Standortschließung Galeria Karstadt Kaufhof

Harter Schlag für Hamburgs Innenstadt

Karstadt in Hamburg Wandsbek. Foto: Karstadt

Die Hamburger Innenstadt belebt sich zusehends, trotz Maskenpflicht und Abstandsregeln, fehlender Touristen, Kultur- und Gastronomiebesucher sowie Bürobeschäftigten, von denen sich viele noch im Homeoffice befinden. Die Normalität wird dennoch für lange Zeit nicht zurückkehren. Seit Galeria Karstadt Kaufhof angekündigt hat, dass in der wichtigsten Einkaufsmeile der Stadt, der Mönckebergstraße, Kaufhof und Karstadt Sports auf der Schließungsliste stehen, herrscht in der Branche, aber auch bei vielen Bürgern Schockstarre.

In Hamburg sind von den Schließungsplänen von Galeria Karstadt Kaufhof gleich sechs der neun Standorte betroffen, auch das Alstertal-Einkaufszentrum, Bergedorf und Wandsbek, (Foto: Karstadt), der älteste Karstadt-Standort in der Stadt. 1892 hatte Ernst Karstadt, der Bruder von Rudolph Karstadt, seine Firma beim königlichen Amtsgericht Wandsbek eintragen lassen. Sei Bruder Rudolph kaufte dem verschuldeten Bruder die Warenhaus-Filialen später ab und integrierte sie in sein Filialnetz. Auch die Sport-Filiale in Harburg ist gefährdet. Erhalten bleiben sollen Karstadt in der Mönckebergstraße, Eimsbüttel und Harburg.

Citymanagerin Brigitte Engler spricht von einer „unfassbaren Situation“. Sie habe nächtelang nicht geschlafen, zumal die Schließung schon Ende Oktober droht. „Nach einem so schweren Jahr hätten wir Schwung nach vorn gebraucht und nicht eine solche Schreckensnachricht“. Auch Andreas Bartmann, Präsident des Handelsverbands Nord, nennt die Schließung einen „massiven Einschnitt für den Handel an der Mönckebergstraße“. Man habe Angst vor einem Dominoeffekt und damit weiteren Leerständen: „Auch wenn sich das Modell Kaufhaus überlebt hat, verschwinden mit den beiden großen Häusern nicht nur zwei wichtige Einkaufsmagneten, auch das Entree in die City nimmt Schaden“. 

Das dreimonatige Schutzschirmverfahren, unter das sich Galeria Karstadt Kaufhof im April geflüchtet hatte, endete am 30. Juni. Am 1. Juli hat das Amtsgericht Essen ein Insolvenzverfahren in Eigenverwaltung angeordnet. Verhandlungen mit den Vermietern laufen noch und die Mitarbeiter wollen um ihre Filialen kämpfen. Zudem gibt es eine Online-Petition für den Erhalt der Hamburger Standorte. Ende Juni hatten bereits 2 500 Menschen unterschrieben. Weitere Protestaktionen sind geplant. „Aus meiner Perspektive gibt es noch eine Resthoffnung, dass die Gespräche mit den Vermietern doch noch etwas in Bewegung bringen,“ so Citymanagerin Engler.

Und Bartmann fügt hinzu: „Wir werden uns mit allen Innenstadtakteuren und der Politik zusammensetzen und sehen, was wir zur Überbrückung für wichtige Formate tun können.“ Allerdings mache es keinen Sinn, an Konzepten, deren Schwächen schon länger bekannt sind, endlos festzuhalten. Das träfe auch auf die großen Warenhäuser zu. Hier müsse konzeptionell völlig neu gedacht werden.

Andererseits gibt es bei Warenhausimmobilien ein Klumpenrisiko, denn es gibt für diese großen Flächen keine anderen Mieter. Hinzu kommt die negative Ausstrahlung eines leerstehenden Warenhauses auf die Geschäfte im Umfeld, die – wie beispielsweise die Liquidation von Hertie vor etwa zehn Jahren zeigte – durch die verminderte Frequenz etwa 20 bis 30% ihres Umsatzes einbüßen. Erschwert wird die Lage durch den generell schwächelnden Vermietungsmarkt bei Retail Assets.

Furcht vor Insolvenzwelle und Kündigungen

Schon jetzt sind im Bereich zwischen Hauptbahnhof und Rathausmarkt Leerstände zu verzeichnen. Die Modeketten S.Oliver, Salamander und der Sporthaus Stadium haben die Hamburger City bereits verlassen, der Sportschuhhändler Runners Point will gehen, das Modehaus Appelrath Cüpper hat im Zuge der Corona-Krise auch Insolvenz angemeldet. Und auch das Kindermodegeschäft Petite Bateau, der Kosmetikfilialist Yves Rocher und der Wohnaccessoire-Händler Butlers haben Standorte geschlossen oder sind umgezogen.

Wie schwer die Vermietung ist, zeigt die ehemalige Stadium-Filiale, die bereits seit Herbst 2019 leer steht. Das Gebäude soll komplett umgebaut werden, der erste Stock wird in Büros umgewandelt, die 900-Quadratmeter-Fläche im Erdgeschoss soll in vier Ladeneinheiten aufgeteilt werden. Im Semperhaus in der Spitalerstraße wird im Frühherbst zwar mit einer Neueröffnung gerechnet, doch ist der Modehändler S.Oliver schon vor fast einem Dreivierteljahr ausgezogen.

Bartmann befürchtet, dass es „in diesem Jahr in dieser Lage noch richtig knallen wird“. Jedes zweite Format habe hier angesichts nachhaltiger Frequenzrückgänge kein auskömmliches Geschäft. Er befürchtet eine massive Insolvenzwelle und Kündigungen. Denn die Mieten seien nach wie vor hoch und weitere Personaleinsparungen kaum möglich.   

Erschwerend kommt hinzu, dass in der Hamburger Innenstadt viel gebaut wird. So wird insbesondere in der Mönckebergstraße für den lange geplanten barrierefreien Ausbau der U-Bahn-Station der Fußgängerverkehr bis Frühjahr 2022 teilweise massiv behindert. Das belastet auch das Handelsgeschäft. „Langfristig wird dadurch die Innenstadt attraktiver, aber in der aktuellen Situation schadet es massiv“, so Engler.

Baustellen in der Einkaufsmeile belasten das Geschäft

Aus ihrer Sicht ist die Situation in der Hamburger City besonders schwierig, „weil wir hier keine Wohnbevölkerung haben“. Die Stadtteilzentren mit ihrer Nahversorgungsfunktion hätten es derzeit wesentlich leichter. Wenn man in die City wolle, dann müsse man sich bewusst auf den Weg machen, und das machten immer noch viele am liebsten mit dem eigenen Auto. Doch die Innenstadt sei schwer erreichbar und Parkplätze rar und teuer.

Last not least droht 2022 große Konkurrenz, wenn im südlichen Überseequartier in der Hafen City das Mega-Einkaufszentrum von Unibail-Rodamco-Westfiel (URW) öffnet. 200 Läden sollen hier entstehen – mit allem, was als Erfolgsrezept nicht mehr nur für Einkaufszentren gilt: Authentizität, Aufenthaltsqualität und Erlebnis. Denn hier sind auch drei Hotels, 650 Wohnungen, 48 000 qm Büroflächen und ein Kreuzfahrtterminal geplant. Dazu über 40 Gastronomie-Konzepte, von Sportbars über bekannte Ketten bis zum Sterne-Restaurant. Es soll Kulturangebote, ein Kino und regelmäßige Events geben. Für Erreichbarkeit werden eine U-Bahn-Station, diverse Mobilitätsservices, 2 500 Parkplätze und 3 500 Fahrradstellplätze sorgen.

Das aber ist genau das, was nach Meinung vieler Bürger der Hamburger City fehlt. An einer attraktiven Fußgängerzone, die zum Flanieren und Verweilen einlädt, wird zwar seit längerem mit diversen Einzelmaßnahmen gearbeitet, aber der große Wurf blieb aus. „Wir wünschen uns, dass die Mönckebergstraße neu entwickelt wird“, sagt Citymanagerin Engler. In diesem Jahr soll eine Pilotphase starten, in der die Busse komplett aus der Straße verschwinden. Neben der Krise der Warenhäuser macht die relative Austauschbarkeit des Angebots sorgen, was auch mit den hohen Immobilienpreisen und mit der Struktur der Eigentümer zusammenhängt.

„Die Krise bringt nun die Chance, die Gestaltung der Innenstadt anzugehen und schon lange als notwendig erachtete Veränderungen umzusetzen, etwa zu große und falsch positionierte Konzepte zurückzunehmen“, hofft Bartmann. Die Innenstadt müsse wieder neu, lebendig und attraktiv werden, ein Prozess, der mindestens fünf Jahre dauern dürfte.

Brigitte Nolte, Hamburger Geschäftsführerin des Handelsverbands Nord, sieht immerhin für die beiden von der Schließung bedrohten Kaufhaus-Standorte in der Mönckebergstraße „viel Potenzial“. Ideen zur Nachnutzung gibt es viele, auch die Bürger melden sich in unzähligen Leserbriefen und Kommentaren zu Wort. Neben Wohnungen, Büros und öffentlichkeitsbezogenen Nutzungen, Bildungsstätte oder Bücherhalle, könnte das geplante neue Naturkundemuseum, dessen Finanzierung gesichert ist, in eines der Kaufhausobjekte einziehen. Dafür gibt es sogar eine historische Vorlage: Auf dem Platz gegenüber von Karstadt Sports war früher Hamburgs erstes Naturkundemuseum untergebracht, in einem wilhelminischen Bau mit einem Innenhof und umlaufenden Galerien. Im Juli 1943 wurde es zerbombt.

Diese Lösung könnten sich sogar das Citymanagement und der Handelsverbands vorstellen, zumal der Standort verkehrsmäßig bestens erreichbar und auch noch sehr gut angebunden ist an die Häuser der Kunstmeile. Ohnehin: Alles ist besser als jahrelanger Leerstand, der die ganze Umgebung stark belasten würde.