Nachhaltigkeit

Fachmarktzentren haben viele „Hidden Benefits“

Photovoltaik-Anlagen auf den Activ Arkaden. Foto: Nuveen Real Estate

Fachmarktimmobilien haben den deutschen Investmentmarkt für Retail Assets 2020 angetrieben. Mit ihren bonitätsstarken Mietern aus dem Lebensmittelhandel steht die Anlageklasse bei Investoren hoch im Kurs, was an dem Transaktionsvolumina, die die Investoren in der Bandbreite von 5,7 Mrd. und 7 Mrd. Euro beziffern, abzulesen ist. Eigentümer wurden laut CBRE mit Kaufanfragen überhäuft und Savills bezifferte den Nachfrageüberhang mit 3 Mrd. Euro. In punkto Nachhaltigkeit besteht bei dieser Anlageklasse aber noch Nachholbedarf. Das hat mittelfristig Folgen.

Denn nach einer Erhebung von Union Investment spielen Nachhaltigkeitskriterien bei den Anlageentscheidungen institutioneller Investoren eine Rolle, wie es in der 8. Ausgabe des MEC-Fachmarkt Reports„Shift Happens“ heißt. Dazu tragen – neben den Fridays-for-Future-Aktivisten – schon Internationale Vereinbarungen wie das Pariser Klimaabkommen und die Sustainable Development Goals (SDG) der UN bei, die politisch in der EU bzw. ihren Mitgliedsstaaten umgesetzt werden, wie Moritz Felix Lück, Head of Marketing bei der MEC Metro ECE Centermanagement, schreibt. Der „New Green Deal“ gebe die europäische Marschroute der grünen Revolution vor.

Dabei ist aus Lücks Sicht die Rolle der energieintensiven Handelsimmobilien im Allgemeinen und des Lebensmitteleinzelhandels mit den vielen Kühlgeräten im Besonderen, nicht zu unterschätzen, wenn die Ländergemeinschaft bis 2050 eine „treibhausneutrale EU“ anstrebt. Zumal das EU-Klassifizierungssystem „Taxonomie“ mit den Bereichen Neubau, technische Optimierung, Renovierung im Bestand und Ankauf für die Beurteilung der Anlageklassen in punkto Nachhaltigkeit an die Ziele der EU (SDG) und das Pariser Klimaabkommen gekoppelt ist.

Da die „nachhaltige Nachweisbarkeit“ von Anlageprodukten und Investitionen künftig auch die Finanzierung, Versicherung und Renditen der Retail Assets beeinflussen wird, werden die ESG-Kriterien (Environmental Social Governance) der Objekte bei deren Bewertung eine maßgebliche Rolle spielen. Nach einer Prognose der Bank of England könnten die Abwertungen in Europa bei 8 bis 15% liegen. In Nordamerika sieht sie den Wertverlust zwischen 15 und 30% und in Asien bei 30 bis 60%.

In diesem Kontext weisen Jörg Krechky, Director und Head of Retail Investment Services Germany bei Savills sowie seine Kollegin Jennifer Güleryüz, Associate Research Germany, im MEC-Report darauf hin, dass das Thema Nachhaltigkeit bei Einzelhandelsimmobilien – außer bei Shopping-Centern – und vor allem bei Fachmarktzentren bislang aber noch eine eher untergeordnete Rolle spielt, wobei Deutschland hier auch keine Ausnahme bildet. Entsprechend gibt es in dieser Anlageklasse auch weniger Zertifikate als etwa bei Büroimmobilien. Das gilt für die Deutsche Gesellschaft für Nachhaltiges Bauen (DGNB) genauso wie für BREEAM und LEED.

Dadurch fehlten den Investoren bei ihren Anlageentscheidungen bislang noch die verlässlichen Benchmarks, stellen Krechky und Güleryüz fest: „Wollen sie die Nachhaltigkeit eines Fachmarktzentrums dennoch zu einem ihrer Ankaufkriterien machen, müssen sie mit entsprechendem Aufwand ein eigenes Rating-System entwickeln“. Das verursacht Kosten, bringt aber kurzfristig keinen zusätzlichen Ertrag.

Dass sich Unternehmen wie Redevco mit ihrer Initiative „Responsible Investing“, oder der Investor British Land, der Lebensversicherer Legal & General und der Shopping-Center-Spezialist ECE mit seinem Handbuch für „Nachhaltiges Betreibern von Shopping-Centern“ hier engagieren, ist für die Autoren aber ein Beleg, dass sich ein nachhaltiger Investment- und Managementansatz offenbar langfristig auszahlt. Auch der auf „wohnortnahe Grundversorger“ spezialisierte Fondsinitiator Habona Invest investiert laut Manuel Jahn, Head of Business Development, seit der Gründung 2009 in technisch neuwertige oder revitalisierte Objekte: „Während wir mit unseren Investments in eine Nahversorgungsinfrastruktur der kurzen Wege einen wesentlichen Beitrag für eine sozial und ökologisch verantwortliche Stadtentwicklung leisten, haben sich unsere Mieter zu umfangreichen ESG-Selbstverpflichtungen bekannt.“ Und auch bei den Anlegern und Vertriebspartnern sei Nachhaltigkeit ein wesentliches Kriterium.

Deshalb ist Habona Invest laut Jahn bei der Ausgestaltung des EU-Aktionsplans zur nachhaltigen Finanzierung und bei der Umsetzung des Elektromobilitätsinfrastruktur-Gesetzes (GEIG) in verschiedenen Initiativen ganz vorn dabei. Mit Blick auf den wachsenden Stellenwert des Themas in der EU und da die Einbeziehung von ESG-Kriterien im Wettbewerb um Investorengelder etwa von Versicherungen, Versorgungskammern & Co, die diesen Markt vermehrt in den Blick nehmen, einen Vorteil darstellt, dürfte es laut Krechky und Güleryüz eine Frage der Zeit sein, bis Nachhaltigkeit bei dieser Anlageklasse auch regulatorisch vorgeschrieben wird.

Wie nachhaltig sind Fachmarktzentren eigentlich?

Zumal für Investoren ESG nur der erste Schritt ist, wie Tanja Volksheimer, Senior Portfolio Manager bei Nuveen Real Estate, schreibt, und sie sich stärker auf „Impact Investing“ (wirkungsorientiertes Investieren) fokussieren. Hier geht es um „verantwortungsbewusstes Investieren“ mit dem Ziel, über die traditionellen Umwelt-, Sozial- und Governance-Prinzipien hinauszugehen und einen messbaren Mehrwert für Menschen und den Planeten zu schaffen. Neben dem Streben nach wettbewerbsfähigen Renditen geht es bei diesem Ansatz auch um ökologische und gesellschaftliche Effekte sowie um soziale Lösungen. Es gilt eine Balance zu finden, zwischen den Interessen der Investoren und den langfristigen Interessen der Gemeinschaft und die Sicherung von Arbeitsplätzen.

In diesem Umfeld stellt sich mit Blick auf Fachmarktzentren, die in Deutschland in den 1970er-und 1980er-Jahren am Stadtrand meist in einfacher Bauweise hochgezogen wurden, die Frage, ob diese Objekte nachhaltig sind? „Auf den ersten Blick nicht wirklich“, konstatiert Stefan Wundrak, Leiter Research für Europa bei Nuveen Real Estate, mit Blick auf die ebenerdige Bauweise meist auf der grünen Wiese mit einem hohen Flächenverbrauch und der Ausrichtung auf den Pkw-Verkehr. Das gilt gleichermaßen für große SB-Warenhäuser, Verbrauchermärkte und Baumärkte.

Die Beurteilung ändert sich, wenn man die Anlageklasse mit den heutigen Alternativen wie Online-Handel, Ladenpassagen oder Shopping-Centern vergleicht. Dann schneiden sie in punkto Nachhaltigkeit gar nicht so schlecht ab. Denn Fachmarktimmobilien haben laut Wundrak „Hidden Benefits“. Im Vergleich zu Shopping-Centern, die in der vergangenen Dekade ihr Augenmerk schon sehr stark auf das Thema Nachhaltigkeit und Energieeffizienz gelegt haben, bieten sie meist weniger Gemeinschaftsflächen, die Malls, die viel Raum einnahmen. Das spart Heizung und Beleuchtung.

Ein weiteres Thema ist die Belieferung durch große Lkw, die auf der grünen Wiese leichter ist, als bei innerstädtischen Einkaufszentren. Und auch die auf den Individualverkehr ausgerichtete Lage an Durchgangsstraßen hat laut Wundrak Vorteile. Die Kunden könnten den Einkauf mit der Fahrt zur Arbeit oder zur Kita verbinden, sodass keine Extrafahrten anfallen. Durch die Ansiedlung von verschiedenen Branchen kommen Fachmarktzentren dem Wunsch der Kunden, vieles auf einmal zu erledigen – das One-Stop-Shopping – entgegen.

Der naheliegendste Vorteil ist aber, dass auf den flachen Dächern entweder Grünflächen angelegt werden können wie bei der Activ Arkaden in Horb am Neckar oder Photovoltaik-Anlagen installiert werden können, um Strom selbst zu erzeugen. Oder beides. Allerdings gibt es bei Photovoltaikanlagen laut Wundrak eine Vielzahl an technischen und rechtlichen Hürden zu überwinden. Weitere Themen sind nach seinen Worten die Nutzung der Parkplätze zur Sonnenwärmegewinnung, eine zusätzliche Wärmedämmung mit geringem zusätzlichem Aufwand, eine naturnahe Gestaltung der Umgebung und Bäume auf den Parkplätzen, die Schatten spenden.

„Da die Gebäude wenig Energie verbrauchen“, so Wundrak weiter, „ist Klimaschutz zum Beispiel über Wärmepumpen erreichbar.“ Oder durch Fahrradboxen sowie Schell-Ladesäulen für E-Autos wie beispielsweise bei der Landskron Galerie in Oppenheim. Das Einkaufszentrum Mainspitze in Raunheim bietet sogar überdachte Fahrrad-Stellplätze und einen ÖPNV-Anschluss.

Die Belieferung mit Lkw ist einfacher als in der City

Im Vergleich zum Online-Handel verursacht der Einkauf im Fachmarktzentrum auf jeden Fall weniger Verpackungsmüll. Beim Energieverbrauch hängt es davon ab, wie weit die Distanz des Online-Anbieters zu den Kunden ist, wie gut die Routen geplant sind, wie sparsam das Fahrzeug ist und wie viele Artikel es transportiert. Wohnt der Kunden des Fachmarktzentrums in der Nähe und fährt er mit einem Solargetriebenen E-Auto vor, um seinen Wocheneinkauf zu erledigen, dann ist seine Klimabilanz sicher besser als die des Online-Kunden. Fährt ein Kunde mit einem SUV vor und kauft nur wenig, sieht seine Klimabilanz negativer aus.

Ungünstiger ist die Klima-Bilanz des Online-Handels, wenn Produkte, die es auch im Fachmarktzentrum gibt, online bestellt werden und über eine weite Distanz geliefert werden müssen. Bei Bekleidung kommt hinzu, dass jedes zweite Teil zurückgeschickt wird, was sich auf 800 000 Pakete täglich summiert, wodurch jeden Tag etwa 400 t CO2 erzeugt werden, wie Wundrak schreibt.

Auch die Vernichtung von einem Teil der Retouren ist nicht nachhaltig. Belastet wird die Klima-Bilanz des Online-Handels auch durch die großen Rechenzentren und deren Kühlung, die viel CO2 erzeugen und Energie verbrauchen. Günstiger sieht die Umweltbilanz aus, wenn mehr auf lokale Anbieter gesetzt wird, die Bestellmengen gebündelt werden und weniger zurück geschickt wird.

Um bei der Neuentwicklung oder der Erweiterung eines Fachmarktzentrums die Klima-Bilanz zu verbessern, geht es darum, den Flächenverbrauch – Stichwort: Flächenversiegelung - zu vermindern. Das gelingt laut Wundrak, indem das neue Objekt auf einer Brachfläche erbaut wird. Vor diesem Hintergrund sei auch die Erweiterung einer Bestandsimmobilie einem Neubau auf jeden Fall vorzuziehen, zumal auch die Infrastruktur schon vorhanden ist.

„Grundsätzlich sollten Fachmarktzentren in möglichst dicht bewohnten und stark frequentierten Gebieten stehen“, rät der Experte, „was kurze Anfahrten erlaubt und vorhandene Frequenzen bestmöglich nutzt“. Auch die stärkere Nutzung von Elektrofahrädern sollte durch das Angebot von E-Ladestationen bei der Planung berücksichtigt werden.