Online-Handel

In einigen Branchen scheinen die Wachstumsgrenzen erreicht

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Nachdem der Online-Handel während der Pandemie den von Zwangsschließungen gebeutelten stationären Geschäften das Leben schwer gemacht hatte, mit der Normalisierung des Alltagslebens aber selbst spürbare Umsatzeinbußen hinnehmen musste, wurden die Verhältnisse zwischen „online“ und „offline“ zuletzt wieder neu justiert. Im Online-Handel ist der Abwärtstrend gestoppt und der stationäre Einzelhandel verzeichnet wieder leichte Zuwächse.

Abzulesen ist das an den vorläufigen Zahlen des Statistischen Bundesamtes (Destatis), wonach der Internet- und Versandhandel in den ersten acht Monaten des laufenden Jahres nominal zwar leicht um 0,6% gewachsen ist, real aber einen Umsatzrückgang von -0,5% hinnehmen musste. Gleichzeitig sind die Erlöse im Einzelhandel in Verkaufsräumen nominal um 2,1% gestiegen, sodass nach der Abschwächung der Teuerungsraten real noch ein kleines Plus von 0,2% blieb.

Auch der Blick auf die absoluten Zahlen zeigt, dass der Online-Hype vorerst abgeflacht ist: Nach zweistelligen Zuwachsraten von 23,1% im Coronajahr 2020 auf 72,1 Mrd. Euro und von 19,1% auf den Spitzenwert von 86,7 Mrd. Euro (2021) ist der Online-Umsatz wieder auf 84,5% (2022) und 85,4% (2023) gesunken. Seit dem Höhepunkt 2021 nehmen die durchschnittlichen Online-Ausgaben je Käufer wieder ab. Für dieses Jahr prognostiziert der HDE ein Volumen von 87,1 Mrd. Euro (nominal +2,0%), wie es im Online Monitor des Handelsverbands Deutschland (HDE) in Zusammenarbeit mit dem IFH Köln heißt. 2023 lag das Plus bei 1,0%. Der stationäre Einzelhandel soll nach diesen Prognosen um nominal 1,2% auf 570,3 Mrd. Euro wachsen.

Damit pendeln sich die Wachstumsraten im Online-Handel wieder auf Normalniveau ein, auch wenn die absoluten Umsatzzahlen nicht mehr auf das Vor-Corona-Niveau von 59,2 Mrd. Euro (2019) zurückgefallen sind. Dieser deutliche Umsatzanstieg war laut Online-Monitor in allen Branchen mehr oder weniger stark ausgeprägt – vor allem aber bei Lebensmitteln. Insgesamt wird heute also etwas mehr online eingekauft als vor Corona – nicht zuletzt, weil durch die Schließung der Innenstädte mehr Kunden zwangsläufig den Weg in den Online-Shop finden mussten und auf den Geschmack gekommen sind. Das gilt vor allem für ältere Jahrgänge ab 55 Jahre.

Wie sehr die Zwangsmaßnahmen während der Corona-Pandemie den Markt verändert haben, zeigt der Blick auf die verschiedenen Online-Branchen. Denn die Heimwerker- und Gartenmärkte, die Bereiche Wohnen & Einrichten sowie Consumer Electronic (CE)/Elektro, die 2020/21 davon profitierten, dass die Menschen – nicht zuletzt auch durch Homeoffice – zu Hause eingesperrt waren und deshalb ihr Heim verschönerten, verzeichneten auf Grund von Sättigungstendenzen im Vorjahr Umsatzrückgänge in der Bandbreite von 2,5 bis 2,9%. Gleichzeitig ist im stationären Nonfood-Einzelhandel zu beobachten, dass die Bundesbürger hier offenbar einen Nachholbedarf verspüren und mehr einkaufen. So ist 2022 bis 2023 der stationäre Nonfood-Handel um 1,6% gewachsen, der Online-Handel – ausgehend von einer deutlich kleineren Ausgangsbasis – nur um 0,5%.

Lediglich bei Lebensmitteln lag der Zuwachs mit 7,2% im Online-Verkauf 2023 deutlich über dem Plus von 5,7% im stationären Lebensmittelhandel, so dass auch der Anteil von Lebensmitteln am gesamten Online-Umsatz (85,4 Mrd. Euro) von 12,1% (2022) auf 13,3% gestiegen ist. Der Anteil am gesamten deutschen Branchenumsatz mit Lebensmitteln erhöhte sich dadurch aber nur von 4,4 auf 4,5%. Dagegen ist der Anteil des Online-Verkaufs von Mode & Accessoires 2023 am gesamten Branchenumsatz im Jahresvergleich von 42,9% auf 41,8% gesunken und bei CE/Elektro von 39,7 auf 38,8%. Und auch der Anteil der Branchen am Online-Umsatz ist leicht zurückgegangen.

Man könnte daraus schließen, dass diese beiden Branchen mit dem höchsten Anteil am Online-Verkauf und am gesamten Branchenumsatz in punkto Online-Vertrieb inzwischen an Wachstumsgrenzen stoßen. Zuwächse sind im Jahresvergleich nur noch in Branchen mit einem ohnehin sehr geringen Anteil am gesamten Onlineumsatz zu verzeichnen wie bei Uhren & Schmuck sowie bei Büro & Schreibwaren oder Gesundheit & Wellness. Hier gibt es noch Wachstumspotenzial.

Online-Handel mit Lebensmitteln sehr gering

Interessant ist auch der Blick auf die Anteile der jeweiligen Einzelhandelsbranchen am Online-Umsatz und am stationären Umsatz (563,6 Mrd. Euro). Hier zeigen sich eklatante Unterschiede (siehe Grafik S.4). Denn während der Lebensmittelhandel (FMCG) mit 43,4% den mit Abstand größten Anteil am stationären Einzelhandel auf sich vereinigt, liegt sein Anteil am Online-Umsatz – wie oben erwähnt – nur bei 4,5%. Und Experten erwarten angesichts des engen Netzes aus Lebensmittelmärkten nicht, dass es dem Online-Handel gelingt, den stationären Händlern große Marktanteile abzujagen. Zumal auch diese selbst 45,5% des Online-Handels bestreiten.

Dagegen kommt die größte Online-Branche, der Handel mit Mode & Accessoires, beim stationären Gesamtumsatz nur auf einen Anteil von 4,9%, gefolgt von CE/Elektro mit 5,1%. Freizeit & Hobby kommt im Online-Handel auf einen Anteil von 15,5% und im stationären Handel von 4,5%. Daraus lässt sich schließen, dass für den Online-Verkauf in der Breite offenbar bestimmte Branchen geeigneter sind als andere. Insgesamt liegt der Anteil des gesamten Online-Handels am deutschen Einzelhandelsumsatz nach Schätzung des HDE bei inzwischen 13,1% - 2021 waren es 14,7%.

Dass sich der stationäre Einzelhandel gegenwärtig stärker erholt als die Online-Konkurrenz zeigt auch der Blick auf die Performance der einzelnen Branchen. Im Online-Handel sind es 2023 mit CE/Elektro (-2,5%), Heimwerken & Garten (-2,9%) sowie Wohnen & Einrichten (-2,7%) drei Branchen, die rückläufige Umsätze hinnehmen mussten, im stationären Einzelhandel lag nur der Bereich Wohnen & Einrichten mit 0,6% im Minus. Alle übrigen verzeichnen mehr oder weniger starke Zuwächse. „Auch die Pro-Kopf-Ausgaben sind online mehrheitlich rückläufig, offline mehrheitlich wachsend“, heißt es im Online-Monitor weiter.

Nach 20 Jahren Online-Handel – zunächst durch Riesen wie Amazon, aber auch Ebay,Otto sowie Zalando und später auch durch den stationären Einzelhandel selbst geprägt – hat sich laut Online-Monitor inzwischen herauskristallisiert, dass in Deutschland vor allem die Bedeutung von Online-Marktplätzen, die 2023 ein Umsatzplus von 10% erzielten, stark zunimmt. Laut Stephan Tromp, stellvertretender Hauptgeschäftsführer des HDE, wurde im vergangenen Jahr mehr als die Hälfte (54%) der gesamten Online-Umsätze in Deutschland über Online-Marktplätze erzielt. Sorge bereitet der Branche in diesem Kontext aber die aggressive Expansion von chinesischen Marktplätzen wie Temu, die laut Tromp Waren verschicken, die zum großen Teil nicht den in der EU gültigen Vorgaben für Preisangaben, Webseitengestaltung, Produktsicherheit, Umweltschutz oder Steuer- und Zollrecht entsprächen. Das gefährde den fairen Wettbewerb.

Die Umfragen zum Online Monitor ergaben aber auch, dass unter den Bestellern die Skepsis gegenüber Bestellungen bei ausländischen Onlineshops zunimmt, und der Teil der Befragten, der im Ausland bestellt, abnimmt. Nach einem rasanten Wachstum auch in Deutschland verzeichnete Temu im Jahr 2024 abnehmende Besucherzahlen.

Onlineanbieter wenden sich wieder mehr Offline-Handel zu

Der Blick auf die deutschen Marktplätze und Formate ergab laut Monitor außerdem, dass sich mit der Normalisierung des Einkaufsalltags einige Onlineanbieter mit stationärer DNA – sprich: stationäre Händler mit Multi-Channel-Strategie – wieder stärker auf ihren Offline-Kanal fokussieren und weniger übers Internet verkaufen. Auch die Bedeutung des eigenen Online-Shops nehme wieder leicht ab. Das relativ gute Abschneiden des stationären Einzelhandels ist eine günstige Basis für diesen Kurswechsel.

Andere halten dagegen ihren Online-Anteil vor allem mit Click & Collect-Angeboten stabil. Diese teilweise Verlagerung führt dazu, dass Anbieter mit Online-DNA vor allem auf den Marktplätzen wieder mehr Gewicht haben. Insgesamt ist der Anteil der Händler mit stationärer DNA am Verkauf über das Internet 2023 von 35,3 auf 35,2% gefallen, während Händler mit Online DNA von 37,7 auf 38,9% zulegten. In diesem Kontext hat der Branchen-Riese Amazon seinen Anteil am deutschen Online-Handel im Vorjahr von 56% auf 60% ausgeweitet, wobei der Anteil des Amazon-Marktplatzes von 39 auf 43% wuchs, während der Amazon-Eigenhandel mit 17% konstant blieb. Auf die Marktplätze jenseits von Amazon entfällt ein Anteil von unverändert 11% und auf den „übrigen Online-Handel“ von 29%, nach 33% im Jahr 2022.

Der Blick auf die Branchen zeigt, dass der Online-Anteil der Stationären (ohne Marktplätze) in den Branchen Gesundheit & Wellness mit 65,4%, Heimwerken & Garten mit 42,7%, Wohnen & Einrichten mit 36,8%, Büro & Schreibwaren mit 32,9%, CE/Elektro mit 32,3% und – wie oben erwähnt – bei Lebensmitteln mit 45,5% sehr beachtlich ist. Im Internet-affinen Mode-Bereich sind die Anteile dagegen gleichmäßiger verteilt: 27,1% entfallen auf Einzelhändler mit stationärer DNA, genauso viel wie auf den Versandhandel, 30% bestreiten die Pure Player und immerhin 15,6% des Online-Umsatzes die Anbieter mit Hersteller-DNA.

In diesem Umfeld liegt der Online-Anteil des institutionellen Facheinzelhandels laut Online Monitor noch weit unter dem Onlineanteil der jeweiligen Branchen – sprich: der Fachhandel ist hier nur unterdurchschnittlich aktiv. Zudem sind die Onlineanteile des Fachhandels 2023 teilweise wieder etwas zurückgegangen – sie bleiben aber meist deutlich über dem Wert von 2019: So ist der Anteil im Bereich Mode & Accessoires von 11,5% auf 11% gesunken, lag 2019 aber erst bei 7,5%. Der gesamte Online-Anteil in der Branche lag bei 41,8%. Im Bereich CE/Elektro gab der Anteil des Fachhandels leicht von 11,8% auf 11,0% nach, konnte seinen Online-Anteil am Wachstumsmarkt Freizeit & Hobby aber von 17,2% (2022) auf 17,4% ausbauen. Auch in den Bereichen Wohnen & Einrichten sowie Heimwerken & Garten ist der Online-Anteil ganz leicht gestiegen – von 5,5% auf 6,8% und von 2,5% auf 2,6%.