Vermietungsmarkt

Hat 2019 die Trendwende im Markt gebracht?

Die Lage hat sich 2019 verbessert. Foto: Hystreet.com

rv DÜSSELDORF. Das Vermietungsgeschäft im Handelsimmobilienmarkt ist seit Jahren schwieriger geworden. Nachdem die Zahl der Mietvertragsabschlüsse zwischen 2010 und 2014 – angetrieben von der Expansion vieler Modeanbieter – deutlich zulegte, ist der Abwärtstrend seit 2015 unübersehbar. Viele Bekleidungshändler setzen mehr auf Konsolidierung und den Aufbau einer Online-Strategie, Elektrofachhändler verkleinern bedingt durch ihren wachsenden Online-Vertrieb die Verkaufsflächen. Inzwischen scheinen sich die Rahmenbedingungen aber wieder zu ändern.

Nach Feststellung des Immobiliendienstleisters BNP Paribas Real Estate (BNPPRE) standen die Jahre 2016 bis 2018 im Vermietungsmarkt für Retail Assets „klar im Zeichen der Transformation der Einzelhandelslandschaft“. Die Zahl der Mietvertragsabschlüsse ging zwischen 2016 und 2017 von 1 360 auf 1 310 zurück und erreichte 2018 mit nur 1 140 Abschlüssen offenbar die Talsohle. Denn 2019 zeichnete sich mit einer wachsenden Nachfrage nach Flächen und höheren Flächenumsätzen die Trendwende ab. So erhöhte sich die Zahl der Vertragsabschlüsse um etwa 13% auf etwa 1 300 und der Flächenumsatz stieg auf 625 000 qm.

Ein weiteres Ergebnis der Marktkonsolidierung war eine Verschiebung bei den Branchen-Anteilen am Vermietungsgeschäft, die sich schon im gesamten Jahresverlauf 2019 abzeichnete. Im Bereich Gastronomie erhöhte sich die Zahl der Vertragsabschlüsse laut Christoph Scharf, Geschäftsführer der BNP Paribas Real Estate GmbH und Head of Retail Services, um 42% auf 300 Abschlüsse und einen Marktanteil von 23%. Im Gegenzug verlor der Bekleidungshandel, die bislang dominierende Mietergruppe der Cities und Shopping-Center, acht Prozentpunkte und zog mit gleichfalls 300 Abschlüssen und einem Marktanteil von 23% mit der Gastronomie gleich. Mit dem Rückzug des Modehandels in den vergangenen Jahren nutze die boomende Gastronomie die Gelegenheit und füllte viele Lücken.

Nach dem Schrumpfungsprozess sieht Scharf aber auch im Textilbereich eine erfreuliche Entwicklung, zumal sich die Stimmung in der Branche kontinuierlich aufgehellt habe und die Geschäftslage der Bekleidungseinzelhändler laut Ifo-Institut so gut eingeschätzt werde wie seit 2011 nicht mehr. Er macht das etwa an der unveränderten Zahl der neuvermieteten Großflächen ab 1 000 qm fest, die wegen der begrenzten Zahl potenzieller Mieter besonders schwer zu vermarkten sind: „Die Vermietungen an Urban Outfitters in der Kaufinger Straße in München, an JD Sports in der Georgstraße in Hannover, an Wöhrl in der Prager Straße in Dresden und an Sinn in der Kettwiger Straße in Essen“ sind für Scharf einige prominente Beispiele aus den Top-Lagen von A- und B-Standorten, die den Aufwärtstrend belegen.

Rahmenbedingungen haben sich verändert

Diese Entwicklung ist zweifellos auch auf die veränderten Rahmenbedingungen auf dem Vermietungsmarkt für Einzelhandelsimmobilien zurück zu führen. Gemäß Retailmarkt-Report 2020, den BNP Paribas Real Estate Mitte Februar veröffentlichen wird, hat sich das Verhältnis zwischen den wichtigsten Akteuren des Marktes, den Mietern und den Vermietern, inzwischen verändert. Naturgemäß dauert es nach einer langen Phase des Aufschwungs einige Zeit, bis Vermieter akzeptieren, dass die Mieten nicht mit jeder Neuvermietung weiterwachsen können und Mieten auch schon mal gesenkt werden müssen.

„In puncto Vertragsgestaltung sind beide Parteien inzwischen näher zusammengerückt, um Einigungen zu erzielen und damit die Grundvoraussetzung für eine Neuanmietung oder auch eine Vertragsverlängerung zu erzielen“, schreibt der Immobiliendienstleister: „Da es über die vergangenen Jahre nicht leichter geworden ist, Shop-Flächen neu zu vermieten, ist auch das Interesse von Vermietern Bestandsmieter zu halten, immer weiter gestiegen.“ So hat sich zuletzt ein Geben und Nehmen entwickelt. Oder anders formuliert: Das Zusammenspiel aus Mietpreissenkungen und laufzeitbezogenen Sonderkündigungsrechten wird immer wichtiger. Denn wenn der Vermieter bereit ist, seinem Mieter bei seinen Konditionen entgegenzukommen, so ist nach Scharfs Beobachtung auch der Einzelhändler eher bereit, Kompromisse einzugehen, wie etwa der Verzicht auf die Vereinbarung von Ausstiegsklauseln. Am Ende profitieren schließlich beide davon. Der Mieter behält seinen Standort zu annehmbaren Konditionen und der Vermieter hat keinen Leerstand.

Impulse erhält der Vermietungsmarkt auch durch innovative Ideen und neue Konzepte. Ein Beispiel ist für den Geschäftsführer von BNPPRE Deutschland der von dem Experten für Pop-Up-Stores, Brick Spaces, betriebene Blaenk-Store in der Düsseldorfer Schadowstraße: Auf der Verkaufsfläche werden für kurze Zeit junge, noch unbekannte Einzelhändler mit renommierten Marken zusammen gebracht, um Synergieeffekte zwischen den Konzepten zu erzeugen und durch die zeitliche Begrenzung das Interesse der Kunden zu wecken.

Ein anderes Thema sind die Pläne von internationalen Modemarken aus dem Luxussegment, mit neuen Marken ihre Zielgruppe zu vergrößern. Laut Scharf versuchen etwa die Marken Bottega Veneta Balenciaga oder Prada mittels niedrigerer Preise und trendigen, auf diese Klientel zugeschnittenen Kollektionen, unter den jungen Leuten mehr Kunden zu gewinnen.

Gastronomen zieht es in die B-Städte

Wie BNPPRE weiter beobachtet, zieht es vor allem die Gastronomie verstärkt in B-Städte wie Bonn, Wiesbaden, Aachen, Braunschweig, Bremen etc. mit einer studentischen Bevölkerung, die gute Voraussetzungen für experimentierfreudige Konzepte bietet. In dieser Städte-Kategorie entfielen 37% der Neuvermietungen auf Gastronomie. Restaurants und Cafés können den Branchenmix bei prominenten Projektentwicklungen in zentralen Lagen ergänzen. Als Beispiele nennt BNPPRE etwa die Projekte „Urban Soul“ und „Maximiliancenter“ in Bonn. Und Nahversorger sieht der Berater als gute Ergänzung zu großen Büro-Quartieren.

2019 hat zwar eine Trendwende, aber noch nicht den Turnaround gebracht. Es wäre laut BNPPRE verfrüht, zu behaupten, dass die Transformationsprozesse im Einzelhandel und auf dem Handelsimmobilienmarkt abgeschlossen seien: „Generell ist die Einzelhandelswelt inzwischen so eng mit Veränderungsprozessen verknüpft, dass sie sich ohne diese gar nicht mehr weiterentwickeln könnte – und das gilt sowohl Offline als auch Online“, schreibt der Berater auch mit Blick auf die Mode-Kette C & A, die offenbar über einige Filial-Schließungen nachdenkt und verhandelt.

Den Vermietungsmarkt dürfte es vor weitere Herausforderungen stellen, wenn für eine gewisse Zahl von C & A-Großflächen in Top-Lagen neue Mieter gefunden werden müssten. Auch die Frage, ob es dem österreichischen Eigentümer Signa gelingt, die Marke Galeria Karstadt Kaufhof neu zu positionieren und wie mit Doppelstandorten umgegangen wird, dürfte den Handelsimmobilienmarkt beschäftigen. Die Umwandlung von eigenen Warenhäusern in Geschäftshäuser oder Einkaufszentren dürfte Signa als Immobilien-Spezialist allerdings selbst übernehmen. Doch müssten auch dafür neue Mieter gefunden werden.

Beim Blick auf die Zukunft tut sich Scharf nicht leicht: „Im Resultat der genannten positiven wie auch negativen Aspekte ist eine Prognose zum Retailmarkt 2020 mit dem Blick in die Glaskugel vergleichbar. Die Chancen auf ein erfreuliches Jahr für alle Akteure stehen hierbei zwar besser als in den Vorjahren, es gilt jedoch diese auch weiterhin zu nutzen.“