Vermietungsmarkt Einzelhandel

Es geht wieder aufwärts

Foto: Hystreet.com

Nach einem lebhaften Vermietungsjahr 2023 – vor allem in der zweiten Jahreshälfte – zeigt die Einzelhandelsvermietung nach Feststellung von JLL auch zum Jahresstart 2024 eine „außergewöhnliche Konstanz“. Abzulesen ist das im ersten Quartal an einem Flächenumsatz, der mit 109 000 qm auf dem Quartals-Durchschnitt der vergangenen fünf Jahre liegt – also einschließlich des Vor-Corona-Jahres 2019. Dabei haben auch die Mieten, die zwischen 2014 und 2017 gestiegen waren – zuletzt spürbar nachgegeben. Im Fokus der Mieter steht vor allem die Qualität der Fläche.

„Fläche ist nicht gleich Fläche und der Faktor Qualität spielt für viele Händler eine entscheidende Rolle“, konstatiert Aniko KorsosHead of Retail Leasing bei JLL Germany: „Deshalb sind ehemalige Warenhäuser nur sehr schwer wieder mit Einzelhandel zu belegen“, zählt sie beispielhaft auf. Und auch Bert PfefferRetail-Experte bei Brockhoff, beobachtet, dass viele Filialisten ganz genau hinschauen, welche Ladenlokale optimal zu ihren Konzepten passen: „Neben der Größe der Verkaufsfläche ist auch die Verhandelbarkeit von Vertragsbedingungen zum entscheidenden Anmietkriterium geworden.“

Zudem bevorzugen die Einzelhändler bei den Mietverträgen nach Pfeffers Worten kürzere Mietvertragslaufzeiten von drei bis fünf Jahren, statt der zehn Jahre, die früher üblich waren. Denn nach den unvorhersehbaren Krisen der vergangenen Jahre ermöglichen kürzere Laufzeiten eine flexiblere Anpassung an die Geschäftsanforderungen, die sich sehr schnell ändern können.

Dass es nach dem bereits recht günstigen Vorjahr auch 2024 auf dem Vermietungsmarkt für den innerstädtischen Einzelhandel und Einkaufszentren weiter bergauf geht, lässt sich auch an der Tatsache ablesen, dass die 109 200 qm Flächenumsatz in den ersten drei Monaten auch noch um 8% über dem Vorjahreswert von 101 000 qm lagen, wie JLL weiter berichtet. Auch die Zahl der Anmietungen legte von 192 auf 199 weiter zu und die klassische Innenstadtbranche, der Mode-Handel, der in den vergangenen Jahren und besonders während der Corona-Jahre geschwächelt hatte, war mit einem Anteil von 52% am Vermietungsumsatz mit Abstand die aktivste Branche, wobei vor allem die Metropolen im Fokus standen. Auf Gastronomie und Food, wozu auch der Lebensmittelhandel gerechnet wird, entfiel nur noch ein Anteil von 15%.

Wie der Immobilienberater BNP Paribas Real Estate (BNPPRE) bereits im Vorjahr registrierte, haben viele Einzelhändler die veränderte Angebotsstruktur im Vermietungsmarkt für Retail Assets genutzt, um ihre Umstrukturierung oder ihre Expansion voranzutreiben, so dass schon länger leerstehende Verkaufsflächen vermietet und drohender Leerstand verhindert werden konnte. Nach den Zwangsschließungen und den zahlreichen Insolvenzen als Folge der Corona-Pandemie beobachtete auch Aniko Korsos, dass viele Mode-Ketten auf Konsolidierungskurs sind und die Gunst der niedrigeren Mieten genutzt haben, um mehrere kleine Standorte in einer Stadt in einer großen Filiale zusammenzufassen, um mehr Raum für Kauferlebnis zu haben und für die Kunden sichtbarer zu sein.

Zudem haben viele Textilkonzepte nach ihrer Beobachtung die Schließungen während der Pandemie genutzt, um ihre Konzepte zu überarbeiten und gleichzeitig eine Multichannel-Strategie zu etablieren, so dass sie sich jetzt wieder stärker auf die Expansion in der Fläche konzentrieren können. Denn nicht nur nach Feststellung von JLL in Deutschland, sondern auch in anderen europäischen Ländern registrieren die Experten, dass die Kunden – insbesondere auch die Touristen – wieder vermehrt in die Einkaufslagen der Innenstädte zurückkehren. Im Gegenzug verzeichnet der Online-Handel nach den Boomjahren 2020 und 2021 eine tendenziell rückläufige Umsatzentwicklung.

„Obwohl die Inflation sich bei Kunden nun auch bemerkbar macht, kommen sie immer noch sehr gern in die Innenstädte – aber nicht nur zum Einkaufen selbst, sondern ebenso für das Kauferlebnis“, lautet Korsos Resumée. Die höheren Preise für Lebensmittel hinterlassen bei der Umsatzentwicklung der Nonfood-Sortimente inzwischen durchaus ihre Spuren.

Die Gastronomie steht vor einigen Herausforderungen

Wie bereits im vergangenen Jahr zu registrieren war, sucht der (Mode)Handel gegenwärtig vor allem große Flächen, wie der oben aufgezeigte Trend zur Verkaufsflächenkonzentration bei einzelnen Mode-Marken erwarten lässt, deren Verfügbarkeit laut JLL in den Top-Lagen aber sehr begrenzt ist. Im vergangenen Jahr erreichten großflächige Ladenlokale mit mehr als 2 000 qm laut JLL einen Anteil von etwa 56% der von den Mode-Händlern neu gemieteten Flächen. Wie schon in der jüngeren Vergangenheit sind hierzulande vor allem internationale Konzepte auf Expansionskurs, auf die im ersten Quartal laut JLL immerhin 61% der Neuanmietungen entfielen. Zu nennen sind hier Woolworth, OnlyAction und Pepco, die sich vorwiegend im preiswerten Segment bewegen sowie Starbucks. Vor allem im Bereich großer Flächen war die spanische Inditex-Gruppe mit ihren Marken Bershka,Pull & Bear sowie Zara mit der Erweiterung von Verkaufsflächen unterwegs.

Im Segment Gastronomie/Food registrierte JLL dagegen eine eher gebremste Expansionsneigung, was an dem Anteil von 15% am Flächenumsatz deutlich abzulesen ist – auch wenn die Branche damit noch deutlich über anderen Bereichen wie Heim/Haus/Wohnbedarf oder Uhren/Schmuck mit jeweils 5% liegt. Laut Aniko Korsos steht vor allem die Gastronomie gleich vor mehreren großen Herausforderungen wie dem Mangel an Personal, die steigenden Kosten und die Erhöhung der Mehrwertsteuer wieder von 7 auf 19% zu Jahresbeginn, wodurch die Preise zwangsläufig steigen, was in Zeiten steigender Lebenshaltungskosten erst einmal verkraftet werden muss.

Das bremst die Expansion. Und nachdem die Nahversorger während der Pandemie davon profitierten, dass sie ohne Unterbrechung öffnen durften, während die Gastronomie schließen musste und viele Arbeitnehmer im Homeoffice zu Hause arbeiteten und selbst kochten, hat sich die Lage mit dem Ende der Pandemie im Lebensmittelhandel wieder normalisiert.

Das bevorzugte Expansionsziel der Einzelhändler sind die zehn Metropolen Berlin, Düsseldorf, Frankfurt, Hamburg, Hannover, Leipzig, München, Köln, Nürnberg und Stuttgart, auf die zu Jahresbeginn etwa 48% aller Abschlüsse entfielen. Mit einem Flächenumsatz von 9 200 qm und neun Abschlüssen führte die Bayernmetropole München das Feld dieses Mal an, gefolgt von der Hansestadt Hamburg, die mit 24 Abschlüssen über 8 200 qm Mietfläche vor allem von der Neuvermietung im Westfield Hamburg-Überseequartier profitierte. Allerdings hatte das Vermietungsvolumen in Hamburg im ersten Quartal 2023 noch bei 17 200 qm gelegen.

Vor allem die großen Städte sind gefragt

Die Bundeshauptstadt Berlin, die ansonsten oft an der Spitze der Neuvermietungsliste zu finden ist und die im Vorjahreszeitraum 14 200 qm verzeichnete, folgte zu Jahresbeginn mit 7 700 qm bei zwölf Abschlüssen erst auf Rang drei, gefolgt von Düsseldorf mit 5 800 qm bei 18 Deals und Köln mit 2 500 qm und acht Deals, sowie Frankfurt mit nur 1 500 qm und drei Vertragsabschlüsse, nachdem das Vermietungsvolumen Anfang 2023 noch bei 5 000 qm gelegen hatte. Der Rest verteilt sich auf die 66 von JLL untersuchten deutschen Städte.

Die Präferenz der Einzelhändler in schwierigen Zeiten für die Metropolen mit ihrer überdurchschnittlich hohen Frequenz, lässt sich auch am Preisniveau und am relativ moderaten Preisrückgang gemessen an den übrigen Städten und Stadtgrößen ablesen. So gingen die Preise in den sieben größten Städten Berlin, Hamburg, Düsseldorf, Köln, Frankfurt/M., Stuttgart und München – nach einem Anstieg von 2014 bis zum Gipfelpunkt 2017 – bis zum ersten Quartal 2024 wieder um -7,1% zurück. Im Durchschnitt der Big 10 war der Mietrückgang mit -8,2% nur unwesentlich höher, während der Rückgang bei allen 66 von JLL untersuchten Städten bei -17,4% lag. Rechnet man aus dieser Gruppe die sieben Metropolen raus, dann kommt man auf einen Mietrückgang von -21,3%.

Große Unterschiede gibt es entsprechend je nach Stadtgröße. In den 28 untersuchten Städten mit 100 000 bis 250 000 Einwohnern sanken die Mieten gegenüber 2014 im Schnitt um -20,9%. Kleinere Städte mit weniger als 100 000 Einwohnern wurden nicht untersucht. In den zehn Städten mit 250 000 – 500 000 Einwohnern lag der Mietrückgang mit 23,1% am höchsten, während er in den 14 Städten mit mehr als 500 000 Einwohnern mit -11,6% auch noch relativ moderat ausfiel.

Laut Aniko Korsos haben sich die Spitzenmieten – nach mehreren Jahren des schrittweisen Rückgangs – inzwischen auch in den Städten jenseits der größten sieben Metropolen wieder etwas stabilisiert: „Den Höhepunkt für die deutschen Einkaufsstädte markiert dabei das Jahr 2017“, wie sie feststellt. Seither ging es im Zuge des Strukturwandels durch die wachsende Online-Konkurrenz immer weiter bergab.

Die Spitzenmieten haben sich stabilisiert

So sind auch die Spitzenmieten in den Top-7-Städten und auch in den Top 10 im Vergleich zum ersten Quartal 2023 ziemlich stabil geblieben. Ausnahmen bilden allerdings die Hansestadt Hamburg. Hier ging die Miete in der Top-Lage Spitalerstraße laut JLL im ersten Quartal gemessen am Vorjahreszeitraum um -2% von 255 Euro für ideal geschnittene Kleinflächen auf 250 Euro zurück. Der Immobilienberater erwartet aber, dass die Miete im zweiten Quartal wieder auf 255 Euro zulegen wird. In Nürnberg in den Top-Lagen „Ludwigsplatz, Hefnersplatz, Karolinenstraße“ sank die Miete von 140 auf 135 Euro. Auch hier erwartet der Immobilienberater im zweiten Quartal eine Rückkehr auf 140 Euro.

Ansonsten blieben die Spitzenmieten gegenüber dem Jahresstart 2023 in den übrigen acht Städten unverändert, genauso der Spitzenplatz von München mit 340 Euro pro qm in der Kaufingerstraße-Marienplatz, vor dem Tauentzien in Berlin mit 290 Euro und Frankfurt mit der Zeil sowie Düsseldorf mit der Königsallee mit jeweils 270 Euro. Hamburg folgt auf Platz 5 mit den erwähnten 250 Euro genauso wie Stuttgart mit der Königstraße. Es folgen die Kölner Schildergasse mit 225 Euro, Hannover mit 170 Euro in der Georgstraße und in der Bahnhofstraße, vor den Nürnberger Lagen und schließlich Leipzig mit 110 Euro in der Petersstraße und der Grimmaische Straße auf Platz 10. Der stabile Start ins Vermietungsjahr 2024 und die vielen Vermietungsmeldungen lassen hoffen, dass sich der Markt 2024 stabil entwickeln wird.