rv DÜSSELDORF. Die 42 von NIQ Geomarketing (vormals GfK Geomarketing) untersuchten Länder Europas von Portugal bis zur Ukraine und Belarus verzeichnen 2025 einen Kaufkraftzuwachs von immerhin 4% auf 20 291 Euro pro Kopf und Jahr. Insgesamt bedeutet das laut NIQ-Studie „Kaufkraft Europa 2025“ ein Kaufkraftvolumen von etwa 13,9 Billionen Euro, das den Europäern für Essen, Wohnen, Dienstleistungen, Energiekosten, private Altersvorsorge, Versicherungen, Urlaub, Mobilität oder auch Konsumwünsche zur Verfügung steht.
Doch dass Europa in West und Ost nicht ansatzweise ein homogener Markt ist, als der sich der Kontinent auf der weltweiten politischen Bühne gerne präsentieren möchte, zeigt schon der Blick auf die regionale Verteilung der 13,9 Bio. Euro auf die einzelnen Länder und Regionen. Dabei ist auch 36 Jahre nach dem Fall des Eisernen Vorhangs im Sommer 1989 durch die Grenzöffnung in Ungarn auch bei der Pro-Kopf-Kaufkraft die frühere Ost-West-Grenze noch erkennbar. So findet sich Liechtenstein mit einer Pro-Kopf-Kaufkraft von 71 130 Euro, dem 3,5-Fachen des europäischen Durchschnittswerts, diesseits des Eisernen Vorhangs und die Ukraine, die allerdings auch stark vom Krieg gezeichnet ist, mit nur 2 946 Euro pro Kopf und Jahr jenseits der früheren Grenze. Den Ukrainern stehen weniger als 15% der europäischen Durchschnittskaufkraft zur Verfügung.
Auch der Blick auf die Top-10-Länder in der Kaufkraft-Rangliste zeigt hier die Westeuropäer unter sich: Hinter den erwähnten Liechtensteinern folgen mit 53 011 Euro pro Kopf die Schweizer, vor den Luxemburgern mit 38 929 Euro und den Isländern mit 38 767 Euro. Es folgen – mit leichtem Abstand – die Dänen mit 33 211 Euro, gefolgt von den Briten, die sich mit 30 468 Euro von Platz sieben auf Platz sechs verbessern konnten – ungeachtet der vielen Berichte über die Krisen seit dem Brexit im Jahr 2016. Die vorderen fünf Länder konnten ihre Positionen gegenüber 2024 halten.
Einen riesigen Sprung nach oben auf Platz sieben haben die Iren mit 30 205 Euro gemacht. Im Vorjahr hatten sie noch auf Rang 12 gestanden. Dagegen ist Österreich mit 29 852 Euro um zwei Plätze von sechs auf Platz acht gerutscht, genauso wie Norwegen, das mit einer Pro-Kopf-Kaufkraft von 29 028 Euro von Platz acht auf zehn abgerutscht ist. Überhaupt ist Norwegen, das früher von seinem Ölreichtum profitierte und immer in der Spitzengruppe zu finden war, weiter nach hinten gereicht worden. Zwischen Österreich und Norwegen hat Deutschland mit 29 566 Euro seinen neunten Platz aus dem Vorjahr verteidigt. Insgesamt weisen die Experten von NIQ Geomarketing darauf hin, dass im europäischen Vergleich alle Länder in der Top-10-Liste eine sehr hohe Pro-Kopf-Kaufkraft aufweisen und mindestens um 43% über dem europäischen Durchschnitt liegen.
Unter den osteuropäischen Ländern ist die Tschechische Republik mit einer Kaufkraft, die mit 15 928 Euro nur 78,5% des europäischen Durchschnittswerts erreicht, auf Platz 23 am besten platziert. Gegenüber 2024 hat sich das Land um einen Platz verbessert. Die Polen haben sich mit 14 156 Euro von Platz 27 auf Platz 26 vorgeschoben. Und auch Rumänien konnte sich mit 11 105 Euro um einen Platz auf Rang 31 verbessern. Bei Analyse der Kaufkraftentwicklung registrierten die NIQ-Forscher, dass Länder mit geringerer Kaufkraft wie in Osteuropa gleichzeitig überdurchschnittliche Zuwächse aufweisen, was die Hoffnung nährt, dass dadurch die Kluft zwischen den einzelnen Nationen allmählich immer kleiner wird.
Die Lücke schließt sich ganz langsam
Das erläutern sie am Verhältnis von Liechtenstein und der Ukraine: Denn während die Liechtensteiner vor zehn Jahren noch das 66-Fache der ukrainischen Kaufkraft zur Verfügung hatten, ist das Verhältnis zuletzt auf das 24-Fache gesunken. Gleichwohl bleibt die Ukraine weiterhin auf dem letzten Platz der 42 analysierten europäischen Länder. Nachhaltig verbessern dürfte sich die Lage in dem Land erst, wenn der Angriffskrieg durch Russland beendet ist und sich die Ukraine als freies Land weiter entwickeln kann.
Die bestehende Unwucht in Europa zeigt sich auch daran, dass in 16 der 42 untersuchten Ländern die Kaufkraft über dem europäischen Durchschnitt liegt, während in 26 Ländern der Durchschnittswert unterschritten wird. Dabei liegt Spanien mit seinen 20 134 Euro pro Kopf ganz knapp unter dem Durchschnittswert auf Platz 17. Nach Einschätzung der NIQ-Forscher nähert sich das Land dem europäischen Durchschnitt aber immer weiter an und unterbietet ihn nur noch um weniger als 1%.
Wie groß die Abweichungen vom Landesdurchschnitt innerhalb eines Landes sein können, hat NIQ Geomarketing beispielhaft am Vereinigten Königreich dargestellt. So haben die Bewohner in London und Umgebung die höchste Kaufkraft im Land. Allen voran die Einwohner des County Windsor and Maidenhead im Westen der Metropole liegen mit ihrer durchschnittlichen Kaufkraft von 45 331 Euro für Ausgaben und zum Sparen laut NIQ Geomarketing um knapp 49% über dem Landesdurchschnitt. Auch der zweite Platz geht mit Surrey und 43 626 Euro an den Großraum London, vor der City of London mit 42 798 Euro. Beide liegen nochmals um mehr als 40% über dem durchschnittlichen Nettoeinkommen des Landes.
Wie es in der Studie weiter heißt, hat sich in der Top-10-Liste gegenüber dem Vorjahr nicht viel verändert. Lediglich West Berkshire (38 476 Euro) und Wokingham (38 285 Euro) tauschten die Plätze fünf und sechs. Dagegen musste Cheshire East die Top 10 verlassen, nachdem sich der County City of Edinburgh mit 35 203 Euro und +16% gegenüber dem Landesdurchschnitt neu in der Liste, und gleich auf Platz neun platziert hat. Platz zehn belegt das County Rutland in den East Midlands von England mit 35 007 Euro. Relativ nah beim Durchschnitt liegt die Kaufkraft im County West Northamptonshire, die mit 30 450 Euro nur um 36 Euro unter dem Landesdurchschnitt liegt. Das Schlusslicht bildet Leicester im Nordosten von Birmingham. Hier liegt das Nettoeinkommen von 19 987 Euro nicht nur um gut 34% unter dem britischen, sondern auch unter dem europäischen Durchschnitt.



