10. FMZ Report: Große Veränderungen und neue Chancen

ESG ist das Gebot der Stunde

Fachmarktzentren müssen Raum für soziale Kontakte bieten. Foto: MEC

Zum zehnten Mal präsentiert der Spezialist für Fachmärkte und Fachmarktzentren MEC zusammen mit den Partnern Nuveen, Savills, Dr. Lademann & Partner sowie der WISAG den Fachmarktimmobilien Report, der sich alljährlich mit den zentralen Themen dieser Asset-Klasse auseinandersetzt. Obwohl der Handel im Zuge der Digitalisierung schon seit geraumer Zeit einen Wandlungsprozess durchläuft, ist die Veränderungsdynamik im zehnte Jubiläumsjahr des Reports besonders umfassend.

„In der Historie des FMZ-Reports gab es kein Jahr, in dem die Veränderungsdynamik so stark und die Transformationsprozesse in Wirtschaft und Gesellschaft so tiefgreifend waren wie heute“, konstatiert denn auch Christian Schröder, COO der MEC METRO-ECE Centermanagement, Düsseldorf, in seinen einleitenden Worten bei Vorstellung des Reports. Der durch die Zwangsmaßnahmen zur Pandemie-Bekämpfung ausgelöste Trend zur Arbeit im Homeoffice hat in der Konsumwelt den Megatrend des „New Local“ nach sich gezogen, die Verlagerung auch des Konsums in die Stadtteile, Statteilzentren und Wohngebiete mit Nahversorgung, wie Schröder und Sebastian Kienert, CFO der MEC ,in ihrem Vorwort schreiben.

Dieser neue Trend zu gelebter Nachbarschaft nach der langen Zeit der Corona-Isolationen bedeutet für diese Handelsstandorte aus Sicht der Autoren, „dass sie sich nicht nur auf ihr Warenangebot konzentrieren dürfen, sondern „dieses neue Nachbarschaftsgefühl vieler Menschen beim Besuch transportieren und erlebbar machen müssen“. Kurz gesagt, das Fachmarktzentrum muss sich über seine Funktion als Ort des Konsums hinaus zum sozialen Treffpunkt entwickeln und das entsprechende Ambiente schaffen.

Da diese Veränderungen nicht nur mit einer starken Entwicklung einhergehen, sondern auch mit der Notwendigkeit, eingefahrene Pfade gleich einer „Revolution“ zu verlassen, trägt der diesjährige FMZ-Report den plakativen Titel: „Evoluzzer gesucht. Handelsimmobilien – große Veränderungen und neue Chancen“.

Mit Blick auf Fachmärkte und Fachmarktzentren, die auf die Versorgung der Bevölkerung mit den Gütern des täglichen Bedarfs – vor allem mit Lebensmitteln – spezialisiert sind, verweist Jörg Krechky, Head of Retail Investment Germany beim Immobilienberater Savills in Deutschland darauf, dass „die substanziellen Rahmenbedingungen des Fachmarktzentren-Investments – wie Cashflow-Stabilität, Lagequalität durch restriktives Baurecht, Indexmietverträge, geringere konjunkturelle Abhängigkeit – so attraktiv sind, dass der Markt weiterhin liquide bleiben wird“.

Das lässt sich daran ablesen, dass die Nachfrage der Investoren nach Fachmarktzentren trotz der vielfältigen Krisen ungebrochen ist und laut Savills im bisherigen Jahresverlauf knapp 30% des Transaktionsvolumens im Markt für Handelsimmobilien auf diese Assetklasse entfallen. Die Krisenresistenz der Anlage ergibt sich schon aus der Tatsache, dass Menschen selbst in Krisenzeiten nicht auf Lebensmittel verzichten können.

Mit der Zinswende ist die Preisspitze vorerst erreicht

Vor dem Hintergrund der anhaltend hohen Nachfrage von Seiten institutioneller Investoren erreichten die Nettoanfangsrenditen für Fachmarktzentren laut Savills zu Jahresbeginn mit 3,5% das niedrigste Niveau. „Mit der einsetzenden Zinswende scheint die Preisspitze jedoch vorerst erreicht, und es lassen sich für Fachmarktzentren bereits anfängliche Preiskorrekturen verzeichnen“, heißt es dazu im FMZ-Report: Die Deals der kommenden Monate würden zeigen, wie stark sich die Preise korrigieren.

Neben dieser Herausforderung durch die Zins- und Preiswende steht der Markt noch vor weiteren gravierenden Veränderungen, wie Krechky mit Blick auf die Diskussionen über den Klimawandel und die besondere Bedeutung der (Handels)Immobilien anmerkt: „Sei es aufgrund der strukturellen Probleme im Einzelhandel, der kurzen Erholungsphase von der Pandemie oder weil andere Branchen mehr Transparenzdruck haben: Die Handelsimmobilienbranche und so auch das Fachmarktzentren-Segment hinkt beim Thema ESG noch hinterher.“

Das liegt bei Fachmarktimmobilien vor allem an der einfachen Bauweise in den 1970er- und 1980er-Jahren auf der grünen Wiese. In Konkurrenz zu den teuren Innenstadt-Lagen ging es der Fachmarktbranche in erster Linie darum, ein niedriges Preisniveau und große Sortimente anzubieten. Und das sollte sich schon in der äußeren Hülle dieser „Flachmänner“ widerspiegeln.

Mit dem Trading-up im Lebensmittelhandel und der Popularität von Fachmarktimmobilien bei den Investoren ist in der vergangenen Dekade zwar schon viel Geld in das Refurbishment investiert worden und die Ansprüche an Neubauten sind gewachsen. Viele der zu groß gewordenen SB-Warenhäuser wurden zudem in Fachmarktzentren umgewandelt. Doch nun fehlt bei vielen Objekten noch die Ausrichtung an den ESG-Kriterien. Bei Fachmarktzentren fehlte laut Maria Grubmüller, Senior Research Associate bei Nuveen, im Gegensatz etwa zu Büroimmobilien, der Veränderungs- und Transparenzdruck.

Dabei gibt es mit Blick auf den hohen Energiebedarf bei Lebensmittel-Märkten – Stichwort Beleuchtung, Kühltruhen und Klimatisierung – und die für Photovoltaik-Anlagen geeigneten Flachdächer noch viel Potenzial. Zudem wächst der Veränderungsdruck in der Branche durch die Anleger, wie Maria Grubmüller weiter feststellt und die deshalb überzeugt ist, dass ESG heute das Gebot der Stunde ist.

„Nur wer rechtzeitig und mit einer überzeugenden Strategie auf branchenprägende Themen wie ESG setzt, wird Anleger und Konsumenten langfristig auf seiner Seite halten und weiterhin mit Fachmarktzentren robuste Renditen erzielen können“, warnt sie vor einem möglichen Preisverfall bei nicht nachhaltigen Objekten: „Mit einem Immobilienportfolio auf Sicht zu fahren ist heute ein Garant dafür, den Anschluss an eine nachhaltige Veränderung in unserer Gesellschaft und den Markt zu verlieren.“

So wird Nachhaltigkeit mit all ihren Facetten – neben Lage und Mietermix – künftig auch in dieser Asset-Klasse eine entscheidende Rolle spielen. Aber auch der Mensch werde beim Thema Nachhaltigkeit vermehrt in den Mittelpunkt rücken, so die Expertin. Stichwort: „S“ bei den ESG-Kriterien. Dazu gehören laut FMZ-Report etwa „gemeinwohlorientierte Nutzungen“ in Handelsimmobilien, die der Risikominimierung dienen können. Zwar würden diese Nutzungen geringere Mieteinnahmen bieten, dafür aber stetigere Cashflows, die sich sogar wertsteigernd auswirken könnten.

Großes Geschäftspotenzial beim Thema Nachhaltigkeit

Auch Uwe Seidel, geschäftsführender Gesellschafter bei Dr. Lademann & Partner, sieht in der nachhaltigen Entwicklung von Handelsstandorten hierzulande noch ein großes Geschäftspotenzial und mahnt, „keine Zeit zu verlieren, jetzt anzufangen und Lösungen umzusetzen, die abseits von EEG, Subventionen und temporären Bundes- und Landesförderprogrammen ökonomisch funktionieren“.

Dazu zählt er etwa bei der Nutzung von Photovoltaikanlagen auf den großen Dach- oder Parkflächen der Handelsimmobilien moderne Vertragslösungen zum Verkauf des erzeugten Stroms über sogenannte Purchase Power Agreements (PPAs). Nach den Worten von Rechtsanwalt Andreas Kleefisch von Baumeister Rechtsanwälte Partnerschaft mbB, sucht man sich bei den PPAs, also den Stromkaufvereinbarungen, „einen großen Abnehmer, der für eine längere, vorher festgelegte Zeit den gesamten Strom kauft und verbraucht“. Sofern ein Fachmarktzentrum etwa neben einem Gewerbe- oder Industriegebiet stehe, lasse sich häufig ein größerer Verbraucher in der Nachbarschaft finden wie Kühllogistiker, ein Rechenzentrum oder produzierendes Gewerbe mit hohem Stromverbrauch.

Da es sich laut Kleefisch um einen vollständigen Stromverkauf handelt, finde das Ganze rechtlich außerhalb des EEG statt, denn es werde kein Überschussstrom ins Netz abgeleitet: „Das ist entscheidend.“ Die „Musik“ spiele dann in der Marge zwischen den Produktionskosten des PV Stroms von heute circa 5 Cent und dem Verkaufspreis an den jeweiligen Abnehmer. Laut Seidel entstehen „durch diese und andere intelligente Lösungen Erlösmodelle, die einen bedeutenden Beitrag zum Klimaschutz und zur Nachhaltigkeit von Handelsimmobilien leisten“.

Enormes Potenzial sieht Joaquin Jimenez Zabala, Head of Business Development Retail Real Estate bei der WISAG Facility Service noch darin, Verbrauchsdaten zu analysieren, zu interpretieren und daraus Handlungsempfehlungen abzuleiten. Aus seiner Sicht wird das enorme Potenzial eines durchdachten Datenmanagements für die Handelsbranche oft noch unterschätzt und vernachlässigt.

Dabei können aus seiner Sicht „Daten (…) ein Universalschlüssel sein, wenn es darum geht, die Kosten im Blick zu haben, Prozesse zu optimieren und letztlich Center nachhaltiger zu bewirtschaften – und damit auch Ausgaben zu senken“. Doch nach seiner Erfahrung ist die Datenlage nicht selten lückenhaft, weil die Verbrauchsdaten von Strom, Wärme und Wasser meist nicht systematisch erhoben werden.

Da letztlich keine Disziplin in der Immobilien-Branche all diese Aufgaben allein stemmen kann, ist es laut MEC-COO Schröder wichtig, dass alle, vom Investor, über das Asset-, Property- bis hin zum Facilitymanagement stärker zusammenarbeiten.