rv DÜSSELDORF. Convenience ist im Lebensmittelhandel inzwischen Trumpf. Dazu gehören die vielen „Fertiggerichte to go“, die in vielen Supermärkten heute schon fast standardmäßig angeboten werden und die das Trockensortiment dominieren. In diesem Kontext wächst auch die Handelsgastronomie weiter – unbeeindruckt vom eher schwachen Konsumklima.
So zeigt der Blick auf die aktuelle Befragung des EHI Retail Institutes in Köln unter 34 Händlern mit zusammen 11 336 Filialen, dass sie ihren gastronomischen Umsatz 2024 im Durchschnitt um 6,1% auf einen neuen Rekordwert von 12,41 Mrd. Euro steigern konnten – nach 11,70 Mrd. Euro im Jahr 2023. Und für das laufende Jahr prognostizieren die Experten auf Grundlage der Händlerangaben einen weiteren Anstieg um 4,1% auf einen Gesamtwert von etwa 12,92 Mrd. Euro. 2017 hatten die Erlöse noch bei 9,29 Mrd. Euro gelegen. Nur in den Corona Jahren 2020 und 2021 waren die gastronomischen Umsätze im Rahmen der allgemeinen Restriktionen mit 7,55 Mrd. Euro respektive 7,72 Mrd. Euro deutlich eingebrochen. Danach haben sie 2022 mit 10,09 Mrd. Euro einen Sprung zurück auf das Vor-Corona-Niveau von 2019 gemacht und sind seither in jedem Jahr kontinuierlich gewachsen.
Als Handelsgastronomie definiert das EHI das kontinuierliche Angebot von gastronomischen Leistungen und von Getränken im Einzelhandel sowie „verzehrfertig zubereiteten Speisen, die im direkten oder konzeptionellen Zusammenhang mit Handelsaktivitäten stehen“. Dazu gehören etwa die gastronomischen Angebote des Edeka-Lebensmittelhändlers Zurheide im Umfeld seines Supermarktangebots in Düsseldorf, die Erlebnis-Gastronomie im Mannheimer Modehaus Engelhorn, der Gastronomie-Bereich Foodtopia im Frankfurter My Zeil oder das Manifesto in den Potsdamer Platz Arkaden in Berlin. Und Ikea setzt schon lange auf attraktive Gastronomie-Angebote, um beim Möbelkauf einen Mehrwert zu bieten.
Auch der SB-Warenhaus-Betreiber Globus setzt in seiner modernisierten Filiale in St. Wendel auf ein neues Panorama-Restaurant, um mehr Aufenthaltsqualität zu bieten. Die Beispiele zeigen, dass der stationäre Einzelhandel neben Einkaufen mehr Erlebnis durch Gastronomie bietet – um sich mit realer Aufenthaltsqualität vom puristischen Online-Handel abzugrenzen.
Dabei wächst die Handelsgastronomie laut EHI Retail Institute nicht „trotz“ der schwachen Kauflaune der Bundesbürger, sondern gerade wegen des gedämpften Konsumverhaltens. „Trading down“, lautet das Schlagwort, „also der bewusste Wechsel hin zu preisgünstigeren Angeboten“, der Wachstumstreiber dieses Trends ist, wie es im jüngsten Branchenbericht des EHI heißt: Gerade in wirtschaftlich angespannten Zeiten würden die Kunden und Kundinnen nach Möglichkeiten suchen, um ihre Ausgaben zu senken. Und hier bietet die Handelsgastronomie eine Alternative zum üblichen Außer-Haus-Markt.
Laut EHI können die Preisunterschiede zu dieser Konkurrenz bei beliebten Hauptgerichten und Snacks bis zu 82% betragen. Das mache sie besonders wettbewerbsfähig. Dies umso mehr, als auch das Angebot zunehmend durch Qualität überzeugt. „Mit frischen Zutaten und modernen Zubereitungskonzepten ist sie heute auf Augenhöhe mit klassischen Gastronomieformaten“, sind die EHI-Experten überzeugt.
Am stärksten ist im vergangenen Jahr mit durchschnittlich mehr als 8% branchenübergreifend die Gastronomie im Lebensmitteleinzelhandel gewachsen, wie Olaf Hohmann, Leiter Forschungsbereich Handelsgastronomie beim EHI, berichtet. Dabei gehen die befragten Einzelhändler beim Blick in die Zukunft davon aus, dass Mittagessen, Frühstück, Snacks und To-go-Convenience die stärksten Wachstumstreiber sein werden.
Nachdem der Handel bislang fast zwei Drittel seiner Gastronomie-Umsätze mit der Altersgruppe der Über-45-Jährigen erzielt, sieht die Branche noch Wachstumspotenzial, wenn es ihr gelingt, auch jüngere Zielgruppen zu erreichen. Erfolg verspricht sich die Mehrheit (63,6% der Nennungen) dabei von der Erweiterung ihres Angebots um trendorientierte Speisen und die verstärkte Nutzung digitaler Kanäle wie Social Media, Apps und Online-Bestellungen. Auch der Einsatz von digitalen Anwendungen am POS (Point of Sale) wie Bestellterminals oder Gamification wird in Erwägung gezogen (33,3%) genauso wie die Anpassung des Preis- und Rabattsystems durch spezielle Angebote für Schüler und Studenten (30,3%). Einige ziehen auch die Zusammenarbeit mit Influencern in Erwägung (15,2%), während ein kleiner Teil keine speziellen Maßnahmen plant.
Ob es mit diesen Maßnahmen gelingen wird, das gastronomische Angebot für die jungen Leute attraktiver zu machen, wird sich zeigen. Mit Blick auf die immer noch schwierige wirtschaftliche Lage in Deutschland könnten die Vorzeichen für bezahlbare Nahrungsmittel aber günstig sein.