Vermietungsmarkt: Verfügbarkeitsquote verdoppelt

Es ist heikel, aber nicht hoffnungslos

Schließung vieler Warenhäuser belastet den Vermietungsmarkt. Foto: Karstadt

Die Lage für den Einzelhandel ist zwar heikel, aber sie ist nicht hoffnungslos, urteilt BNP Paribas Real Estate beim Blick auf den Vermietungsmarkt von Handelsimmobilien. Insgesamt war der Flächenumsatz Corona-bedingt im bisherige Jahresverlauf rückläufig, doch hat sich der Einzelhandelsvermietungsmarkt nach Feststellung von JLL im dritten Quartal „wieder etwas stabilisiert“.

Mit einem Flächenumsatz von 91 800 qm allein im dritten Quartal und einem Vermietungsvolumen, das sich in den ersten neun Monaten dieses Jahres auf 282 800 qm summierte, wird der Vergleichswert des Vorjahres laut JLL zwar um ein Viertel unterboten, doch die Einschätzung, dass am Jahresende ein Flächenumsatz in der Bandbreite von 370 000 bis 380 000 qm erreicht werden könnte, gibt aus Sicht von Dirk Wichner, Head of Retail Leasing bei JLL Germany, Anlass zur Hoffnung: Denn dieses Jahresergebnis würde „in etwa auf dem Niveau direkt nach der Finanzkrise 2008/09 liegen“.

Dieser historische Vergleich macht laut Wichner deshalb Mut, weil der Markt damals bewiesen habe, „wie schnell er sich wieder erholen kann“. Schon im zweiten Jahr nach der Finanzkrise sei der Einzelhandelsumsatz wieder merklich gestiegen und habe 2011 ein Rekordergebnis erreicht. Und BNP Paribas Real Estate (BNPPRE) weist darauf hin, dass „schwierige Rahmenbedingungen und die Notwendigkeit, sich stetig neu zu erfinden, untrennbar mit dem Retailgeschäft verbunden sind“.

Dass viele einzelne Akteure trotz der prekären wirtschaftlichen Lage des Marktes den Glauben „an das stationäre Geschäft und vor allem an die Top-Standorte“ nicht verloren haben, zeigen aus Sicht von Christopher Wunderlich, Head of Retail Advisory bei BNP Paribas Real Estate, auch die Vermietungszahlen der A-Städte in den Monaten zwischen Juli und Oktober 2020: „Insgesamt konnten in dieser Zeitspanne 6% mehr Vermietungen und Eröffnungen registriert werden als im dritten Quartal 2019.“ Und dass 60% des Flächenumsatzes auf Läden mit mehr als 500 qm entfielen, zeige, dass sich nun offenbar für manche Einzelhändler die Chance eröffne, das richtige Ladenlayout zu finden.

„Die Pandemie sorgt eher für Bewegung statt für Stillstand im Handel“, urteilt auch JLL mit Blick auf die Tatsache, dass während des Shutdowns im Frühjahr das Gros der stationären Einzelhändler begriffen hat, wie wichtig die Digitalisierung und die Präsenz im Internet heute für sie ist: „Viele Unternehmen haben damit begonnen, ihre Click & Collect Angebote zu optimieren, bestehende Filialnetze genau zu analysieren und sich, wo es sinnvoll ist, auf neue Ladenformate mit optimierten Flächen zu konzentrieren“, zählt der Immobilienberater auf: „Auch Drive-In-Varianten werden mittlerweile geprüft, die in Frankreich, Großbritannien und den USA bereits getestet werden.“

Laut Wichner sichern Omni-Channel-Strategien auch in der aktuellen Phase den Umsatz für die Einzelhändler: „Stationär hat vor allem derjenige gute Karten, der die Sinne anspricht sowie Kauferlebnis bietet, zugleich aber auch über eine attraktive Onlineplattform präsent ist“, so seine Überzeugung.

Dies soll laut BNPPRE jedoch nicht darüber hinwegtäuschen, welche erheblichen Auswirkungen die Corona-Pandemie und die Folgen der Zwangsschließungen in der Gesamtbetrachtung der ersten neun Monate hierzulande haben. So gingen in den deutschen Shopping-Metropolen die Zahl der Abschlüsse um 21% und der Flächenumsatz um 25% zurück. Bundesweit lagen die Vermietungszahlen und das Vermietungsvolumen um rund 40% unter Vorjahresniveau.

Mit einem Flächenumsatz von 95 400 qm hat sich der Anteil der von JLL untersuchten Top 10-Städte in Deutschland am Gesamtvolumen bei rund einem Drittel eingependelt. Dabei sei es fast allen Metropolen gelungen, ihre Einzelergebnisse zu verbessern. Das treffe vor allem auf Berlin (24 200 qm), Leipzig (6 100 qm) und Stuttgart (4 600 qm) zu und Düsseldorf habe mit 18 300 qm sein Vorjahresgesamtergebnis schon übertroffen.

Dabei kommt auch in diesem Jahr – wie in den Jahren zuvor – wieder ein wichtiger Impuls von internationalen Einzelhändlern, die deutsche Metropolen offenbar immer noch als attraktive Expansionsziele sehen. Dazu gehören laut JLL als neue Akteure mit den ersten stationären Läden in Deutschland die kanadische Outdoor-Marke Canada Goose, der italienische Designmöbelanbieter Calligari und die spanische Modemarke Loewe.

Der Lebensmittelhandel spielt in einer eigenen Liga

Diese Neuankömmlinge können allerdings nicht verhindern, dass sich die von JLL seit 2018 ermittelte Verfügbarkeitsquote für die neun wichtigsten Einzelhandelsstädte, die anzeigt, welche Flächen in den Top-Lagen über die nächsten 18 Monate hinaus frei sein werden, durch die Schließung von nahezu 40 Karstadt- und Kaufhof-Filialen in diesem Jahr von 7% auf nunmehr 14% verdoppelt hat. Insbesondere der Anteil der „Kategorie Warenhäuser“ von 23% an der verfügbaren Fläche zeigt laut Wichner die Signifikanz der Galeria Karstadt Kaufhof Schließungen. In den vergangenen Jahren habe dieses Segment so gut wie keine Rolle gespielt.

Auf die Spitzenmieten in den deutschen Top-Städten haben sich die Folgen der Pandemie nach Beobachtung von JLL bislang noch nicht ausgewirkt. Das Niveau sei stabil. In den darüber hinaus untersuchten 175 wichtigen Städten registrierte der Immobiliendienstleister bislang einen Rückgang von durchschnittlich 2%. Wie es mit der Mietentwicklung bis zum Jahresende weitergeht, wird laut Wichner stark davon abhängen, ob sich der Einzelhandel weiter erholen kann. Mit Blick auf das anstehende wichtige Weihnachtsgeschäft bei gleichzeitig steigenden Infektionszahlen und restriktiven Maßnahmen der Politik ist das nicht leicht abzuschätzen.

Dass in diesem Szenario der Handel mit Lebensmitteln/Drogerieartikeln in einer eigenen Liga „spielt“ und den Vermietungsmarkt antreibt, zeigt der Blick auf die Sparte Gastronomie/Food, die mit gut 95 000 qm und einem Anteil von 35% am Flächenumsatz in den ersten neun Monate an der Spitze steht. Allein Aldi hat zwölf neue Flächen gemietet. Doch auch alle anderen Formate des Lebensmitteleinzelhandels sind laut JLL expansiv. Und auch die Gastronomen wie Peter Pane oder Frittenwerk sowie lokale Café- und Restaurantbetreiber würden in den Innenstadtlagen expandieren.

Der Anteil des früheren Spitzenreiters, des Textileinzelhandels, ist inzwischen auf 24% geschrumpft. „Die Einschränkungen infolge der Pandemie haben zu einem Überangebot an Textilien in den stationären Geschäften geführt, was die Expansionslust bremst“, schreibt JLL. Ausnahmen bilden die Textildiscounter Ernsting’s Family (7) und Kik (3) sowie das Streetwearlabel Kult mit drei geplanten Läden. Die Drogeriemärkte sorgten mit ihrer Expansion dafür, dass die Sparte „Gesundheit/Beauty“ wieder den dritten Platz belegte.