Shopping-Center-Markt

Hoffnung auf schnelle Wiederbelebung

Die Sedelhöfe in Ulm. Foto: DC Developments

Die Zahl der Geimpften in Deutschland steigt stetig und die Zahl der Infizierten sinkt. In einem schwierigen Umfeld hofft die Shopping-Center-Szene darauf, dass sich das Geschäft schnell wieder belebt, sobald die Zwangsmaßnahmen aufgehoben werden.

Auf die Schlagzeile, dass es in Deutschland mehr als 500 Shopping-Center ab einer Größe von 10 000 qm Mietfläche gibt, wird die Branche noch warten müssen, wie Rainer Pittroff, Projektleiter Shopping-Center im EHI Retail Institute, Köln, im Shopping-Center Report 2021 schreibt. Zeigte der klassische Vermietungsmarkt schon seit Längerem Ermüdungserscheinungen, was sich an den Insolvenzverfahren von vormals Expansionsstarken Unternehmen wie Gerry Weber oder Butlers zeigte, so trafen die Zwangsschließungen zur Bekämpfung der Corona-Pandemie den Nonfood-Handel wie etwa die Modebranche mit zusätzlicher Härte.

Ein Umsatzrückgang von rund 54% im Modehandel im ersten Quartal 2021 und die Insolvenzverfahren von namhaften Unternehmen wie Galeria Karstadt Kaufhof, Esprit, Sinn, Bonita oder Hallhuber, die ihr Filialnetz im Zuge der Sanierungsmaßnahmen teilweise stark bereinigen mussten, um die Kosten zu senken, verdeutlichen die Problematik bei der Vermietung von Shopping-Center-Flächen. Die Ungewissheit, in die der politisch verordnete Shutdown den Nonfood-Einzelhandel seit 16. Dezember 2020 gestürzt hat, ist keine Grundlage für Expansionspläne.

Zumal der Online-Handel durch die zum Teil strickten Kontaktbeschränkungen im stationären Einzelhandel jenseits der Lebensmittel- und Drogeriemärkte weiter begünstigt wird. Um die Frage nach der Zukunft der Innenstädte und der Shopping-Center beantworten zu können, gilt es zuerst die Gegenfragen zu beantworten: Wie lange dauert der flächendeckende Lockdown hierzulande noch? Hat der Staat die von den Zwangsschließungen geschädigten Unternehmen genügend finanziell unterstützt? Und wie viele Einzelhändler geraten unter Druck, nachdem die Sonderregelungen beim Insolvenzrecht zum 30. April dieses Jahres ausgelaufen sind? Kurz: Ist mit weiteren Insolvenzen zu rechnen?

Vor diesem Hintergrund liegen die „nur“ vier Neueröffnungen mit dem Shopping-Center Cano in Singen, der Drehscheibe im hessischen Homberg (Efze), den Sedelhöfen in Ulm und dem Plärrermarkt in Nürnberg mit zusammen 68 000 qm im Krisenjahr 2020 durchaus noch im Trend der vergangenen fünf Jahre. 2017 gab es im Shopping-Center-Markt gar keine Neueröffnung, 2018 vier und 2019 sechs. Der Ausreißer nach oben war 2015 mit 13 neuen Einkaufszentren, aber 2014 waren es auch nur drei gewesen und 2013 sieben. Da fällt es auch kaum aus dem Rahmen, dass 2021 allenfalls zwei neue Objekte auf den Markt kommen werden, sodass sich die Gesamtzahl dann auf 495 summieren wird.

Nur vier Center-Eröffnungen im Vorjahr

Geplant ist in diesem Jahr die Eröffnung der Turmarkaden in Bergkamen als Hybrides Innenstadt-Center, des klassischen Innenstadt-Centers Die Via in Esslingen und die Dreiländer Galerie in Weil am Rhein, während sich das Wiesencenter in Jena noch die Option offenhält, womöglich erst 2022 an den Start zu gehen. Ob die Termine gehalten werden können, hängt sicher vom Erfolg der Vermietung ab und wie nachhaltig die Zwangsmaßnahmen aufgehoben werden.

Wenn Pittroff im Shopping-Center Report konstatiert, dass die weitere Branchenentwicklung nur langsam vonstattengeht und die Entwickler nach dem Motto verfahren: „Erst einmal abwarten, wie sich in nächster Zeit alles entwickelt“…., dann spiegelt das die Lähmung wider, die durch die aktuelle Bundespolitik der Perspektivlosigkeit über allen, von den Zwangsschließungen betroffenen Branchen des Konsumgüterbereichs, liegt.

Mehr als die geringe Zahl der Neueröffnungen im vergangenen Jahr ist für Pittroff die zuletzt beobachtete Zurückhaltung beim Thema Revitalisierungen ein Beleg für die offenkundige Verunsicherung der Akteure: „Bis 2019 hieß es noch, jedes zweite Einkaufszentrum müsste umgebaut werden“, schreibt der Projektleiter. Bedingt durch die Zwangsmaßnahmen zur Pandemie-Bekämpfung würden viele Refurbishment-Projekte jetzt überdacht, auch wenn klar sei, dass für in die Jahre gekommene Shopping-Center geeignete Konzepte gefunden werden müssten, um die Zukunft und den Erfolg der Standorte zu sichern. Von den 42 Einkaufszentren, die vor einem Jahr noch in der Revitalisierungs-Liste des EHI standen, sind nach aktuellem Stand 27 übriggeblieben. Zu den Objekten, die bei ihrer Neuausrichtung bereits auf der Zielgeraden sind, gehört das innerstädtische Flair in Fürth (ehemals City Center Fürth), das mit seiner Vermietung trotz Corona schon weit vorangekommen ist und im September eröffnet werden soll.

Des Weiteren finden sich hier Center, bei denen die Revitalisierung schon seit Jahren läuft wie die Potsdamer Platz Arkaden, das Forum Köpenick, das Tegel Center (alle in Berlin), das Krohnstiegcenter in Hamburg, das Rhein-Ruhr-Zentrum in Mülheim oder die beiden Objekte der Marke Breuningerland in Sindelfingen und Ludwigsburg – um nur einige zu nennen.

Wohl niemals zuvor hätten Shopping-Center in Deutschland eine schwierigere Zeit durchlaufen als 2020, schreibt Pittroff mit Blick auf die Tatsache, dass Experten vor allem bei größeren innerstädtischen Handelsimmobilien wie Einkaufszentren und Warenhäuser eine Welle an Transformationen und Umstrukturierungen erwarten. Damit wird durch die Pandemie ein Trend verstärkt, der sich schon vorher an dem geringen Transaktionsvolumen bei Shopping-Centern im Investmentmarkt für Retail Assets und den zuletzt steigenden Spitzenrenditen ablesen ließ. So stiegen die Spitzenrenditen nach dem jüngsten ZIA-Frühjahrsgutachten für Objekte in 1A-Lagen um einen Prozentpunkt auf 5,0% und für Center an B-Standorten auf 6,0%.

Entscheidend für die Erholung bleibt der Vermietungsmarkt in einem für den Nonfood-Handel schwierigen Umfeld. Denn während sich das Geschäft nach dem ersten Shutdown im Frühjahr 2020 relativ schnell wieder belebte und das Versprechen der Bundeskanzlerin, der Einzelhandel dürfe nie wieder geschlossen werden, Hoffnung machte, zeichnen sich die Zwangsmaßnahmen während der folgenden Wellen vor allem durch ihre Perspektivlosigkeit aus.

Vorausblickend kommt Pittroff deshalb zu dem Ergebnis, dass sich die erhoffte Normalisierung im stationären Nonfood-Einzelhandel nur sehr langsam vollziehen dürfte: „Entsprechend rechnen viele Eigentümer von Einzelhandelsimmobilien mit erhöhtem Leerstand.“ Denn die passenden Interessenten für die fraglichen Flächengrößen gebe es derzeit kaum. Vor diesem Hintergrund rechnet der Experte frühestens 2023 oder 2024 mit der Schlagzeile, dass der deutsche Shopping-Center-Bestand die Marke von 500 überschritten hat.

Normalisierung im Handel erste 2023 oder 2024 erwartet

Mit Blick auf die 14 Shopping-Center-Projekte, die sich laut Report derzeit in der Pipeline befinden, dürfte diese Einschätzung realistisch sein. Darunter findet sich etwa das Überseequartier in Hamburg, das nun 2023 seine Pforten öffnen soll, das Viktoria Karree in Bochum, das Perlach Plaza in München, das Forum Villingen-Schwenningen oder das Salzach Forum in Burghausen – alles Projekte, die schon vor längerer Zeit auf den Weg gebracht wurden. Darunter sind vermehrt auch Quartiere mit Mischnutzung.

Hoffnung auf eine baldige Verbesserung der Rahmenbedingungen für Handel und Handelsimmobilien geben die Erfahrungen von Wilhelm Wellner, Vorstandssprecher der Deutsche Euro Shop AG, mit den Einkaufszentren im Ausland, wo schon früher gelockert wurde. „Wann immer Wiedereröffnungen von Geschäften erfolgten, stiegen die Kundenfrequenzen in unseren Centern dynamisch an“, berichtet er, auch wenn das Niveau durch die Beschränkungen noch unter dem Niveau von 2019 liegen würden.

Zudem berichten Experten, dass die Schließung von Nonfood-Handel, Gastronomie, Hotellerie, Kunst und Kultur und die Beschränkung von Reisen die Ersparnisse vieler Bundesbürger laut Statista enorm auf 16,2% hat steigen lassen, so dass angesichts des Nachfragestaus nach den Lockerungen mit einem regelrechten Ausgabenboom zu rechnen sei. Der Blick in die USA, die mit ihrem Impfprogramm erheblich weiter sind als Deutschland und die inzwischen die Maskenpflicht in den meisten Bereichen aufgehoben haben, bestätigt diese Einschätzung.

Eine Belebung der Einkaufslagen erwartet Michael Gerling, Geschäftsführer des EHI, durch neue Konzepte, die angesichts nachgebender Mieten ihre Expansion vorantreiben könnten. Nach seiner Beobachtung ist  extrem viel in Bewegung: „Wenn jemand ein gutes Konzept hat, dann kommt das auch an.“ Derzeit gelten aber vor allem Lebensmittelmärkte als Magnetmieter, gefolgt von Drogeriemärkten. Die Ausrichtung eines Centers auf die Nahversorgung ist derzeit Trumpf.

So berichtet Pittroff, dass in jedem der vier im Vorjahr eröffneten Center ein großer Supermarkt – drei von Edeka und einer von Rewe – zu den Ankermietern gehört. Im Plärrermarkt (11 330 qm) im Zentrum von Nürnberg, am U-Bahnhof „Plärrer“, bildet ein 4 100 qm großer Edeka-Markt den Mittelpunkt. Zudem gibt es einen Food Court, eine namhafte Bäckerei aus der Region, einen dm und textile Angebote.

Die Sedelhöfe in Ulm, auf dem Areal, auf dem das Geburtshaus von Albert Einstein stand, verbinden als Innenstadt-Quartier den Hauptbahnhof und die Fußgängerzone. Hier bildet das Einzelhandelsangebot mit TK Maxx, Edeka, dm, Snipes, Zalando Outlet und JD Sports auf 18 000 der 26 000 qm zwar den Schwerpunkt, doch runden Büros, Wohnungen und eine Tiefgarage die „bedarfsorientierte Nutzungsmischung“ ab.

Die Drehscheibe (17 600 qm) im Zentrum der hessischen Stadt Homberg (Efze), am Eingang der Altstadt, ist ein hybrides Einkaufszentrum mit insgesamt 22 Geschäften und vielen Nahversorgern (Rewe, Aldi, Drogerie Müller) sowie einem großen Food Court. Einzig das Cano mit seinen 16 000 qm Verkaufsfläche für 85 Geschäfte, Gastronomiebetriebe und Dienstleister gilt als klassisches Shopping-Center mit seinem Mix aus nationalen und internationalen (Mode)Marken, die das örtliche Angebot abrunden sollen. Wichtige Ankermieter sind neben dem Sportartikelanbieter Decathlon aber auch hier die Nahversorger. Die vier Neueröffnungen zeigen, wohin sich der deutsche Shopping-Centermarlt-Markt derzeit entwickelt.