polen, büßte zwar drei Punkte ein, blieb mit einem Wert von 134 Zählern aber immer noch auf Platz eins, vor dem bereits erwähnten Shooting-Star Tschechien. Der Dritte im Spitzen-Trio ist Portugal mit einem Plus von drei Punkten auf 121 Zähler. Es folgt Spanien mit +3 Zählern auf 119 Punkte vor Großbritannien mit +3 und Italien mit +2 Zählern auf jeweils 117 Punkte.
In diesem Umfeld kann der deutsche Einzelhandelsmarkt sein gutes Niveau von 112 Punkten im ersten Quartal behaupten. Auch Österreich verzeichnete ein Plus von 5 Punkten, bleibt mit 97 Zählern damit aber immer noch unter der 100-Punkte-Marke. Laut Union Investment lässt diese Entwicklung für das Alpenland aber eine Trendumkehr erkennen. Frankreich, das in den Ranglisten des RICS Global Commercial Property Monitor das Schlusslicht in Europa bildet, verlor 4 Punkte, blieb mit einem Wert von 110 Zählern aber über der 100 Punkte-Marke. Nur Dänemark mit-4 Punkten auf 92 Zähler und Finnland mit -8 Zählern auf 93 Punkte zeigen keine Belebungstendenzen und bilden die Schlusslichter im aktuellen Europa-Ranking.
Während die europäischen Einzelhandelsmärkte – abgesehen von den beiden Schlusslichtern – zunehmend ihren Weg aus der Krise finden, hinkt laut Union Investment die Entwicklung auf den nordamerikanischen Märkten noch hinter diesem Trend her. So lag der Index in den USA mit 99 Zählern (-1 Punkt) knapp unter der 100 Punkte-Marke. Kanada verzeichnete sogar ein Minus von 7 Punkten auf nur noch 78 Zähler. Der Gesamtindex für Nordamerika lag mit 97 Punkten (-2 Zähler) damit deutlich unter dem europäischen Niveau von 115 Punkten.
Laut Union Investment ist auch die Region Asien/Pazifik mit 93 Zählern weit abgeschlagen – auch wenn sich der GRAI um einen Punkt verbessert hat. In dieser Region werden die Länder Japan, das ein Plus von einem Zähler auf 93 verzeichnete, Südkorea mit -12 auf 86 Punkte und Australien mit 78 Punkten betrachtet.
Beim Blick auf den weiteren Jahresverlauf erwartet Henri Eisenkopf, dass Handelszölle und eine sich abschwächende Entwicklung des Brutto-Inlands-Produkts (BIP) „den Handel zumindest temporär negativ beeinflussen können”.