Gallery Fashion & Shoes

Hoffen auf einen Herbst ohne eine vierte Welle

Einkaufen unter Beschränkungen. Foto: Vierbuchen

Nach einem schwachen Jahr 2020 folgte für die deutsche Mode-Branche ein schwacher Start ins Jahr 2021. Nach der spürbaren Belebung in den Sommer-Monaten bleibt die Hoffnung, dass es keine erneute Infektions-Welle und Zwangsschließungen gibt.

Die Bilanz für den deutschen Modehandel nach 16 Monaten Pandemie und Zwangsschließungen zur Infektionsbekämpfung ist erwartungsgemäß wenig erfreulich. In den ersten vier Monaten lagen die Erlöse des stationären Bekleidungshandels um annähernd 50% unter dem ohnehin schon niedrigen Niveau des Vorjahreszeitraums, wie der stellverstretende Hauptgeschäftsführer des BTE, Prof. Siegfried Jacobs, bei der Presse-Konferenz zur Messe Gallery Fashion & Shoes (24. - 26. Juli) in Düsseldorf darlegte.

Da die Modehäuser bis einschließlich Mai geschlossen bleiben mussten oder nur unter starken Einschränkungen wie Click & Meet oder Click & Collect verkaufen durften, litten nach Erkenntnis des Verbands für den Textil- und Bekleidungseinzelhandel drei Viertel der Bekleidungsgeschäfte unter dramatischen Umsatzeinbrüchen. Denn das Weihnachtsgeschäft und der Winterverkauf waren eingeschränkt und das Ostergeschäft 2021 fand nur unter Restriktionen statt.

Dabei hatten die stationären Bekleidungsgeschäfte – genauso wie der stationäre Schuhhandel – bereits im Vorjahr Umsatzeinbußen von 25% hinnehmen müssen. Und noch eine Zahl veranschaulicht die Misere für den typischen Einzelhandel in den Innenstädten: Insgesamt war der Verkauf von Bekleidung und Schuhen in den deutschen Fachgeschäften und Warenhausabteilungen im vergangenen Jahr um etwa 12 Mrd. auf nunmehr 42 Mrd. Euro gesunken.

Aber auch die Zahlen für den Monat Mai dürften mit Blick auf die damals noch andauernden Zwangsschließungen nicht besser ausfallen. Erst ab Juni konnten die Geschäfte in den Innenstädten wieder ungehindert öffnen. Deshalb hat sich das aufgelaufene Minus laut Jacobs dank eines zweistelligen Umsatzplus im Juni bis auf 40% vermindert. Und auch die Entwicklung im Juli zeigt, dass viele Bundesbürger in die innerstädtischen Einkaufslagen zurückgekehrt sind.

„Nach ersten Nachholeffekten mit sehr positiver Umsatzentwicklung pendelte sich das Geschäft im Juli auf einem Niveau ein, das dem Modehandel - insbesondere mit Blick auf Liquidität und die Höhe der Warenbestände – Erleichterung verschafft“, gibt der stellvertretende BTE-Hauptgeschäftsführer vorsichtige Entwarnung. Die Vorkrisenumsätze werden aber meist noch nicht wieder erreicht und auch bei der Frequenz ist noch Luft nach oben.

Viele Bundesbürger bleiben vorsichtig

Viele Bundesbürger üben sich derzeit noch in Vorsicht und halten sich mit dem Aufenthalt im öffentlichen Raum zurück. Zudem fehlen in den Einkaufsstraßen der Metropolen und in den Shopping-Zentren internationale Touristen und Messe-Besucher, was laut Jacobs vor allem der gehobene Fachhandel und höherwertige Warenhäuser spüren. Nach Feststellung des BTE und des BDSE (Bundesverband des Schuheinzelhandels) mit Blick auf den Sommer-Schluss-Verkauf, der traditionell Ende Juli stattfindet, haben die Zwangsmaßnahmen vor allem die großen Unternehmen in den Toplagen der Großstädte getroffen. Neben den Touristen und Messegästen fehlen ihnen auch die Millionen Arbeitnehmer im Homeoffice. Hinzu kommt, dass Großbetriebe weniger staatliche Hilfen erhalten haben, wie der Sprecher des BTE, Axel Augustin, sagt.

Dass einige Großunternehmen schon seit längerem stationär wie online mit Preisnachlässen von 50% werben, wertet Augustin als Hinweis auf den großen Lagerdruck, der hier noch besteht. Die Lagerbestände dürften hier  besonders hoch sein. Andere Unternehmen – vor allem viele kleine Betriebe – halten sich dagegen mit Preisnachlässen eher zurück, weil sie sich nach den Worten des BTE-Sprechers „nach drei katastrophalen Saisons in Folge“ hohe Preisreduzierungen aus wirtschaftlichen Gründen aber kaum leisten können.

Gleichwohl geht die Branche nach den Worten des stellvertretenden BTE-Hauptgeschäftsführers Jacobs nach dem Restart – und wahrscheinlich mit Blick auf die stetig steigende Impfquote – mit „viel Optimismus“ und „großem Engagement“ aber auch mit Realismus in die zweite Jahreshälfte: „Nach ersten Vorab-Ergebnissen einer noch nicht abgeschlossenen BTE-Befragung erwarten die Unternehmen für das zweite Halbjahr einen positiven Geschäftsverlauf, allerdings – im Vergleich zum Vor-Corona-Jahr 2019 – noch mit einem Umsatzminus in Höhe von rund 15%.“ Während die Frequenz – wie erwähnt – noch zu wünschen übrig lässt, seien jedoch sowohl die Kaufrate als auch die Höhe der Einkaufsbeträge mit den Lockerungen wieder gestiegen.

Und auch vom Online-Handel (inkl. Multichannel-Anbieter), der während der Shutdowns kräftig gewachsen ist, holen sich nach Beobachtung des Verbands die stationären Händler nun wieder Anteile zurück. Laut BTE erreicht der Online-Vertrieb bei Bekleidung – angetrieben von Corona – inzwischen einen Anteil von 40% und bei Schuhen von 35%.

Auch bei den Herstellern ist die Finanzdecke geschrumpft

Ungeachtet des aktuellen Aufwärtstrends bleibt der Bekleidungs- und Schuhhandel laut Jacobs von den Wirtschaftshilfen von Bund und Ländern abhängig. Da sie auch nur einen Teil des Schadens abdecken – der Durchschnitt liegt bei zwei Drittel des Verlusts – fordert der BTE eine Nachbesserung bei den Hilfsprogrammen. Jacobs: „Bleiben weitere Wirtschaftshilfen aus, droht ein größeres Ladensterben, das insbesondere unsere Innenstädte stark beschädigen wird.“ Denn die Zwangsschließungen haben die bereits vorher angespannte Lage deutlich verschärft.

Die Probleme im deutschen Modehandel haben auch bei den Herstellern, deren Finanzdecke gleichfalls geschrumpft ist, deutliche Spuren hinterlassen. Nach den Worten von Thomas Lange, Hauptgeschäftsführer des Verbands German Fashion, lag der Umsatzrückgang im gesamten Bekleidungssektor 2020 bei knapp 20%. Besonders betroffen waren die Hersteller der „klassischen Oberbekleidung mit Anzügen, Oberhemden und Businessbekleidung“ mit einem Umsatzminus, das teilweise bei 60% lag. Auch er beklagt, dass die Hilfen der Regierung zu lange auf sich warten ließen. Unter diesen Bedingungen hat die Branche die Digitalisierung vorangetrieben und neue Produkte kreiert, die den Nerv der Kunden treffen.

In den ersten fünf Monaten dieses Jahres lag das Umsatzminus laut Lange nur noch bei 6,4% - allerdings im Vergleich zum ohnehin schwachen Jahr 2020, wobei die Monate März, April und Mai 2021 schon positiv abgeschlossen werden konnten. Für 2021 erwartet der Verband German Fashion ein Umsatzplus – allerdings im Vergleich zum niedrigen Niveau des Krisenjahres 2020 – sofern es keine vierte Welle mit erneuten Zwangsschließungen gibt. Das Vor-Pandemie-Niveau von 2019 könne nicht erreicht werden.

Enorm vorangetrieben hat die Pandemie mit ihren Zwangsschließungen nach Feststellung des Deutschen Mode Instituts (DMI) auch die Digitalisierung in der gesamten Mode-Branche. Da Läden geschlossen waren und Messen sowie Modenschauen nicht stattfinden durften, seien auf allen Stufen kurzfristig digitale Lösungen entwickelt worden, „um die räumliche Distanz zu überwinden zwischen den Produkten und ihrem Publikum, das zuhause festsaß“, berichtet das Deutsche Mode Institut.