Investmentmarkt

Gemischter Ausblick auf das Jahresende

Das Main-Taunus-Zentrum aus dem DES-Portfolio. Foto: DES

Die Lage im Handelsimmobilienmarkt bleibt angespannt. Stark steigende Verbraucherpreise und Kaufkraftverluste werden den mietenden Einzelhandel belasten, was sich auch auf den Investmentmarkt für Retail Assets auswirkt. Dass das dritte Quartal in diesem Umfeld dennoch recht erfolgreich ausfiel, lag ausgerechnet am Verkauf eines Shopping-Center-Portfolios. Da mit den steigenden Zinsen die Volatilität an den Finanzmärkten zunimmt, gewinnt das Thema „Preisanpassungen“ an Gewicht.

Nach Beobachtung von Jörg Krechky, Head of Retail Investment Services Germany bei Savills, ist der Finanzmarkt insbesondere mit Blick auf die schnell steigenden Fremdkapitalkosten derzeit sehr volatil und unberechenbar. Die vor diesem Hintergrund generell erschwerte Finanzierbarkeit von Handelsimmobilien würden die Kalkulation einiger Investoren durcheinanderbringen, schätzt der Experte.

Auch Jan Schönherr, Co-Head of Retail Investment bei CBRE, erwartet, dass die Unsicherheiten durch die Zinsentwicklung, die geopolitische Lage und die zu erwartende Kaufzurückhaltung den Handelsimmobilienmarkt abbremsen. Zu groß sind die Unklarheiten mit Blick auf die Fragen, ob das Gas reicht, wie hoch die Energiekosten sind und wieviel Kaufkraft dadurch am Einzelhandel vorbeigeleitet wird.

Aus Sicht von Helge Scheunemann wird der aktuelle „Preisfindungsmodus“, in dem sich die Investoren derzeit befinden, auch maßgeblich beeinflusst von den nächsten Zinsschritten der Europäischen Zentralbank (EZB) und der Höhe des Leitzinses am Jahresende. Denn laut Cushman & Wakefield (C&W) ist in dieser Phase der Unsicherheit die Sorge der Investoren groß, in sechs Monaten feststellen zu müssen, dass sie einen zu hohen Preis bezahlt haben.

Vor diesem Hintergrund zeichnet sich bei den Spitzenrenditen laut BNP Paribas Real Estate (BNPPRE) seit dem dritten Quartal auch im Bereich Retail Assets ein Aufwärtstrend ab, nachdem die Renditen für Büro- und Logistikimmobilien schon zur Jahresmitte zugelegt hatten. Diese Verzögerung ist darauf zurückzuführen, dass die Renditen in einigen Segmenten des Einzelhandels bedingt durch den Strukturwandel, den der Online-Handel ausgelöst hat, bereits in den vergangenen Jahren stagnierten oder – wie bei Shopping-Centern – bereits deutlich zugelegt hatten. Eine Renditekompression war in einigen Segmenten schon länger nicht mehr zu beobachten.

Die Preisvorstellungen liegen noch weit auseinander

Dabei liegen die Preisvorstellungen von Verkäufern und Käufern angesichts der Zeitenwende auf dem Immobilienmarkt auseinander, wie Savills mit Blick auf die verschiedenen Segmente darlegt. Bei Supermärkten und Discountern sieht der Immobilienberater eine Renditespanne von Verkäufer zu Käufer von 3,4 bis 4% – nach 3,2 bis 3,5% im zweiten Quartal. Bei Fachmarktzentren erhöhte sich die Spitzenrendite-Spanne von 3,6% bis 3,9% auf 3,9% bis 4,3% und bei Geschäftshäusern von durchschnittlich 3,2% auf eine Spanne von 3,2% bis 3,6%. Shopping-Center durchlaufen den Strukturwandel schon länger und Savills erwartet einen Anstieg von durchschnittlich 5,0% auf 5,1% - 5,5%.

Laut Anne Gimpel, Teamleader Retail Valuation bei CBRE, sind die Spitzenrenditen als Folge der Zinserhöhungen gemessen am Vorquartal in allen Sub-Assetklassen um 0,1 bis 0,4 Prozentpunkte gestiegen, bei den Geschäftshäusern in den Top 7-Städten sogar auf durchschnittlich 3,42%. Bei Shopping-Centern in A-Lagen sieht CBRE die Spitzenrenditen mit 4,9% niedriger als Savills, bei Objekten in B-Lagen mit 6,25% deutlich höher. Bei Fachmarktzentren beziffert CBRE die durchschnittliche Spitzenrendite mit 4% und bei den Lebensmittelmärkten, die wegen ihrer Konjunkturresistenz unvermindert stark gefragt sind, mit 3,9%.

Dieses Segment profitiert laut Matthias Leube, CEO bei Colliers, davon, dass die Konsumenten bei der Grundversorgung nur bedingt einsparen können. Das habe sich bei der Finanzkrise genauso gezeigt, wie bei der Pandemie und nach dem Ausbruch des Ukraine-Kriegs – auch wenn sich in den schwächeren sozialen Schichten die Ausgaben innerhalb des Segments vermehrt vom Supermarkt auf den Discounter verlagern.

Vor diesem Hintergrund blieb das Investmentgeschäft mit „lebensmittelgeankerten Immobilien“ auch im dritten Quartal 2022 trotz stark steigender Lebensmittelpreise stabil. Allerdings verzeichnete der Lebensmittelhandel nach den vorläufigen Zahlen des Statistischen Bundesamtes von Januar bis August 2022 gegenüber dem Vorjahreszeitraum ein reales Umsatzminus von 5,8%. Nominal blieb ein Plus von 1,9%. Hier spielt die hohe Inflationsrate bei Lebensmitteln eine Rolle und die Tatsache, dass der Lebensmittelhandel im Vorjahr noch von den Zwangsschließungen der Gastronomie profitierte. Dieser Sondereffekt ist mit der Normalisierung bei der Gastronomie ausgelaufen.

Mit einem Anteil von 46% (CBRE) am Transaktionsvolumen entfiel in den ersten neun Monaten damit der größte Teil der Investitionen auf das Segment Fachmärkte und Fachmarktzentren mit Schwerpunkt Nahversorgung. Allein für Supermärkte und Discounter ermittelte Savills ein Transaktionsvolumen von 983 Mio. Euro und einen Anteil am Gesamtvolumen von15%, für Fachmarktzentren von 1,52 Mrd. Euro und 23%.

Dass nicht mehr Geld in kleinteilige Lebensmittelmärkte geflossen ist, lag am mangelnden Angebot, zumal die Verkaufsbereitschaft der Eigentümer nach Beobachtung des Immobilienberaters mit Blick auf die ertragreiche Mietkonstellation im Lebensmittelhandel derzeit gering ist. Zudem ist laut Krechky die stabile Cash-Flow-Rendite wegen des wegfallenden Leverage-Effekts ein starkes Halte-Argument.

Die größte Transaktion im Fachmarkt-Segment war im dritten Quartal laut Colliers der Verkauf des Portfolios Seve Needs mit sieben langfristig an deutsche Lebensmittelhändler vermietete Nahversorgungsimmobilien, die die Trei Real Estate im Auftrag des Family Offices Molento an die MEAG veräußert hat.

Deutsche Euro Shop war der größte Deal im dritten Quartal

Insgesamt beziffern die Immobilienberater das Transaktionsvolumenmit Retail Assets in den ersten neun Monaten 2022 in der Bandbreite von 6,3 Mrd. Euro (C&W) über 6,6 Mrd. Euro (Savills), 6,9 Mrd. Euro (CBRE) und 7,1 Mrd. Euro (JLL) bis hin zu 7,7 Mrd. Euro von BNPPRE. Dabei erwies sich das dritte Quartal mit einem Investitionsvolumen in der Bandbreite von 3,6 Mrd. Euro (BNPPRE) über 3,3 Mrd. Euro (CBRE) bis hin zu 2,5 Mrd. Euro bei Savills und Colliers in diesem Jahr als stärkstes Quartal, das laut CBRE um 87% über dem Niveau des zweiten Quartals lag und gemäß BNPPRE 47% des Gesamtvolumens von 2022 ausmachte.

Neben dem oben erwähnten Seve-Needs-Portfolio trug vor allem die Mehrheitsbeteiligung des Konsortiums aus Oaktree Capital und der Cura Vermögensverwaltung der Familie Otto am börsennotierten Shopping-Center-Investor Deutschen Euro Shop AG zu dieser günstigen Entwicklung bei. Dieser Milliardendeal war laut Colliers assetklassenübergreifend die größte Transaktion seit Jahresmitte und machte laut BNPPRE und CBRE knapp die Hälfte des Investitionsvolumens im dritten Quartal aus.

Shopping-Center erreichten damit denn auch einen Anteil von 31% (CBRE) am Transaktionsvolumen. Aus dem Portfolio mit 21 Einkaufszentren, die der Deutschen Euro Shop ganz oder teilweise gehören, entfallen 17 auf Deutschland, darunter das Main-Taunus-Zentrum und die Altmarkt-Galerie Dresden. Das Portfolio wurde laut Colliers zuletzt mit 3,39 Mrd. Euro bewertet.

Wie Dirk Hoenig-Ohnsorg,Head of Retail Investment bei Colliers, sagt, war das wesentliche Übernahmeargument in diesem Fall die Unterbewertung des Einzelhandelssektors bei Investoren und Kapitalmarkt: „Auch wir sehen, dass sich für Investoren an gut positionierten Standorten und mit einem zukunftsfähigen Konzept gerade im Shopping-Center- und Highstreet-Segment langfristige Wachstumspotenziale bieten.“

Positiv ins Gewicht fällt laut BNP Paribas Real Estate, dass – neben den dominierenden Fachmarktprodukten – die Transaktionsvolumina wieder etwas gleichmäßiger auf die verschiedenen Segmente verteilt sind. Auf Geschäftshäuser entfielen 22% des Volumens und im Segment Warenhäuser stach der Verkauf der ehemaligen Kaufhof-Filiale an der Mönckebergstraße in Hamburg ins Auge. Für Christoph Scharf, Geschäftsführer der BNP Paribas Real Estate GmbH, stimmt zudem die Analyse der Einzeldeal-Sparte mit ihrer großen Zahl kleinerer Objekte bis 50 Mio. Euro zuversichtlich, die mit knapp 4,3 Mrd. Euro 2022 das beste Ergebnis seit 2018 erzielte.

Ansonsten fällt der Blick der Experten auf das Jahresende gemischt aus. Rebecca Hummel, Senior Consultant Research Germany bei Savills und CBRE-Tamleader Anne Gimpel, können mit Blick auf die Unwägbarkeiten im Handel und abhängig von der Zinsentwicklung und den erschwerten Finanzierungsbedingungen einen weiteren Anstieg der Renditen in diesem Markt nicht ausschließen. Laut Krechky befindet sich die Asset-Klasse angesichts der Verwerfungen und Unsicherheiten in einem großen Transformationsprozess, so dass Handelsimmobilien für risikoscheue Investoren derzeit eher kein attraktives Investment seien.

Nach Einschätzung von Jan Dirk Poppinga, Co-Head of Retail Investment bei CBRE, gibt es zwar viel Produkt im Markt, doch gebe es kaum Core-Objekte, „an denen die meisten Investoren derzeit vor allem interessiert sind“. Deshalb geht CBRE-Co-Head Schönherr davon aus, dass 2022 hinter den Ergebnissen der vergangenen Jahre zurückbleiben werde, auch wenn sich das Jahresendquartal mit Blick auf die Produkte im Markt und den bestehenden Anlagedruck bei einigen Investoren beleben werde.

Hoenig-Ohnsorg ist dagegen zuversichtlich, dass das Transaktionsvolumen den 2021er-Wert von 8 Mrd. Euro überschreiten wird, auch wenn eine Jahresendrally ausbleibe. Dabei stützt er sich auf das Interesse an lebensmittelgeankerten Fachmärkten und verweist auf das Oceans Portfolio, ein Nahversorgungspaket der Hahn-Gruppe im hohen dreistelligen Millionen-Euro-Bereich, das sich im Verkaufsprozess befindet.

Ein Lichtblick sind laut Daniel Kroppmanns, Head of Retail Agency Germany bei Savills, auch die aktiven Händler, die das aktuelle Marktumfeld als Chance begreifen und expandieren: „Denn antizyklisch und in einem ausgedünnten Wettbewerbsumfeld zu expandieren, bietet derzeit die Möglichkeit, gute Verträge in attraktiven Lagen abzuschließen.“ Und laut Krechky werden Eigentümer, die einen attraktiven Handelsbesatz mit langfristigen Mietverträgen in ihren Objekten halten, davon profitieren.