Der lange Weg zurück zur Normalität

Erfahrungen aus der ersten Lockerungsrunde

Frequenz in Shopping-Centern. Quelle: IPH

Der Lockdown hat zu einem noch nie erlebten Umsatzeinbruch im Einzelhandel geführt, der für viele Unternehmen zur Existenzbedrohung geworden ist. Dies beeinflusst den Wert einer Handelsimmobilie, der sich aus dem Multiplikator aus der nachhaltigen Nettojahresmiete ermittelt. In Innenstadt- und Shopping-Center-Lagen besteht eine hohe Korrelation zwischen Miethöhe und Frequenz. Daher ist es interessant, die Frequenzverläufe bei der Lockerung des Lockdowns zu betrachten.

Eine Analyse aller 22 von der IPH Handelsimmobilien GmbH gemangten Shopping-Centern zeigt, dass schon vor dem Lockdown die Frequenzen gegenüber 2019 um 19% gesunken waren und mit dem Lockdown um 70%. Die Werte während der Lockdown-Phase schwanken zwischen minus 40% bis 100% je nach Anteil der Nahversorgung im Center.

An den Standorten, an denen ab der 17. Kalenderwoche (20. bis 25. April) auch Nonfood-Anbieter mit weniger als 800 qm Verkaufsfläche wiedereröffnen durften, ist die Frequenz um 30% angestiegen und erreicht knapp 60% des Vorjahreswertes. Diese Werte korrelieren sehr stark mit den Beobachtungen in den Highstreet-Lagen, in denen ebenfalls die 800 qm Läden bereits öffnen durften.

Auch wenn diese kleine Lockerung ein ermutigendes Zeichen dafür ist, dass die Verbraucher zurück zu den Einkaufslagen finden, ist die Rückkehr zur Normalität noch ein weiter Weg. Eine Analyse der Berater der BBE-Handelsberatung sowie der Vermieter und Centermanager der IPH zeigt folgendes Bild:

1.) In den Shopping-Center- und Highstreet-Lagen der Großstädte bleiben die Umsatzzuwächse über alle Branchen hinweg deutlich unter den Frequenzzuwächsen. Dies liegt an dem hohen Anteil modischer resp. Textil-lastiger Sortimente. Dadurch entsteht in diesen Lagen der Eindruck, dass es vielen Menschen erstmal darum ging, wieder ein wenig zu bummeln und die „neuen Freiheiten“ zu genießen. Zudem kann der stationäre Einzelhandel wegen der Öffnungsbeschränkung für Shops mit mehr als 800 qm Verkaufsfläche nicht seine gewohnte Kompetenz zeigen.

2.) Die Hauptumsätze wurden mit bedarfs- und saisonbezogenen Sortimenten erzielt wie z. B. Kinder- oder Running-Schuhen, Fitnesskleidung etc. 

3.) Standorte mit rein regionalen Einzugsgebieten und Solitärlagen mit hohen Stamm- und Zielkaufkunden erzielen teilweise sogar höhere Umsätze als vor dem Lockdown. Dabei handelt es sich um die Deckung von Nachholbedarf. Davon konnten aktuell auch viele mittelständische Händler profitieren, die zusätzlich vom weiteren Lockdown der großflächigen Konkurrenz profitieren. Auch vergleichbare textile Franchise-Konzepte reüssieren in diesen Lagen besser als z.B. im Shopping-Center oder auf der Highsteet. Die Capture-Rate ist hier sehr hoch.

4.) Allerdings ist bei etwa 10 bis 15% der mittelständischen Betriebe, die schon vor dem Lockdown in Schieflage waren, mit dem Marktaustritt zu rechnen. Die damit verbundenen Ausverkäufe und der Warendruck im Textilhandel und in der Textilindustrie werden zu Rabattschlachten führen.

5.) Anlassbezogene Kleidung für z.B. Kommunion, Konfirmation, Hochzeiten, Business etc. sind aktuell nahezu unverkäuflich.

6.) Dem Möbelhandel und der Bau- und Gartenmarktbranche wird nach den Nahversorgungsbranchen die beste Chance für eine schnelle Rückkehr zum Vorjahresniveau prognostiziert. Stimulierend könnten der zwangsverordnete Cocooning-Effekt und die eingeschränkten Urlaubsmöglichkeiten wirken, die mögliche Kaufkraftrückgänge durch den Konjunktureinbruch sogar überkompensieren könnten.

7.) Der Fahrradhandel erwartet ausgelöst durch die hohe Verweildauer zuhause und den warmen Frühling einen Run auf seine Sortimente. Die Conversion der Nachfrage in Umsatz wird ausschließlich davon geleitet, ob der erwartete Ansturm im Rahmen der Abstands- und Hygieneregeln bewältigt werden kann.