Schutzschirm- und Insolvenzplanverfahren

Görtz strebt eine schnelle Sanierung an

Görtz Flagship Store in Düsseldorf. Foto: Görtz

Die beiden Shutdowns zur Pandemie-Bekämpfung 2020 und 2021 hatte der Schuhhändler Görtz mit seinen 160 Filialen noch relativ gut überstanden. Doch nachdem die hohen Preise bei Energie und Lebensmitteln die Kaufkraft der Bundesbürger schmälern, so dass weniger Geld im innerstädtischen Handel etwa für Schuhe ausgegeben wird, hat die Geschäftsführung für die Muttergesellschaft Ludwig Görtz einen Antrag auf Schutzschirmverfahren und für die Töchter Görtz Retail und Görtz Logistik einen Antrag auf Insolvenzplanverfahren in Eigenverwaltung gestellt.

„Der Ukraine-Krieg hat mit den gestiegenen Energiekosten und der starken Inflation zu einer erheblichen Verunsicherung der Kundinnen und Kunden geführt“, erläuterte der Hamburger Schuhhändler Görtz am 6. September die Lage: „Die dadurch verursachte Kaufzurückhaltung hatte deutliche Umsatzrückgänge zur Folge.“ Diese Kaufzurückhaltung der Bundesbürger, die sich seit geraumer Zeit auch im Konsumklima deutlich widerspiegelt, registrierte beispielsweise auch die Ceconomy AG bei ihren Töchtern Media Markt und Saturn und sah sich deshalb veranlasst, zumindest ihre Prognosen für das Geschäftsjahr 2021/22 nach unten zu korrigieren.

Die Hamburger Ludwig Görtz GmbH mit ihren beiden operativen Töchtern Görtz Retail GmbH und Görtz Logistik GmbH sieht für sich jetzt die Notwendigkeit, ihre Kostenstrukturen an die spürbar veränderten Marktbedingungen anzupassen, wie das Unternehmen mitteilt. Eine solche konsequente Restrukturierung ist unter den Sonderbedingungen eines Schutzschirmverfahrens oder eines Insolvenzplanverfahrens in Eigenverwaltung leichter zu realisieren. So können Mietverträge einfacher gekündigt werden und auch der Personalabbau ist leichter möglich.

Vor diesem Hintergrund hat der Schuhhändler am 6. September 2022 beim Amtsgericht Hamburg einen Antrag auf Einleitung eines Schutzschirmverfahrens für die Muttergesellschaft Ludwig Görtz GmbH gestellt. Ein solches Verfahren, das in Eigenverantwortung durchgeführt wird, setzt u.a. voraus, dass zum Zeitpunkt des Antrags lediglich der Insolvenzgrund einer drohenden Zahlungsunfähigkeit und/oder Überschuldung vorliegt, die Zahlungsunfähigkeit aber noch nicht eingetreten ist und die Sanierung auch Aussicht auf Erfolg hat.

Für die beiden operativen Töchter Görtz Retail GmbH und Görtz Logistik GmbH hat das Amtsgericht Hamburg nach den entsprechenden Anträgen am 6. September Insolvenzplanverfahren in Eigenverwaltung angeordnet. Dabei geht es grundsätzlich um den Erhalt und die Sanierung eines zahlungsunfähigen Unternehmens, das von seiner Geschäftsführung oder seinem Vorstand unter Aufsicht eines Sachwalters eigenverantwortlich weitergeführt wird.

Voraussetzung für die Genehmigung eines Insolvenzplanverfahrens ist der Nachweis, dass das Unternehmen nach der Sanierung eine realistische Chance hat, im Wettbewerb zu bestehen. Für die Sanierungsstrategie wird ein Insolvenzplan erarbeitet, der beim Insolvenzgericht vorgelegt werden muss und dem die Gläubiger, die im Rahmen des Verfahrens teilweise auf Forderungen verzichten müssen, auch zustimmen.

Beim Schuhhändler Görtz wird die Geschäftsführung um Frank Revermann (CEO) und Tobias Volgmann (CFO) das Unternehmen „handlungs- und weisungsbefugt“ weiterführen. Als vorläufiger Sachwalter wird der vom Hamburger Amtsgericht bestellte Rechtsanwalt Sven-Holger Undritz von der Kanzlei White & Case im Auftrag des Gerichts die Geschäftsführung beaufsichtigen und das Sanierungsverfahren im Interesse der Gläubiger konstruktiv begleiten. Laut Görtz wird die Geschäftsführung in den nächsten drei Monaten den Sanierungsplan erarbeiten und dem Gericht vorlegen. Ziel sei es, die gerichtlichen Sanierungsverfahren jeweils zügig mit einem Sanierungsplan abzuschließen. „Wenn die Gläubiger diesem Plan zustimmen und das Gericht ihn bestätigt, wird der Erhalt und die nachhaltige Fortführung von Görtz gesichert“, heißt es weiter, ohne dass jedoch ein Zeitrahmen genannt wird, zu dem das Schutzschirmverfahren resp. die Insolvenzplanverfahren abgeschlossen sind. In der Zwischenzeit läuft der Geschäftsbetrieb in den Filialen, in der Zentrale in Hamburg und in den beiden Zentrallagern ohne Einschränkung weiter. Die Löhne und Gehälter der etwa 1 800 Beschäftigten zahlt von September bis einschließlich November die Bundesagentur für Arbeit. Ab Dezember muss Görtz wieder selbst zahlen.

Beim Blick auf die nächsten Monate gibt sich CEO  Revermann überzeugt, dass Görtz als bekannte und starke Marke noch viel Potenzial hat, zumal das Unternehmen auch in punkto Online-Vertrieb gut aufgestellt ist. Angesichts der schrumpfenden Kaufkraft ist derzeit aber auch der Online-Handel keine Versicherung gegen die Krise. Mit Offline und Online-Vertrieb erreicht der Einzelhandel mit stationärer DNA allerdings ein größeres Einzugsgebiet.

Zudem gibt die Auszeichnung als Store of the Year, die Görtz für seinen Düsseldorfer Flagship Store beim Handelsimmobilien-Kongress am 2. Mai 2022 erhalten hat, Anlass zur Hoffnung, dass das 1875 mit der Eröffnung eines kleinen Ladens für Herrenschuhe in Hamburg gegründete Unternehmen noch genug Kreativität für den Einzelhandel von Morgen hat.