Factory-Outlet-Center-Markt-Europa

Gelungener Re-Start – Gebremste Expansion

Outletcity Metzingen deutlich aufgewertet. Foto: Outletcity Metzingen

rv DÜSSELDORF. Unter den strikten Regeln der Corona-Pandemie werden die Karten im Einzelhandel nicht selten neu gemischt und alte Regeln über gute Lagen über den Haufen geworfen. Das gilt offensichtlich nicht nur für die Top-Einkaufsstraßen in Deutschland, sondern auch bei Europas Factory und Designer Outlet Center, die sich nach der Shutdown-Phase teilweise schneller wieder erholt haben als City-Lagen und Einkaufszentren. Doch lange Schlangen gibt es nicht überall.

So registriert das Wiesbadener Beratungsunternehmen Ecostra GmbH in seiner jüngsten Studie über den Outlet Center Markt in Europa, dass Factory resp. Designer Outlet Center (FOC/DOC) mit einem bislang sehr hohen Besucheranteil an internationalen Touristen etwa aus China und Russland bei den Umsätzen vom Vorjahresniveau noch ein gutes Stück entfernt sind. Denn die massiven Reisebeschränkungen für Länder außerhalb der Europäischen Union zeigt hier genauso Wirkung wie in den Top-Lagen der Metropolen. Diese wichtige Kundschaft fällt derzeit fast komplett aus.

Laut Joachim Will, Geschäftsführer der Ecostra GmbH trugen gerade Besucher aus diesen Ländern ganz wesentlich zum Umfang der Umsätze insbesondere mit Premium-Marken bei. Wann sich die Lage am Reisemarkt wieder normalisiert, ist aus heutiger Sicht – vor allem mit Blick auf eine mögliche zweite Infektionswelle - schwer abzuschätzen. Das belastet derzeit auch das Geschäft von Outlet-Mietern aus dem Bereich Koffer und Reisetaschen. „Center mit einem überwiegend mittelpreisigen oder gehobenen Markenbild und einem einwohnerstarken regionalen Einzugsgebiet sind dagegen bisher weitaus besser aus der Krise gekommen“, gibt Will denn auch zu bedenken.

Zu den Positiv-Beispielen gehört etwa das britische Designer Outlet Center Bicester Village in der Nähe von Oxford. Laut Ecostra war der Besucherandrang Mitte Juni schon wieder so groß, dass in der Öffentlichkeit Stimmen laut wurden, die eine Schließung des Centers forderten, um im arg gebeutelten Großbritannien die Entstehung eines Corona-Hotspots zu verhindern. Beim bekannten Designer Outlet Center im grenznahen niederländischen Roermond hatte sich am 12. Juli ein 6 km langer Rückstau auf der Autobahn gebildet, nachdem die unter Corona-Bedingungen zulässige Personenzahl erreicht war. Und das trotz der allgemeinen Unannehmlichkeiten, die Einlasskontrollen und Maskenpflicht mit sich bringen.

Wie Ecostra weiter berichtet, bilden sich wegen der Zutrittsbeschränkungen auch vor den einzelnen Outlet Stores immer wieder Schlangen. Ein Beispiel dafür ist der Nike Store im Fashion Outlet Zweibrücken, vor dem die Kunden nicht selten in 30 m langen Reihen warten. Ähnliche Berichte gebe es auch von anderen Outlet Centern.

Lange Schlangen vor dem Nike Store in Zweibrücken

Dabei waren die Startbedingungen dieses Vertriebswegs nach den kontinuierlichen Lockerungsmaßnahmen gar nicht so günstig. Das gilt vor allem für die Outlet Center mit Schwerpunkt Mode, in denen es normalerweise keine Magnetbetriebe wie Lebensmittelhändler oder Drogeriemärkte zur Grundversorgung gibt. Diese waren laut Ecostra über mehrere Wochen komplett geschlossen.

Nach dem Re-Start Mitte Mai in Deutschland und mit zeitlicher Verzögerung auch in anderen europäischen Ländern lief das Geschäft nach Erkenntnis des Beratungsunternehmens aber schneller wieder an als beispielsweise in den Innenstädten und in Shopping-Centern. „Uns liegen Informationen vor, dass die meisten Outlet Center den Vergleichswert des Vorjahresmonats bereits erreicht haben“. Einige hätten den Vorjahreswert sogar bereits übertroffen. Dagegen hätten so manche Einkaufszentren noch nicht einmal 70% des Vorjahreswerts erreicht.

Die günstigen Preise alleine machen den Erfolg der Fabrikverkaufszentren aber offenbar nicht aus, denn der innerstädtische Einzelhandel versucht nach der langen Schließungsphase gerade während des wichtigen Oster- und Frühjahrsgeschäfts ihre Ware nun deutlich preisgünstiger zu veräußern, nicht zuletzt, um ihre Liquidität mit Blick auf die anstehende Herbstkollektion zu verbessern. So gibt es laut Will die besseren Rabatte derzeit eigentlich in der Innenstadt.

Dass die Kunden dennoch in die Designer und Factory Outlet Center strömen, könnte gerade durch die Covid-19-Pandemie begünstigt werden. Denn viele Bürger haben ihren großen Jahresurlaub gestrichen und suchen kleinere Freizeitbeschäftigungen im Inland. Da bietet sich die Fahrt in ein Factory Outlet Center mit seinen vielen namhaften Marken an und eröffnet die Chance, in unsicheren Zeiten Qualität zu günstigen Preisen zu erstehen. Denn viele Kunden wollen nicht billige Ware, sondern gute Qualität zu niedrigen Preisen haben.

Hinzu kommt, dass auch das Angebot recht groß ist, denn auch die Markenhersteller haben durch den Shutdown ihre Ware nicht verkaufen können. „Sofern die Marken nicht über einen eigenen Online-Store verfügten, sind in der Phase des Lockdowns sämtliche Distributionskanäle, d.h. vom Großhandel über eigene Full-Price-Geschäfte bis hin zu den Outlets, blockiert gewesen“, schreibt Ecostra in seinem Bericht. Durch den Umsatzausfall seien viele bekannte Markenhersteller in wirtschaftliche Schwierigkeiten geraten, eine ganze Reihe hat sogar Insolvenz angemeldet. Dazu gehören unter anderem St. Emile, René Lezard, Laurèl und Strenesse, wie das Beratungsunternehmen aufzählt.

Der hohe Lagerdruck hat sich nach Wills Beobachtung bislang aber noch nicht in einem exorbitanten Warendruck und ungewöhnlich hohen Preisnachlässen niedergeschlagen: „Auch wäre zu vermuten, dass nun ein Run auf die noch verfügbaren Ladenflächen in den Fabrikverkaufszentren losgeht“, überlegt der Experte. Dass von alldem noch nichts zu spüren ist, führt er darauf zurück, dass viele Markenhersteller auf Grund der wirtschaftlichen Unsicherheiten zögern, längerfristige Mietverträge abzuschließen. Gesucht seien vielmehr Flächen für zeitlich begrenzte Pop-Up-Stores. So bleibt das Risiko überschaubar.

Dadurch könnte der Druck auf dem Vermietungsmarkt allerdings steigen, denn die Zahl der Outlet Center in Europa und das Volumen der Verkaufsflächen sind gemäß Ecostra-Standortdaten in den vergangenen zwölf Monaten europaweit auf 188 Designer resp. Factory Outlet Center gewachsen, 7% mehr als im Vorjahreszeitraum. Die Verkaufsfläche erhöhte sich um 100 000 qm auf 3,1 Mio. qm. Dabei steht Großbritannien mit 37 Outlet Centern an der Spitze vor Italien (26), Frankreich (23), Spanien (18), Deutschland (16) und Polen (14).

Outletcity Metzingen deutlich aufgewertet

Neue Objekte wurden zuletzt in Finnland mit dem Helsinki Outlet in Vantaa, in Italien mit The Mall San Remo und in Deutschland mit Mein Outlet Bremerhaven neu eröffnet. Mit dem Fashion House Outlet Center St. Petersburg und dem Novaya Riga Outlet Village in einem westlichen Vorort von Moskau gab es in Russland gleich zwei Neueröffnungen. Hinzu kamen Flächenerweiterungen und Refurbishments in einigen Bestandsobjekten wie der Outletcity Metzingen (Foto oben: Outletcity Metzingen) als prominentestem Projekt, das seine Mietfläche so auf ca. 60 000 qm und die Verkaufsfläche auf ca. 40 745 qm vergrößern konnte und so zum größten Outlet Center in Europa wurde.

Die bisherige Erfolgsgeschichte des Outlet-Center-Markts hat auch die Investoren auf den Plan gerufen, wobei die Transaktionsvolumina europaweit – gemessen am Shopping-Center-Markt – laut Will eher eine Marginalie darstellen: „Outlet Center sind eben nach wie vor ein kleiner, aber für Investoren sehr attraktiver Nischenmarkt. Wir haben hier ganz klar keinen Käufermarkt!“ Nach einem Transaktionsvolumen von nur 251 Mio. Euro im Jahr 2018 hat sich das Volumen im Jahr 2019 mit 750 Mio. Euro laut Ecostra immerhin verdreifacht.

Gute Outlet Center gelten aus Sicht des Beratungsunternehmens als „weitgehend krisensichere Anlage und haben dies auch in der Folge des Lockdowns erneut unter Beweis gestellt. Das Problem ist, dass selten wirklich gut performende Outlet Center zum Verkauf kommen.“

Zu den bedeutendsten europäischen Transaktionen gehörten 2019 der Paketkauf der französischen Outlet Center in Troyes und Roubaix mit einem Volumen von etwa 295 Mio. Euro durch Savills Investment Management und der Kauf des Barberino Designer Outlet in Italien durch die DWS Grundbesitz Europa für knapp 235 Mio. Euro. Zudem legte die Percassi-Gruppe zusammen mit Orion Capital Managers einen neuen Immobilienfonds auf und brachte ihre drei italienischen Outlet Center in Turin, Rom und auf Sizilien ein.