Investmentmarkt

Hoffnung auf lebhaftes Schlussquartal

Kaufobjekt Pasing Arcaden in München. Foto: URW

Seit die Inflationsraten gesunken sind und die Europäische Zentralbank mit ihren Zinssenkungen für mehr Planungssicherheit gesorgt hat, setzt sich im Gewerbeimmobilienmarkt die graduelle Erholung fort – auch wenn der Aufschwung nur mühsam verläuft und die Erholungsphase noch nicht abgeschlossen ist. In diesem Umfeld kann sich der Investmentmarkt für Retail Assets vor allem dank einiger großer Transaktionen weiterhin gut behaupten.

Diese gute Stellung des Segments innerhalb des deutschen Gewerbeimmobilienmarkts führt Christoph Scharf, Geschäftsführer der BNP Paribas Real Estate GmbH (BNPPRE) und Head of Retail Services, darauf zurück, „dass der Retail-Investmentmarkt in erster Linie durch sein breites Spektrum verschiedener Objektarten mit ganz unterschiedlichen Risiko-Rendite-Profilen eine vergleichsweise große Investoren-Range anspricht“. So scheine das sehr diversifizierte Produktportfolio innerhalb der Einzelhandelssparte im Vergleich der Asset-Klassen derzeit ein wichtiger Wettbewerbsvorteil zu sein. Hinzu kommt nach Feststellung des Immobilienberaters Savills beim Teilsegment Nahversorger – also den lebensmittelgeankerten Fachmärkten – die „fundamentale Robustheit des Sektors“, die für eine anhaltend hohe Nachfrage, auch unter institutionellen Investoren, sorgt – trotz des schwierigen Marktumfelds.

Im deutschen Gewerbeimmobilienmarkt, der in den ersten neun Monaten 2024 nach Berechnung der Immobilienberater ein Transaktionsvolumen in der Bandbreite von 16,4 Mrd. bis 17,9 Mrd. Euro verzeichnete, erreichte der Retail-Investmentmarkt nach Feststellung von CBRE und BNP Paribas Real Estate mit einem Transaktionsvolumen von 4,8 Mrd. respektive 4,9 Mrd. Euro im Asset-Klassen-Vergleich erneut den Spitzenplatz. „Damit sind Einzelhandelsimmobilien im laufenden Jahr die stärkste Assetklasse aller Gewerbeimmobilien“, schreibt CBRE. Colliers und JLL sehen die Anlage-Klasse mit einem Volumen von 3,8 Mrd. Euro resp. 3,77 Mrd. Euro dagegen auf dem zweiten Platz. Savills berechnete ein Volumen von 4,3 Mrd. Euro sowie Cushman & Wakefield von 3,58 Mrd. Euro.

Diese relativ gute Platzierung in einem schwierigen Marktumfeld kann aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass der Handelsimmobilienmarkt auch mit einem relativ guten Transaktionsvolumen immer noch deutlich (-38%) unter dem langjährigen Durchschnitt, den der Berater BNPPRE mit knapp 8 Mrd. Euro berechnet hat, bleibt. Und auch die Tatsache, dass sich die Investorennachfrage aktuell über alle Nutzungsarten hinweg auf kleinere Volumina konzentriert, wie Savills beobachtet hat, zeigt, dass sich risikoaverse Investoren immer noch zurückhalten. Stattdessen liegt der Fokus eher auf kleinteiligen Objekten wie Supermärkten, kleineren Nahversorgungszentren sowie Geschäftshäusern außerhalb der Top 7 Städte. Laut Colliers lag der Schwerpunkt des Transaktionsgeschehens 2024 mit 91% aller Abschlüsse in den ersten neun Monaten bei unter 50 Mio. Euro pro Transaktion.

Vor diesem Hintergrund stuft Rebecca Hummel, Senior Consultant Research bei Savills Germany, die Verkäufe großer Objekte wie der Fünf Höfe in München, des KaDeWe in Berlin oder wie zuletzt der Pasing Arcaden in München für 388 Mio. Euro durch Unibail-Rodamco-Westfield (URW) an die Ikea-Schwester Ingka Centres im aktuellen Marktumfeld als „Ausnahmetransaktionen in ansonsten wenig liquiden Marktsegmenten“ ein. Denn der Investorenkreis, der Transaktionen im dreistelligen Millionenbereich stemmen könne und auch wolle, sei sehr klein geworden. So erfordert es aus ihrer Sicht heute schon besonderer Umstände, um für Trophy-Assets wie dem KaDeWe, für die Interessenten früher Schlange gestanden hätten, noch einen Käufer zu finden.

Großvolumige Transaktionen prägen den Markt

Doch in diesem Fall hatte die thailändische Central Group als Eigentümerin des operativen Geschäfts der KaDeWe Group und damit als Mieterin der Luxusimmobilie ein wirtschaftliches Interesse daran, das Objekt zu erwerben, um sich ein bezahlbares Mietniveau zu sichern. Und die Insolvenz der bisherigen Eigentümerin Signa dürfte der Türöffner dafür gewesen sein, dass diese sich überhaupt von der Immobilie getrennt hat.

Die nur geringe Zahl von Investoren, die bislang in der Lage und bereit waren, größere Summen zu investieren, dürfte laut Savills auch der Grund für den monatelangen Stillstand bei den Shopping-Center-Transaktionen gewesen sein. Doch der Stillstand habe sich im dritten Quartal aufgelöst, wie nicht zuletzt am Verkauf der Pasing Arcaden abzulesen sei. Immerhin handelte es sich bei diesem Verkauf für 388 Mio. Euro laut Ulf Buhlemann, Head of Retail Investment Germany bei Colliers, um die größte Transaktion des deutschen Gewerbeimmobilienmarkts im dritten Quartal. Und erneut war es wieder ein Einzelhandelsobjekt.

Für Jan Schönherr, Head of Retail Investment bei CBRE, ist das aktuelle Transaktionsgeschehen aber auch ein Beleg dafür, „dass sich Shopping-Center am Investmentmarkt wieder einer stärkeren Beliebtheit erfreuen“. Neben den bereits abgeschlossenen Transaktionen sind nach seiner Beobachtung in den kommenden Monaten weitere Center-Verkäufe zu erwarten: „Gerade wenn es sich um Value-add- und opportunistische Produkte handelt, sind diese auch für internationale Investoren interessant“, stellt er fest.

Vor diesem Hintergrund erwartet Peter Hablizel, Director Investment bei Savills Germany, ganz generell, dass vor allem der opportunistische und der Value-Add-Bereich wieder anziehen werden, da sich viele Eigentümer intensiv mit ihren Beständen auseinandersetzen und prüfen, „ob sie in die Repositionierung der Center investieren möchten“. Sofern sie kein Geld in die Repositionierung stecken möchten, geht Halblizel davon aus, dass sie inzwischen bereit sind, Preisabschläge zu akzeptieren, sodass sich die Preisvorstellungen von Käufern und Verkäufern mehr angleichen.

Bei Spitzenobjekten erwartet er dagegen keine Marktbelebung, da konservative Kapitalgeber eher dazu neigen, ihre Center-Portfolien zu bereinigen statt aufzustocken. Hier sieht er nur wenige potenzielle Käufer. Bei den Pasing Arcaden war es die Ingka Centers, deren Handels-Schwester Ikea hier offenbar konkrete Pläne für die Ansiedlung einer innerstädtischen Filiale verfolgt. Insgesamt erreicht das Segment Shopping-Center laut BNPPR am Retail-Investmentmarkt einen Anteil von 14%.

Viele Kaufgelegenheiten im Handelsbereich

Der Hauptfokus am Investmentmarkt liegt nach den Worten von Jan Schönherr jedoch weiterhin auf lebensmittelgeankerten Objekten – auch wenn sie auf Grund der geringeren Größe in diesem Jahr nicht den größten Anteil am Transaktionsvolumen erreichen. Das Interesse liege sowohl bei deutschen als auch bei internationalen Investoren. Hier dürfte allerdings auch die Knappheit des Angebots im Vergleich zum großen Interesse der Anleger eine Rolle spielen. Laut Colliers lag der Anteil am Transaktionsvolumen bei 34%.

Dass nach großen Transaktionen wie dem Verkauf des KaDeWe oder des Münchener Luxusensembles Maximilianstraße 12-14 mit 46% der größte Anteil am Investitionsvolumen in den ersten neun Monaten 2024 auf innerstädtische Highstreet-Immobilien entfällt, ist laut CBRE Sondereffekten geschuldet und dürfte sich in den nächsten Monaten wieder ausgleichen. Aus Sicht von Andreas Trumpp, Head of Market Intelligence & Foresight bei Colliers, bieten sich im Handelsbereich derzeit aber viele gute Kaufgelegenheiten wie innerstädtische Geschäfts- und Warenhäuser in Bestlagen und Entwicklungsgrundstücke. High-Street-Objekte sind nach Beobachtung von Jan Schönherr derzeit vor allem bei Family Offices und Privatpersonen gefragt.

Die Spitzenrenditen blieben im dritten Quartal, darin waren sich die Immobilienberater weitgehend einig, in allen Segmenten relativ stabil. Mit 4,7% waren sie laut CBREbei Lebensmittelmärkten am niedrigsten, gefolgt von Highstreet-Objekten in den Top 7-Städten mit durchschnittlich 4,84% und Fachmarktzentren mit 5%. Shopping-Center in A-Lagen erreichten durchschnittlich 5,9% und in B-Lagen 7,2%. Nach Einschätzung von Anne Gimpel, Team Leader Valuation Advisory Services bei CBRE in Deutschland, könnten die Renditen für Shopping-Center in B-Lagen in den nächsten Monaten aber ansteigen, wenn die Verkaufsaktivitäten – wie erwartet – weiter anziehen. Laut Trumpp passt das ins Gesamtbild, weil sich der Anlegerfokus auf der Suche nach attraktiven Anlagen bei Nutzungsarten und Immobilientypen allmählich wieder weitet.

Nachdem sich das Transaktionsgeschäft bei Retail Assets in diesem Jahr von einem niedrigen Niveau aus weiter belebt hat und in den ersten drei Quartalen bereits das Transaktionsvolumen des gesamten Jahres 2023 erreicht wurde, erwarten CBRE und Colliers ein lebhaftes und transaktionsstarkes viertes Quartal 2024. Für BNP Paribas Real Estate haben sich nach den ersten drei Quartalen die Anzeichen verfestigt, „dass die Erholungsphase auf den Investmentmärkten zwar noch nicht abgeschlossen ist, aber kontinuierlich voranschreitet“.

Erholungsphase noch nicht abgeschlossen

So erwartet Christoph Scharf für das Schlussquartal zwar keine Jahresendrallye, doch sei dem Retail-Investmentmarkt eine deutliche Umsatzsteigerung zum Vorjahr bereits Ende September nicht mehr zu nehmen – dies umso mehr, als sich noch einige Verkaufsprozesse auf der Zielgerade befänden. Bei den Spitzenrenditen sieht Scharf den Trend bestätigt, dass die Preisanpassungsprozesse inzwischen spürbar an Dynamik verloren haben.

Vor dem Hintergrund weiterer Vertragsabschlüsse noch im vierten Quartal, hält Ulf Buhlemann für 2024 deshalb ein Transaktionsvolumen in der Größenordnung von 5 Mrd. bis 6 Mrd. Euro für erreichbar. Jan Schönherr legt noch eins drauf, wenn er seine Prognose für das Gesamtjahr von mindestens 5 Mrd. Euro auf nunmehr 6 Mrd. bis 7 Mrd. Euro anhebt.

Andreas Trumpp blickt noch etwas weiter in die Zukunft wenn er prognostiziert, dass „Zwangsverkäufe unter Preisdruck, aber auch Kaufüberlegungen, die von einem sich allmählich verbessernden Finanzierungsumfeld und wieder leicht positivem Leverage ausgehen, (….) 2025 den Investmentmarkt hierzulande kennzeichnen und beleben“ werden.