11. Deutscher Fachmarktimmobilien-Kongress

Es gibt einen großen Innovationsdruck im Markt

Auch Fachmarkzentren stellen sich heute neu auf. Foto Hahn Gruppe

Deutsche Fachmarkt-Immobilien sind bei Investoren sehr beliebt, aber auch der Veränderungsdruck in der Branche wurde beim Fachmarktimmobilien-Kongress in Düsseldorf diskutiert. Hoffnung herrscht in der Branche, dass mit dem Visser/Appingedam-Urteil des Europäischen Gerichtshofs die verkrusteten Strukturen des deutschen Planungsrechts aufgebrochen werden können.

Fachmarktimmobilien bleiben bei den Investoren vor allem in Deutschland ganz oben auf der Agenda. Sandra Ludwig, Head of Retail Investment Germany bei Jones Lang LaSalle, geht davon aus, dass in diesem Jahr mehr als 50% des Transaktionsvolumens auf Fachmarktzentren, Fachmärkte und Lebensmittelmärkte aller Größenklassen entfallen wird, wie sie beim 11. Deutschen Fachmarktimmobilien-Kongress in Düsseldorf berichtet. Dabei richtet sich der Fokus der Anleger nach ihrer Beobachtung vor allem auf möglichst homogene Portfolien mit einem Durchschnittsvolumen von über 60 Mio. Euro, nicht zuletzt, um große Volumina anlegen zu können.

Und während große SB-Warenhäuser mit mehr als 6 000 bis 7 000 qm - also mit einem hohen Nonfood-Anteil, der unter der Online-Konkurrenz leidet - weniger interessant sind, richtet sich das Interesse mehr auf kleinere, möglichst schon revitalisierte Objekte. Getragen wird dieses Interesse der Investoren an lebensmittelgeankerten Fachmärkten vom Erfolg der großen Lebensmittel-Konzerne, die laut Ludwig ihre Expansionsstrategie vorantreiben und die Zahl ihrer Standorte ausweiten.

Dabei strebt das Gros der Lebensmittelhändler größere Flächen an, um mehr Komfort und neue Konzepte bieten zu können. Gleichzeitig sind mit der Rückkehr der Bürger und des Lebensmittelhandels in die Innenstädte aber auch wieder mehr Kleinflächen im Kommen, wie die Expertin weiß, zusammen mit Mischobjekten, die auch bei Planungsämtern auf mehr Gegenliebe stoßen: „Mixed-Use im Neubau ist das einzige, was noch genehmigungsfähig ist“, glaubt sie. Zumal es aus Sicht von Frank Röhlings, Geschäftsführer der CMde Centermanagement und Immobilien GmbH notwendig ist, wegbrechende Mieter aus dem Handel durch andere Nutzungen zu ersetzen. Gemeinsam mit den Branchen Drogerie/Gesundheit und Gastronomie stabilisiert der Lebensmittelhandel derzeit den Vermietungsmarkt.

Dieser Erfolg der Fachmarktprodukte bei den Anlegern hat freilich seinen Preis, denn die Renditen stehen hierzulande unter Druck, wie Sandra Ludwig weiter berichtet, und bewegen sich in Richtung 4% und damit in etwa auf das Niveau von Shopping-Centern. Europaweit sind die Renditen für Fachmarktprodukte dagegen stabil und in Großbritannien sowie Italien sinken die Preise sogar schon wieder, so dass die Renditen steigen.

Wie große Anleger die Lage bei Handelsimmobilien gegenwärtig beurteilen, erläuterte Roman Müller, Fonds-Manager bei Union Investment, die soeben ihren Strategiewechsel im Bereich Retail Assets abgeschlossen hat und dabei auf drei Säulen baut. Zum einen setzt der Investor auf Destination Malls wie das Shopping-Center Alexa in Berlin sowie auf Geschäftshäuser in Best-Lage und Mixed-Used-Objekte. Da aber die Renditen hierzulande stark unter Druck stehen, stehen auch Lagen im europäischen Ausland im Fokus. Zum andern fokussiert sich Union Investment verstärkt auf Fachmarktzentren mit 5 000 bis 15 000 qm in Ballungszentren - auch mit dem Ziel, andere Nutzungen ins Portfolio zu mischen. Daran, sich von Shopping-Centern zu trennen, denkt der Investor laut Müller nicht.

Service-Angebote werden immer wichtiger

Ungeachtet der großen Beliebtheit bei den Anlegern, bleibt auch bei Fachmarktimmobilien die Zeit nicht stehen, zumal zahlreiche Objekte dringend modernisiert und an die wachsenden Ansprüche der Konsumenten angepasst werden müssen. Denn vielen Fachmarktzentren mit Schwerpunkt preiswerte Nahversorgung fehlen laut Röhlings Image, Identität und ein Name, wie das bei Einkaufszentren heute an der Tagesordnung ist. Hinzu kommt, dass sich auch diese Asset-Klasse mit dem Thema Digitalisierung auseinandersetzen muss. Denn aus Sicht von Professor Nektarios Bakakis sind die Fachmarktzentren noch nicht digital genug.

Als Positivbeispiel für die Vermischung von stationärem Handel und Internet sieht Harald Ortner, Geschäftsführer der Hanseatischen Betreuungs- und Beteiligungsgesellschaft mbH (HBB), die Zusammenarbeit mit einer bekannten You-Tuberin im Shopping-Center Alexa, wodurch viele neue Kunden angezogen werden konnten. Nach seiner Erfahrung feilen viele Einzelhändler mit Blick auf die zweifellos vorhandenen Risiken an ihren Konzepten. Wichtig ist es aus seiner Sicht aber auch, dass die Eigentümer bei ihren Immobilien immer am Ball bleiben, um die Vermietungsquote hoch zu halten. Da kann auch ein Tätowierer ein interessanter Frequenzbringer sein.

Gernot Falk, Geschäftsführer der ILG Asset Management GmbH, empfiehlt in diesen Zeiten des Wandels in den Handelsimmobilien auch mehr Service zu bieten wie Paket-Stationen oder Click & Collect-Stationen oder den Automatenverkauf etwa von frischen Eiern. Soche zusätzlichen Angebote müssten von den Betreibern als besonderer Service finanziert werden. Ein interessantes Beispiel ist für Falk siw Installation einer Waschmaschine in einem von der ILG verwalteten Fachmarktzentrum, die nach seinen Worten beispielsweise bevorzugt von Lkw-Fahrern genutzt wird, die in dem Lebensmittelmarkt auch ihre Einkäufe erledigen. Solche speziellen Angebote erzeugen Kundenbindung.

„Wir sehen einen großen Innovationsdruck im Markt“, konstatiert auch Marc Föhrer, Geschäftsführer des Dortmunder Beratungsunternehmens Stadt + Handel. Gleichzeitig macht das langwierige Bau- und Planungsrecht in Deutschland aus seiner Sicht gerade für die großflächigen Fachmarktimmobilien außerhalb der Innenstadtzentren den Erneuerungsprozess bei diesen Handelsimmobilien sehr schwer. Verfahren können sich laut Föhrer über fünf bis sieben Jahre hinziehen. Selbst wenn es, wie in einem Fall, darum ging, die Fläche von 8 000 qm auf 4 000 qm zu verkleinern, kann das hierzulande zum landesplanerischen Problem werden.

Bau- und Planungsrecht behindert die Erneuerung

Mit der Frage, welche Anforderungen und Chancen in punkto planungsrechtliche Einzelhandelssteuerung nach dem Appingedam/Visser-Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) in Zukunft zu erwarten sind, befasste sich Jan Hennig, Partner der Münchner Kanzlei GSK Stockmann in seinem Vortrag. Zwar wurde das Urteil, das aus Sicht des Juristen das Potenzial hat, die verkrusteten Strukturen beim deutschen Planungsrecht aufzubrechen, bereits am 30. Januar 2018 gefällt, doch war die Blockadehaltung gegen die Entscheidung in Deutschland nach seiner Beobachtung zunächst sehr massiv.

Im Jahr 2019 befasste sich Hennig nach eigenen Angaben dann intensiver mit dem EuGH-Urteil, das festlegt, dass die europäische Dienstleistungsrichtlinie auch für den Einzelhandel gilt, der von den Richtern als „Dienstleistung“ eingestuft wird. Demnach müssen alle Anforderungen, die ein Gesetz an Dienstleister stellt, so ausgestaltet sein, dass sie nicht diskriminierend, erforderlich und verhältnismäßig sind. Die Münchener Kanzlei vermutet vor diesem Hintergrund, dass mit dem europäischen Urteil etablierte Instrumente des deutschen Planungsrechts künftig in Frage gestellt werden könnten.

Die Kommunen müssten sich bei der Steuerung des Einzelhandels mit dem europäischenRecht auseinandersetzen, so der Jurist, und womöglich Bebauungspläne nachbessern, die ungültig seien, wenn sie gegen europäisches Recht verstoßen. Zudem kritisiert er, dass viele Vorgaben bei der Einzelhandelssteuerung hierzulande nicht empirisch fundiert seien. Das Europa-Recht und das Urteil des Europäischen Gerichtshofskönnten nun den Anstoß geben, die Dichte der planungsrechtlichen Begrenzungen in Deutschland abzubauen.

Informationsvorsprung durch Digitalisierung

Mit dem Thema Informationsvorsprung durch Digitalisierung befassten sich Roland Schmidt Bleker, Partner von Taylor Wessing, Hagen Schmidt-Bleker, Vorstand der Formitas AG und der Berater Marc Föhrer in ihrem Workshop „Automatisiertes Bestandsmonitoring für die Asset-Entwicklung“. Mit Blick auf die Tatsache, dass die Kommunen die Bebauungspläne immer wieder überplanen, so dass sich die rechtliche Lage etwa für einen Supermarkt oder ein Fachmarktzentrum gravierend verändern kann, ist es für die Eigentümer von Einzelhandelsimmobilien im Grunde notwendig, regelmäßig die Amtsblätter zu durchforsten. Das ist mühsam und zeitraubend.

Mit der „Geo Legal Tech“ hat die Formitas AG deshalb ein digitales Tool entwickelt, alle Baurechtmitteilungen zu erheben und zu katalogisieren, um eine qualitätsgesicherte Erfassung zu ermöglichen. Nach Eingabe der Daten über die Immobilien ist es so möglich, zeitnah Informationen über eine Überplanung des für die betreffenden Immobilien relevanten B-Plans zu erhalten. Diese frühe Information ist laut Roland Schmidt-Bleker auch deshalb so wichtig, weil es nach einem Jahr schwierig wird, rechtlich gegen die Änderung vorzugehen, um die entstehenden Nachteile abzuwenden.